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KonflikteUkraine

Aktuell: Neue russische Angriffswelle

5. Dezember 2022

In der gesamten Ukraine gilt Luftalarm. Neue Todesopfer meldet die südliche Region Saporischschja und Bundeskanzler Scholz will Deutschland zum Garanten europäischer Sicherheit machen. Nachrichten im Überblick.

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Ukrainische Soldaten in einem Schützengraben bewachen die Region Saporischschja
Ukrainische Soldaten bewachen die Region Saporischschja (Archivbild) Bild: Dmytro Smolienko/NurPhoto/IMAGO

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Neue russische Raketenangriffe 
  • Kanzler Scholz kündigt neue Sicherheitsstrategie an
  • Öl-Sanktionen gegen Russland in Kraft
  • Justiz: Sexuelle Gewalt ist "Kriegsmethode"
  • Selenskyj: "Wir schützen unser Zuhause"

 

Die russischen Streitkräfte haben die Ukraine wieder massiv mit Raketen angegriffen und insbesondere die Infrastruktur unter Beschuss genommen. Nach Behördenangaben wurden in der südlichen Region Saporischschja mindestens zwei Menschen getötet. Mehrere Häuser seien dort zerstört worden. 

Keine Trinkwasserversorgung in Odessa

In der südukrainischen Hafenstadt Odessa brach laut örtlichen Berichten aufgrund von Stromausfällen die Wasserversorgung zusammen. Blackouts und damit verbundene Ausfälle der Fernheizung und der Wasserversorgung gab es nach offiziellen Angaben auch in der Industriestadt Krywyj Rih im Südosten. In der nördlichen Region Sumy fiel nach einem Raketeneinschlag der Strom aus, wie ein Energieversorger mitteilte. Über Explosionen - teils auch ausgelöst durch die ukrainische Flugabwehr - wurde auch aus dem Zentrum und dem Westen des Landes berichtet.

In der gesamten Ukraine wurde Luftalarm ausgelöst. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, Schutzräume aufzusuchen. Auch in der Hauptstadt Kiew war den Angaben zufolge die Luftabwehr im Einsatz.

Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, die Luftabwehr habe die meisten russischen Raketen am Montag abgeschossen. Russland hatte bereits in den vergangenen Wochen immer wieder gezielt die Energie- und Wasserversorgung in der Ukraine mit Raketen angegriffen, nachdem sich die russischen Bodentruppen aus einigen besetzten Gebieten hatten zurückziehen müssen. 

Kongress der EU-Sozialdemokraten PES I Olaf Scholz
Will sich für die Sicherheit Europas stark machen: Bundeskanzler Olaf ScholzBild: Carsten Koall/dpa/picture alliance

Kanzler Scholz will "neue strategische Kultur"

Als Reaktion auf Russlands Krieg gegen die Ukraine will Bundeskanzler Olaf Scholz Deutschland zu einem der Hauptgaranten von Europas Sicherheit machen. Der SPD-Politiker verwies in einem Beitrag für das US-Magazin "Foreign Affairs" auf die neue nationale Sicherheitsstrategie, die bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar vorgestellt werden soll. Wörtlich schrieb Scholz: "Deutschlands neue Rolle erfordert eine neue strategische Kultur."

Man müsse Russlands "revanchistischem Imperialismus" Einhalt gebieten, so Scholz. Dazu gehörten Investitionen in die deutsche Bundeswehr, die Stärkung der europäischen Rüstungsindustrie, mehr Präsenz an der NATO-Ostflanke sowie Ausbildung und Ausrüstung der ukrainischen Streitkräfte. Jahrzehntelang sei Sicherheitspolitik vor dem Hintergrund eines friedlichen Europas gemacht worden." Jetzt wird man sich an der Frage orientieren, welchen Bedrohungen wir und unsere Verbündeten gegenüberstehen, in erster Linie ausgehend von Russland."

