1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KonflikteUkraine

Aktuell: Moskau macht Kiew für Mord an Dugina verantwortlich

22. August 2022

Nach dem Attentat vom Samstag weist Moskau mit dem Finger auf Kiew. Der ukrainische Staatschef wiederum richtet eine Warnung an Russland. Der Überblick.

https://p.dw.com/p/4FqWq
Mehrere Forensiker untersuchen Trümmerteile am Tatort
Forensiker untersuchen am Sonntag nach dem Anschlag auf Darja Dugina den Tatort in der Region MoskauBild: Investigative Committee of Russia via REUTERS

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Schuldzuweisungen nach Mord an Darja Dugina
  • Selenskyj: Öffentlicher Prozess hätte Konsequenzen
  • Angriffe im Süden und Osten "zurückgeschlagen"
  • Westen sorgt sich um Atomkraftwerk Saporischschja
  • Schwesig weist umstrittenen Kubicki-Vorstoß zurück

 

Russland macht die Ukraine für den Mord an der Kriegsunterstützerin Darja Dugina am Samstag verantwortlich. "Das Verbrechen wurde von ukrainischen Geheimdiensten vorbereitet und begangen", erklärte der russische Inlandsgeheimdienst FSB. Als vermeintliche Täterin wurde eine 1979 geborene Ukrainerin benannt, die Ende Juli gemeinsam mit ihrer Tochter nach Russland eingereist sei. Nach der Tat seien beide ins benachbarte EU- und NATO-Land Estland geflohen.

Die Tochter des bekannten rechtsnationalistischen Ideologen Alexander Dugin galt als Verfechterin des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Sie wurde durch einen Sprengsatz an ihrem Auto in einer Moskauer Vorstadtsiedlung getötet. Vertreter staatlicher russischer Medien lasteten das Attentat sogleich der Ukraine an, ohne dafür irgendwelche Beweise vorzulegen. Ihrer Argumentation zufolge hätte eigentlich der kremlnahe Dugin selbst getroffen werden sollen.

Andere Beobachter bezweifeln die russische Darstellung. Manche vermuten die Täter eher aufseiten Moskaus und sprechen von einem Machtkampf hinter den Kulissen des Kremls. Auch hierfür gibt es bisher keine Belege. Der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak hatte die Vorwürfe gegen sein Land bereits am Sonntag zurückgewiesen. "Die Ukraine hat sicherlich nichts mit der gestrigen Explosion zu tun, weil wir kein krimineller Staat sind", sagte Podoljak im Fernsehen.

Ukraine-Krieg Schild zur Unterstützung der ukrainischen Soldaten des Asowschen Regiments
Dieses Plakat soll gefangengenommene Kämpfer aus Mariupol zeigenBild: David Goldman/AP Photo/picture alliance

Selenskyj befürchtet Schauprozess

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland davor gewarnt, Soldaten seines Landes anlässlich des ukrainischen Unabhängigkeitstages vor Gericht zu stellen. "Das wird die Grenze sein, ab der keine Verhandlungen mehr möglich sind", sagte er in einer neuen Videoansprache. 

Selenskyj verwies auf Medienberichte, wonach es am Mittwoch (24. August) einen öffentlichen Prozess gegen ukrainische Kämpfer geben könnte, die während der Belagerung der Hafenstadt Mariupol gefangengenommen wurden. Das wäre "verabscheuungswürdig".

Zuvor hatte der Staatschef bereits vor verstärkten russischen Angriffen rund um den Unabhängigkeitstag gewarnt. Sein Berater Mychailo Podoljak ergänzte, die Regierung rechne auch mit Attacken auf Kiew. In der Hauptstadt sind von Montag bis Donnerstag vorsorglich alle öffentlichen Versammlungen untersagt. In der zweitgrößten Stadt Charkiw gilt am Mittwoch sogar eine ganztägige Ausgangssperre.

Selenskyj ehrt "Nationale Legenden der Ukraine"

Fast ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn hat der ukrainische Präsident mehrere Landsleute für besondere Verdienste ausgezeichnet. Den Orden "Nationale Legende der Ukraine" erhielt unter anderem der frühere Fußballprofi Andrij Schewtschenko. Dieser nutze seine Berühmtheit, um der Ukraine zu helfen, erklärte Selenskyj.

Ukraine, Borodjanka | Ex-Fussballspieler Andrij Schewtschenko
Andrij Schewtschenko im August bei einem Besuch in BorodjankaBild: Genya Savilov/AFP/Getty Images

Zu den Geehrten zählt außerdem ein Zugschaffner, der fliehende Menschen aus besonders umkämpften Gebieten brachte und dessen Frau bei einer der Fahrten getötet wurde. Der Orden war erstmals im vergangenen Jahr verliehen worden.

