Aktuell: Kreml wirft Kiew Drohnen-Anschlag auf Putin vor
3. Mai 2023Das Wichtigste in Kürze:
- Moskau: Ukraine versuchte Anschlag auf Präsident Wladimir Putin
- Weiterer russischer Güterzug nach Explosion entgleist
- Selenskyj zu einem Überraschungsbesuch in Finnland eingetroffen
- Berliner Polizei will von Besuch Selenskyjs Mitte Mai wissen
- 19 Tote bei russischen Angriffen auf Cherson
Russland hat der Ukraine einen versuchten Anschlag auf Kremlchef Wladimir Putin vorgeworfen und mit Gegenmaßnahmen gedroht. In der Nacht zu Mittwoch seien zwei Drohnen zum Absturz gebracht worden, die auf das Kreml-Gelände zugeflogen seien, teilte das russische Präsidialamt mit. Putin sei unverletzt geblieben.
"Wir betrachten diese Handlungen als einen geplanten Terrorakt und Anschlag auf das Leben des Präsidenten der Russischen Föderation", heißt es in der Kreml-Mitteilung. "Die russische Seite behält sich das Recht vor, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wo und wann sie es für angebracht hält." Unabhängig überprüft werden konnten die Angaben zunächst nicht.
Ukraine weist russischen Vorwurf zurück
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj weist russische Vorwürfe eines Attentatsversuchs auf Staatschef Wladimir Putin zurück. "Wir greifen Putin oder Moskau nicht an, wir kämpfen auf unserem eigenen Territorium", erklärt Selenskyj vor Journalisten in Helsinki. Zuvor hatte schon Selenskyjs Berater Mychailo Podoljak erklärt, die Ukraine habe damit nichts zu. Der Ukraine würde ein solches Vorgehen nichts auf dem Schlachtfeld nützen und nur Russland dazu provozieren, "radikalere Maßnahmen" zu ergreifen. Die Stellungnahme Russlands könne darauf hinweisen, dass es sich auf einen großen "terroristischen" Angriff auf die Ukraine in den kommenden Tagen vorbereite.
Weiterer russischer Güterzug nach Explosion entgleist
Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit ist im russischen Grenzgebiet nahe der Ukraine ein Güterzug nach einer Explosion entgleist. In der Region Brjansk seien unweit der Siedlung Belye Berega am Dienstagabend eine Lokomotive und rund 20 Waggons "wegen illegaler Eingriffe in die Arbeit des Eisenbahnverkehrs" aus den Gleisen gesprungen, teilte die russische Bahnbetreiber RZD auf Telegram mit.
Der Gouverneur von Brjansk, Alexander Bogomas, schrieb von einem "unbekannten Sprengkörper", der explodiert sei. Verletzt worden sei ersten Erkenntnissen zufolge niemand. Bereits am Montag war in derselben Region, rund 150 Kilometer westlich von Brjansk, ein Zug entgleist, nachdem Unbekannte die Schienen gesprengt hatten. Bilder in Internet-Plattformen zeigten mehrere auf der Seite liegende Kesselwagen und aufsteigenden dunkelgrauen Rauch.
In den vergangenen Wochen häuften sich Anschläge auf russische Infrastruktur und Versorgungswege. So geriet etwa am vergangenen Wochenende auch ein Treibstofflager auf der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim durch eine Drohnenattacke in Brand. Aktuell meldet der Gouverneur der russischen Region Krasnodar einen Brand in einem Treibstofflager. "Das ist ein Brand der höchsten Schwierigkeitsklasse", schreibt Weniamin Kondratjew bei Telegram. Die Region liegt im Südwesten Russlands am Asowschen Meer gegenüber der Ukraine. Die Hintergründe der Aktionen sind unklar.
Selenskyj besucht überraschend Finnland
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich bei einem Überraschungsbesuch in Finnland für die anhaltende Unterstützung aus dem Norden Europas bedankt. Er danke der gesamten finnischen Gesellschaft für die Hilfe für sein Land und sein Volk, sagte Selenskyj auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö in Helsinki.
Selenskyj zeigte sich überzeugt, dass Kiew auch bald westliche Kampfjets erhalten werde. "Bald werden wir in die Offensive gehen und danach wird man uns Flugzeuge geben", betonte der 45-Jährige. Er erinnerte dabei daran, dass den Lieferungen von Haubitzen und Panzern auch erfolgreiche ukrainische Offensivaktionen vorangegangen seien. "Ich wünschte mir, dass es umgekehrt sei, dann wäre es leichter. Wir sind aber trotzdem dankbar", versicherte er. Auf eine entsprechende Frage zu Kampfjetlieferungen äußerte sich Niinistö mit Blick auf die veralteten Hornet-Jets in den finnischen Beständen zurückhaltend.
Selenskyjs Besuch in der finnischen Hauptstadt war bis kurz vor seiner Ankunft auf dem Flughafen Helsinki-Vantaa geheimgehalten worden. Geplant ist auch ein Treffen mit den Regierungschefs aus Schweden, Norwegen, Dänemark und Island in Helsinki. Daran soll nun auch Selenskyj teilnehmen.