Putin fährt über beschädigte Krim-Brücke

Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Krim-Brücke besichtigt, die im Oktober bei einer Explosion schwer beschädigt worden war. Die staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti verbreitete Videos, auf denen der Kremlchef am Steuer eines Mercedes bei der Fahrt auf dem reparierten Teilstück der Brücke zu sehen ist. Die 19 Kilometer lange Brücke führt vom russischen Festland zu der seit 2014 von Moskau annektierten ukrainischen Halbinsel Krim. Sie gilt als milliardenschweres Prestigeobjekt des Kremls. 

Russlands Präsident Wladimir Putin
Wladimir Putin (r.) wurde vom stellvertretenden Ministerpräsidenten Marat Chusnullin (l.) begleitetBild: Mikhail Metzel, Sputnik, Kremlin Pool Photo via AP/picture alliance

Vorfälle auf russischen Militärbasen

Russland hat ukrainische Drohnenangriffe für Explosionen auf zwei Luftwaffenstützpunkten der russischen Streitkräfte in Zentralrussland verantwortlich gemacht. Am Montagmorgen habe "das Kiewer Regime versucht, den Djagilewo-Flugplatz in der Region Rjasan und den Engels-Flugplatz in der Region Saratow mit Drohnen sowjetischer Bauart zu treffen", erklärte das russische Verteidigungsministerium. Drei Soldaten seien getötet und vier verletzt worden. 

Das Ministerium warf den ukrainischen Streitkräften vor, so die russischen "Langstreckenflugzeuge außer Betrieb setzen" zu wollen. Sie werden für die Angriffe genutzt, die in den vergangenen Wochen auf ukrainische Energieinfrastruktur zielten. Die Drohnen seien abgefangen worden, erklärte das Ministerium weiter. Doch ihre Trümmer seien herabgestürzt und auf den Flugplätzen explodiert.

Neue EU-Sanktionen 

Im Konflikt mit Russland wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine sind neue Sanktionen der Europäischen Union in Kraft getreten. Von diesem Montag an gilt ein Embargo für per Schiff transportiertes russisches Rohöl. Es betrifft rund zwei Drittel der bisherigen russischen Öl-Importe der EU. Dass die Menge komplett an andere Abnehmer verkauft werden kann, gilt als ausgeschlossen. Für Importe über Pipelines gibt es noch eine Ausnahme, weil einige EU-Staaten stark darauf angewiesen sind.

Öltanker an der NWO Tankerlöschbrücke in der Nähe des geplanten LNG-Terminal Wilhelmshaven
Öltanker an Tankerlöschbrücke in Wilhelmshaven (Archiv)Bild: Hans-Peter Marschall/imageBROKER/picture alliance

Ebenfalls ab diesem Montag "oder sehr bald danach" gilt eine Regelung, die Russland dazu zwingen soll, Erdöl künftig für höchstens 60 US-Dollar pro Barrel (159 Liter) an Abnehmer in anderen Staaten zu verkaufen. Die Maßnahmen sollen dazu beitragen, Russlands Handelsgewinne zu begrenzen und damit seine Fähigkeit zur Kriegsführung einzuschränken.

Preisobergrenze "nicht marktwirtschaftlich"

Russland will den von der EU und den G7-Industrienationen beschlossenen Ölpreisdeckel nicht hinnehmen und hat mit Gegenmaßnahmen gedroht. Russland sehe das Instrument als nicht marktwirtschaftlich an, erklärte Vizeregierungschef Alexander Nowak. "Solche Eingriffe" führten nur zu einer "weiteren Destabilisierung des Marktes und einer Verknappung der Energieressourcen". Man arbeite an "Mechanismen", um den Einsatz von Preisdeckeln "in jeglicher Höhe zu unterbinden". Details nannte Nowak nicht.

Der Kreml erklärte inzwischen, die Preisobergrenze für russische Ölexporte werde keinen Einfluss auf Moskaus Militäraktion in der Ukraine haben. "Die Wirtschaft der Russischen Föderation verfügt über das nötige Potenzial, um die Bedürfnisse und Anforderungen der speziellen Militäroperation vollständig zu erfüllen", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow vor der Presse in Moskau.