Angriffe im Osten und Süden "zurückgeschlagen"

Die Ukraine hat nach eigener Darstellung mehrere russische Angriffe im Osten und Süden des Landes abgewehrt. So seien russische Vorstöße etwa im östlichen Gebiet Donezk in Richtung der Städte Slowjansk, Kramatorsk und Awdijiwka zurückgeschlagen worden, teilte der ukrainische Generalstab mit. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben nicht.

Ein Abgeordneter der südlichen Region Cherson berichtete, den Ukrainern sei bei einer Gegenoffensive am Samstag die Zerstörung eines russischen Munitionslagers gelungen. Die russische Seite, die Teile Chersons besetzt hat, erklärte hingegen lediglich, die eigene Flugabwehr habe ihrerseits am Wochenende mehrere ukrainische Angriffe abgewehrt.

Ukraine | Kampfjet fliegt über Druschkiwka
Ein Kampfjet über der Region DonezkBild: David Goldman/AP/dpa/picture alliance

Über der Schwarzmeer-Halbinsel Krim habe die russische Flugabwehr "Objekte" getroffen, die im Anflug auf den Militärflugplatz Belbek bei Sewastopol gewesen seien, schrieb der Verwaltungschef der Stadt, Michail Raswoschajew, auf Telegram. In den vergangenen Wochen hatte es bereits mehrfach Explosionen und Angriffe auf Militäreinrichtungen auf der von Russland annektierten Krim gegeben.

Westen sorgt sich um Atomkraftwerk

Angesichts anhaltender Angriffe auf das Gelände des ukrainischen AKW Saporischschja haben Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die USA eine rasche Inspektion durch die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEA) verlangt. Gleichzeitig hätten Bundeskanzler Olaf Scholz, US-Präsident Joe Biden, dessen französischer Kollege Emmanuel Macron sowie der britische Premier Boris Johnson zur "militärischen Zurückhaltung" in der Umgebung des Atomkraftwerks aufgerufen, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin mit.

Russland beantragte unterdessen für diesen Dienstag eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats zur Lage um das AKW. Dies meldet die staatliche Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf den russischen Vize-Botschafter bei den Vereinten Nationen, Dmitri Poljanskij. 

Das Kernkraftwerk Saporischschja ist seit März von der russischen Armee besetzt, seit Ende Juli wurde die Anlage wiederholt beschossen. Die Angriffe weckten Befürchtungen einer atomaren Katastrophe am größten AKW Europas. Für den Beschuss machen sich Moskau und Kiew gegenseitig verantwortlich.

Russischer Soldat vor dem AKW Saporischschja
Russischer Soldat vor dem AKW Saporischschja (Archivfoto)Bild: AP/dpa/picture alliance

Nach Hebestreits Worten waren sich die Staats- und Regierungschefs auch einig, ihre Unterstützung der Ukraine zur "Abwehr der russischen Aggression nachhaltig" fortzusetzen. Zuvor hatte Scholz dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vorgeworfen, aus "völlig absurden" Gründen den Angriff auf die Ukraine begonnen zu haben. "Die NATO war für Russland niemals eine Bedrohung", betonte der Kanzler. Er habe Putin in Gesprächen vor Kriegsbeginn zum Thema eines ukrainischen NATO-Beitritts versichert: "Die nächsten 30 Jahre steht das nicht an."

Schwesig weist Kubicki-Vorstoß zurück

Eine Öffnung der Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 steht nach Ansicht von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig nicht zur Debatte. "Diese Frage stellt sich nicht, die hat die Bundesregierung klar beantwortet", betonte die SPD-Politikerin im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF). Schwesig war auf eine entsprechende Forderung des stellvertretenden FDP-Vorsitzenden und Vizepräsidenten des Bundestages, Wolfgang Kubicki, angesprochen worden. Er hatte dafür plädiert, Nord Stream 2 zu öffnen, "um unsere Gasspeicher für den Winter zu füllen".

Die Pipeline führt von Russland durch die Ostsee nach Mecklenburg-Vorpommern. Sie ist fertiggebaut, die Bundesregierung hatte nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die Inbetriebnahme aber ausgeschlossen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wirft Russland vor, die Gaslieferungen über die in Betrieb befindliche Pipeline Nord Stream 1 aus politischen Gründen gedrosselt zu haben.

Deutschland Lubmin | Ministerpräsidentin Manuela Schwesig besucht Anlandestation für Nord Stream 2
Manuela Schwesig 2020 an der Anlandestation für Nord Stream 2Bild: Jens Büttner/dpa/picture alliance

"Selbstrationierung" reduziert Energieverbrauch

In Italien senken energieintensive Branchen ihre Produktion zur Einsparung von Energie, da sie mit horrenden Rechnungen kämpfen. "Es gibt ganze industrielle Sektoren wie die Glasproduktion und die Konservendosenfabrikation, wo eine Form der Selbstrationierung bereits begonnen hat", sagt ein Vertreter des Ministeriums für ökologischen Wandel in Rom. Italien bezog im vergangenen Jahr 40 Prozent seines Erdgases aus Russland.

jj/hf/wa/cw (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.