Ukraine aktuell: USA beschuldigen Russland der Aggression
15. März 2023Das Wichtigste in Kürze:
- Austin wirft Russlands Kampf-Piloten aggressives Verhalten vor
- Steinmeier versichert Baltenstaaten Beistand und Schutz
- Finnlands NATO-Beitritt könnte bald kommen
- Selenskyj: Führungsstab einstimmig für Verteidigung Bachmuts
- Brookings-Expertin: "Putin hat durch den Krieg seine Macht konsolidiert"
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin wirft Russland mit Blick auf den Drohnenabsturz bewusste Aggression vor. "Der gefährliche Vorfall ist Teil eines Musters aggressiven, riskanten und unsicheren Handelns russischer Piloten in internationalem Luftraum", sagte Austin zum Auftakt eines virtuellen Treffens der Ukraine-Kontaktgruppe. "Es obliegt Russland, seine Militärflugzeuge auf sichere und professionelle Weise zu handhaben", sagte Austin weiter. Die USA würden weiterhin dort fliegen und operieren, wo das internationale Recht das zulasse, erklärte der Verteidigungsminister.
Nach Angaben des US-Militärs war eine unbemannte amerikanische Militärdrohne vom Typ MQ-9 "Reaper" am Dienstag in internationalem Luftraum über dem Schwarzen Meer mit einem russischen Kampfjet zusammengestoßen. US-Kräfte hätten die Drohne nach der Kollision zum Absturz bringen müssen, erklärte das US-Verteidigungsministerium.
Von den russischen Flugzeugen sei Treibstoff auf die US-Drohne abgelassen worden. Anschließend sei sie von einem der beiden russischen Jets getroffen worden. Laut einem Sprecher erwägt das Pentagon, ein Video des Vorfalls öffentlich zu machen. Moskau wies die Vorwürfe zurück und erklärte, die Drohne sei nach einem scharfen Ausweichmanöver abgestürzt.
Bundespräsident Steinmeier warnt vor voreiligen Schlüssen
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnt nach dem militärischen Zwischenfall mit einer US-Drohne und einem russischen Kampfjet über dem Schwarzen Meer vor voreiligen Schlüssen. "Bevor wir ein Urteil fällen, sollten wir die noch laufende Aufklärung abwarten", sagte Steinmeier bei einem Besuch auf der Luftwaffenbasis Ämari in Estland.
Dem Generalinspekteurs der Bundeswehr, Eberhard Zorn, liegen nach eigenen Angaben keine Informationen dazu vor, ob es bei dem Vorfall zu einem Waffeneinsatz in irgendeiner Form gekommen ist. "Ob es Pilotenfehler waren, ob es technische Defekte waren, können wir im aktuellen Fall nicht sagen", sagte Zorn, der den Bundespräsidenten auf dessen Reise ins Baltikum begleitet.
Steinmeier versichert Baltenstaaten Beistand und Schutz
Steinmeier nutzte den Besuch in Estland, um den baltischen NATO-Partnern Estland, Lettland und Litauen den Beistand Deutschlands zuzusichern. Die NATO sei bereit, jeden Quadratzentimeter ihres Bündnisgebiets zu verteidigen, sagte der Bundespräsident. Gemeinsam mit den USA und Großbritannien sei Deutschland inzwischen der größte Truppensteller an der Ostflanke des NATO-Bündnisses. Steinmeier informierte sich in Ämari über den Einsatz der deutschen Luftwaffe zur Überwachung und zum Schutz des Luftraums über dem Baltikum.
Finnlands NATO-Beitritt könnte bald kommen
In die verfahrene Diskussion um einen Beitritt von Finnland und Schweden in die NATO scheint Bewegung zu kommen - zumindest für ein Land. Finnlands Präsident Sauli Niinistö reist noch in dieser Woche zu einem Arbeitsbesuch in die Türkei und will sich dort mit Präsident Recep Tayyip Erdogan treffen. Niinisto sagte, er erwarte, dass Erdogan seine Entscheidung bezüglich des finnischen NATO-Beitritts während seines Besuchs bekanntgeben werde.
Die Nachrichtenagentur Reuters meldet mit Verweis auf zwei türkische Beamte, dass Ankara noch vor den Wahlen im Mai plane, Finnlands Beitritt zu genehmigen. Demnach werde das Parlament höchstwahrscheinlich die NATO-Mitgliedschaft ratifizieren, bevor es Mitte April für die Wahlen geschlossen werde.
Finnland würde damit im Alleingang der NATO beitreten, obwohl es den Aufnahmeantrag gemeinsam mit Schweden gestellt hat. 28 von 30 NATO-Mitglieder haben die Beitrittsprotokolle auch längst ratifiziert, nur Ungarn und die Türkei noch nicht. Ankara blockiert die Beitritte mit Verweis auf einen angeblich unzureichenden Kampf gegen "Terrororganisationen". Diese Einwände richten sich aber in erster Linie gegen Schweden. Deshalb steht im Raum, ob die Türkei zunächst einem Beitritt von Finnland zustimmt und Schweden dann später folgen könnte.
Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson sagte dazu bei einem Besuch bei Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin, die Anzeichen der vergangenen Wochen deuteten darauf hin, dass die Türkei sich darauf vorbereite, den finnischen Beitritt vor dem schwedischen zu ratifizieren. "Wir sind auch auf diese Situation vorbereitet", sagte Kristersson. Man mache aber kein Geheimnis daraus, dass Schweden ein gemeinsamer Beitritt mit Finnland lieber wäre. Scholz bekräftigte, dass Deutschland wolle, dass die beiden nordischen Länder sehr schnell NATO-Mitglieder werden.
Putin glaubt nicht an Nord Stream-Sabotage durch Ukraine
Russlands Präsident Wladimir Putin hat seine Anschuldigung widerholt, wonach die USA für die Sabotage derNord Stream-Pipelines im September verantwortlich sein sollen. Berichte über Geheimdiensterkenntnisse, wonach Ukrainer dahinterstecken könnten, seien "reiner Unsinn", sagte Putin bei einem Auftritt im russischen Fernsehen.
"Eine solche Explosion, so gewaltig und in solcher Tiefe, kann nur von Experten herbeigeführt werden, die die vollständige Rückendeckung eines Staates haben, der die notwendigen Technologien besitzt." Die USA, so der russische Präsident, hätten ein Motiv für die Aktion: Sie hätten ein Interesse daran, Deutschlands Nachschub mit billigem russischen Gas zu stoppen um teureres LNG zu verkaufen.
Deutschland sprach Putin ab, ein eigenständiger Staat zu sein. Berlins Reaktion auf die Explosion der Pipelines zeige, dass Deutschland weiterhin von US-Truppen besetzt sei. Putin warf den europäischen Staaten vor, im Bündnis mit den USA ihr "Gen der Unabhängigkeit, Souveränität und des nationalen Interesses" verloren zu haben. "Je stärker sie ihnen auf die Nase oder den Kopf hauen, desto niedriger verneigen sie sich und breiter lächeln sie."
Der russische Präsident bedauerte, dass sein Land nicht an den Ermittlungen zur Explosion beteiligt werde. Er forderte Dänemark erneut auf, ein gemeinsames Team zu bilden um den Tatort gründlich abzusuchen. Russland wird von den Geheimdiensten der USA und Großbritanniens verdächtigt, selbst hinter dem Sabotageakt zu stecken.
Selenskyj: Führungsstab einstimmig für Verteidigung Bachmuts
Der ukrainische Führungsstab hat nach den Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj einstimmig dafür votiert, die von Russland belagerte Stadt Bachmut im Osten des Landes weiter zu verteidigen. Der gesamte Stab habe sich dafür ausgesprochen, den Russen die größtmöglichen Verluste zuzufügen, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft. "Der Schwerpunkt lag auf Bachmut."
Zugleich beschwor Selenskyj die Stärke seines Volkes im Abwehrkampf. "Die Stärke der Ukrainer und des Staates als Ganzes beruht darauf, dass die Ukrainer in einer entscheidenden Zeit zu Kriegern werden." Dabei würden Millionen Menschen helfen, sagte der Präsident. "Sie suchen nach allem, was wir zur Verteidigung brauchen, behandeln und rehabilitieren Verwundete, retten Menschen nach russischen Angriffen und arbeiten für die Ukraine und die Ukrainer. Die Stärke unserer Verteidungs- und Sicherheitskräfte liegt in der Stärke unseres Volkes."
Selenskyj gab sich zuversichtlich: "Wir werden diesen Krieg gewinnen."
Brookings-Expertin: "Putin hat durch den Krieg seine Macht konsolidiert"
Aus Sicht der Russland-Expertin Angela Stent hat Präsident Putin das erste Jahr des Krieges in der Ukraine erfolgreich genutzt, um seine Macht zu konsolidieren. Obwohl eine Million Menschen Russland verlassen hätten, stehe die Mehrheit der Dortgebliebenen dem Krieg entweder unterstützend oder gleichgültig gegenüber, sagte die Senior Fellow der Brookings Institution im DW-Interview. "Bislang hat er geschafft, sie offensichtlich davon zu überzeugen, dass der Westen versuche, Russland zu spalten und dass dies ein Kampf um ihre Existenz sei", sagte Stent.
Putin setze auf den Faktor Zeit, sagte die Expertin des in Washington ansässigen Thinktanks: "Seine bisherige Erfahrung hat ihm gezeigt, dass der Westen nicht für immer zusammenhält, dass Demokratien abgelenkt werden. Sie haben Wahlen und wenden sich anderen Dingen zu." Zugleich habe sich die russische Wirtschaft wesentlich widerstandsfähiger gegen westliche Sanktionen gezeigt, als die Menschen im Westen geglaubt hätten.
ehl/mak/cwo/fab/qu/uh (dpa, afp, ap, rtr)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.