UNHCR erwartet mehr Binnenvertriebene

Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) rechnet wegen des anhaltenden Ukraine-Kriegs eher mit einer Zunahme der Vertreibung innerhalb des Landes als mit einer großen Fluchtbewegung in Richtung der EU-Staaten. "Das wahrscheinlichste Szenario ist eine weitere Vertreibung innerhalb der Ukraine", sagte der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Filippo Grandi, in einem Interview mit dem "Spiegel". "Ich hoffe, dass es keine weitere große Flüchtlingsbewegung geben wird", fügte er hinzu. Zugleich schränkte der UNHCR-Chef ein: "Aber Krieg ist unberechenbar."

Grandi zeigte sich zuversichtlich, dass die EU-Staaten bei Bedarf auch zusätzliche Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen könnten. "Europa kann der Herausforderung noch eine Weile standhalten", meinte der Italiener. Mit Blick auf den Winter prognostizierte Grandi: "Anders als im Frühjahr werden diesmal mehr öffentlich betriebene Unterkünfte nötig sein, und dafür werden Mittel benötigt." Daher sollten Länder wie Polen und Tschechien, die eine besonders große Last zu tragen hätten, finanziell unterstützt werden.

Zerstörtes Haus im ukrainischen Tschernihiw
Zerstörtes Haus im ukrainischen TschernihiwBild: Mustafa Ciftci/AA/picture alliance

Justiz: Sexuelle Gewalt ist "Kriegsmethode" 

Der ukrainische Generalstaatsanwalt Andrij Kostin hat vor einer "drastischen Zunahme" sexueller Gewalt durch russische Soldaten im Ukraine-Krieg gewarnt. Betroffen seien "alle Geschlechter und alle Altersklassen (...), Kinder ebenso wie Alte", sagte Kostin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Vor vier Monaten seien erst 40 Fälle von sexueller Gewalt registriert worden. "Mittlerweile liegt die Zahl bei mehr als 110 Fällen - Tendenz stark steigend." Die Dunkelziffer sei deutlich höher.

Kostin kritisierte, sexuelle Gewalt werde im Krieg gezielt durch russische Soldaten angewandt. "Wir sind sicher: Das ist eine Kriegsmethode, um Ukrainerinnen und Ukrainer zu demütigen", so Kostin. Es sei zwar nicht leicht, die gesamte militärische Befehlskette nachzuverfolgen. "Wir haben aber viele Fälle entdeckt, bei denen der russische Kommandeur Vergewaltigungen angeordnet oder zumindest unterstützt hat", behauptete er.

Der Generalstaatsanwalt forderte zudem ein internationales Sondertribunal für Kriegsverbrechen nach dem Modell der Nürnberger Prozesse nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Für ein derartiges Tribunal habe die Ukraine bereits Unterstützung durch Resolutionen des EU-Parlaments und der Parlamentarischen Versammlung der NATO. "Jetzt arbeiten wir an der Zustimmung durch die UN-Vollversammlung", sagte Kostin.

Selenskyj: "Wir schützen unser Zuhause"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat an sein Volk appelliert, weiterhin Durchhaltevermögen und Widerstandsfähigkeit zu zeigen. "Der Feind hofft sehr, den Winter gegen uns zu verwenden: die Winterkälte und Not zu einem Teil seines Schreckens zu machen", sagte Selenskyj in einer Videobotschaft am Sonntagabend. "Wir müssen alles tun, um diesen Winter zu überleben, egal wie hart er ist." Diesen Winter zu ertragen bedeute, alles zu ertragen.

Ukraine | Wolodymyr Selenskyj
Setzt auf Widerstandsfähigkeit: Wolodymyr Selenskyj Bild: President Of Ukraine/APA Images/ZUMA/picture alliance

Russland habe zwar einen Vorteil durch Raketen und Artillerie, erklärte Selenskyj. "Aber wir haben etwas, was der Besatzer nicht hat und nicht haben wird. Wir schützen unser Zuhause, und das gibt uns die größtmögliche Motivation."

se/uh/qu/rb/wa/ack (afp, dpa, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.