Berlins Polizei bereitet sich auf Selenskyj-Besuch vor
Selenskyj wird möglicherweise Mitte Mai zum ersten Mal seit dem russischen Angriff auf die Ukraine nach Berlin kommen. Die Berliner Polizei gab überraschend bekannt, dass sie alle Sicherheitsvorkehrungen für einen solchen Besuch am 13. und 14. Mai treffe. Für den 14. Mai ist die Verleihung des Karlspreises an Selenskyj in Aachen geplant. Bisher wurde aber nicht bestätigt, dass der ukrainische Präsident persönlich dabei sein wird. Die Berliner Polizei bestätigte die Reisepläne des ukrainischen Präsidenten auf Nachfrage, nachdem die Zeitung B.Z. darüber berichtet hatte. Es ist ein ungewöhnlicher Schritt, weil die Auslandsreisen Selenskyjs aus Sicherheitsgründen in der Regel bis zur letzten Minute geheim gehalten werden. Je nach Lage im Kriegsgebiet können sich die Planungen auch jederzeit ändern.
Weder vom Kanzleramt noch von der ukrainischen Botschaft gab es deswegen bislang eine Bestätigung für den Berlin-Besuch Selenskyjs. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte lediglich, dass die Termine des Bundeskanzlers am Freitag der Vorwoche bekanntgegeben würden. Nach einem Bericht von t-online gibt es in Kiew inzwischen Unmut über die Bekanntgabe der Reisepläne. Dieser Vorgang sei "unverantwortlich" und könne "einen möglichen Besuch des ukrainischen Präsidenten in Frage stellen", zitierte das Nachrichtenportal regierungsnahe Kreise.
19 Tote bei russischen Angriffen auf Cherson
Bei russischen Luftangriffen in der Region Cherson in der Südukraine sind nach ukrainischen Angaben mindestens 19 Menschen getötet worden. 47 Bewohner seien verletzt worden, teilte die Staatsanwaltschaft von Cherson im Onlinedienst Telegram mit. Russland habe "massive" Angriffe gegen Zivilisten in der Region geführt.
Den Angaben zufolge wurden zwölf der Opfer in der Stadt Cherson getötet. Den Behörden zufolge trafen zwei Angriffe einen Supermarkt und den Bahnhof der Stadt. Ein weiteres Bombardement traf demnach drei Menschen, die an der Reparatur einer Energieanlage arbeiteten.
Selenskyj: Müssen euro-atlantische Sicherheit stärken
In seiner abendlichen Videoansprache hatte Selenskyj mit Blick auf den bevorstehenden NATO-Gipfel im Juli den Zusammenhalt westlicher Staaten angemahnt. "Das Wichtigste, was uns verbindet, ist die Sicherheit für alle Europäer, Stabilität und daher die weitere Entwicklung und Stärkung der europäischen und euro-atlantischen Gemeinschaft", sagte Selenskyj. Bei einem Treffen mit dem portugiesischen Parlamentspräsidenten Augusto Santos Silva habe er deshalb auch über die ukrainischen Forderungen an die NATO gesprochen.
Zuvor hatte Selenskyj bereits klar gemacht, dass er von dem Gipfel in Vilnius erwarte, dass dort der Weg zur Aufnahme seines Landes in das westliche Militärbündnis freigemacht werde. Unterstützung bei seinen Forderungen bekommt Kiew insbesondere von mittel- und osteuropäischen Staaten wie Gipfelgastgeber Litauen.
Die Hoffnungen der Ukraine auf eine konkretere NATO-Beitrittsperspektive drohen allerdings vorerst enttäuscht zu werden. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur haben zuletzt Bündnismitglieder wie die USA und Deutschland hinter verschlossenen Türen deutlich gemacht, dass sie vorerst keine Zusagen machen wollen, die substanziell über eine vage NATO-Erklärung aus dem Jahr 2008 hinausgehen. In ihr hatten die damaligen Staats- und Regierungschefs vereinbart, dass die Ukraine und Georgien der NATO beitreten sollen. Einen konkreten Zeit- oder Fahrplan dafür gab es allerdings nicht.
Von US-Datenleck erst aus den Medien erfahren
Präsident Wolodymyr Selenskyj ist nach eigenen Angaben nicht zuerst von der US-Regierung über das brisante Datenleck mit im Internet kursierenden Geheimdokumenten informiert worden. Das geht aus dem Auszug eines Interviews der "Washington Post" mit Selenskyj hervor. In der "Washington Post" heißt es, der Präsident habe aus den Nachrichten davon erfahren. Selenskyj bezeichnete die Enthüllungen als schlecht für die Ukraine und die USA.
US-Medien hatten kurz vor Ostern erstmals über das Leck berichtet. Schon seit Wochen kursierten damals geheime Dokumente von US-Stellen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine im Internet - mit Informationen zu Waffenlieferungen, Einschätzungen zum Kriegsgeschehen und auch Details zu angeblichen Spähaktionen der USA gegen Partner. Ein 21 Jahre alter Angehöriger des US-Militärs steht im Verdacht, diese in einem geschlossen Chat-Raum veröffentlicht zu haben.
nob/sti/qu/AL (dpa, rtr, afp)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.