Ukraine Aktuell: Kreml räumt hohe Verluste im Donbass ein
2. Januar 2023Das Wichtigste in Kürze:
- Moskau: 63 russische Soldaten sterben nach ukrainischem Angriff
- Erneut Strom und Heizungsausfälle in Kiew nach Angriffen
- Selenskyj-Berater: Russland hat neue Strategie
- EU-Kommission kündigt langfristige Unterstützung an
- Blutige Gefechte um ostukrainisches Bachmut
Russland hat nach den ukrainischen Raketenschlägen im Donbass in der Nacht zu Neujahr den Tod von 63 Soldaten bestätigt. Die Raketen seien in eine vorübergehende Unterkunft im von Russland besetzten Ort Makijiwka (russisch: Makejewka) eingeschlagen, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Den Angehörigen werde alle Hilfe zuteil, hieß es in der Mitteilung. Zuvor hatte das ukrainische Militär von 400 getöteten russischen Soldaten und 300 Verletzten gesprochen.
Russland nennt sonst kaum Zahlen zu getöteten Soldaten in den eigenen Reihen. Es handelte sich um die bisher höchste von Russland selbst genannte Zahl von Toten an einem Ort. Auch kremlnahe Telegram-Kanäle und Kriegskorrespondenten berichteten von zahlreichen Toten in Makijiwka. Die Rede war von mehr als 70 Toten und mehr als 100 Verletzten.
Die Berichte erhöhten den Druck auf das Ministeriums in Moskau, das dann überraschend am Ende des täglichen Kriegsbulletins eine Zahl nannte, die von vielen für zu niedrig gehalten wird. Die russische staatlichen Nachrichtenagentur Tass hatte am Sonntag über einen schweren Angriff auf die Stadt berichtet - und von 15 Verletzten gesprochen. Das wurde als Lüge und Kriegspropaganda kritisiert. Zu sehen waren in den sozialen Netzwerken Bilder und ein Video von Trümmern eines völlig eingestürzten Gebäudes. Demnach wurden unter den Trümmern weitere Tote und Verletzte vermutet.
Datenverkehr an Neujahr verriet den Standort
Medien berichteten, dass die im Zuge der von Kremlchef Wladimir Putin angeordneten Teilmobilmachung einberufenen Reservisten sich in dem Gebäude versammelt hätten, um Neujahr zu feiern. Demnach wurde das ukrainische Militär wegen der hohen Aktivität von Datenverkehr mit Mobiltelefonen auf den Standort aufmerksam. Unbestätigten Berichten zufolge soll sich das Gebäude neben einem Munitionsdepot befunden haben, weshalb es zu verheerenden Explosionen gekommen sei.
Selenskyj: "Sie werden verlieren"
Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die russischen Drohnenangriffe auf sein Land scharf verurteilt. "Die russischen Terroristen waren bereits erbärmlich und sind auch so ins neue Jahr gestartet", erklärte Selenskyj mit Blick auf russische Drohnenangriffe.
Doch mit Drohnen, Raketen und allem anderen kämen die russischen Militärs nicht weit - "weil wir zusammenhalten", führte der Staatschef weiter aus. Die russische Seite hingegen werde nur von Angst zusammengehalten. "Und sie haben zu Recht Angst, denn sie werden verlieren", betonte Selenskyj in einer Videobotschaft.
Kiew erneut unter russischem Beschuss - Strom- und Heizungsausfälle
Einmal mehr sind in Kiew Teile der kritischen Infrastruktur infolge von Beschuss ausgefallen. Es gebe Strom- und Heizungsausfälle, teilte Bürgermeister Vitali Klitschko mit. Zuvor hatte die ukrainische Militärführung angegeben, 39 Drohnen über dem Großraum Kiew abgefangen zu haben.
Offenbar setzte Russland erneut Kamikaze-Drohnen ein. Diese können mit ihrer Sprengladung am Ziel senkrecht herabstürzen. Laut ukrainischer Darstellung wurden etliche der Fluggeräte - meist vom Typ Schahed 136 aus iranischer Produktion - abgeschossen.
Die russischen Besatzer hätten am Sonntag außerdem "16 Mal mit Mehrfachraketenwerfern geschossen", teilte die ukrainische Armeeführung mit. Diese Angriffe richteten sich demnach insbesondere gegen das Kinderkrankenhaus in der südukrainischen Stadt Cherson.
Offenbar ukrainischer Drohnenangriff auf russische Infrastruktur
Auch aus der russischen Region Brjansk werden Stromausfälle gemeldet. "Ein ukrainischer Drohenangriff wurde heute Morgen auf den Bezirk Klimowskij durchgeführt", schrieb Alexander Bogomaz auf Telegram. Es gebe keinen Strom. Der Bezirk grenzt im Süden an die Ukraine.
Selenskyj-Berater: Russland hat neue Strategie
Mit massiven Luftangriffen auf eine Reihe ukrainischer Städte ist Russland nach Ansicht des ukrainischen Präsidentenberaters Mychajlo Podoljak zu einer neuen Strategie übergegangen. "Russland hat keine militärischen Ziele mehr", twitterte Podoljak. Vielmehr versuche Russland, so viele Zivilisten wie möglich zu töten und so viele zivile Objekte wie möglich zu zerstören. Es sei mittlerweile "ein Krieg des Tötens wegen", meinte Podoljak.
Von der Leyen kündigt langfristige Unterstützung an
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekräftigt eine langfristige Unterstützung der Ukraine durch die Europäischen Union. Im ersten Gespräch des Jahres mit dem ukrainischen Präsidenten habe sie "dem ukrainischen Volk meine uneingeschränkte Unterstützung und meine besten Wünsche für 2023 übermittelt", schrieb die deutsche Politikerin auf Twitter. "Die EU steht an Ihrer Seite, so lange es nötig ist." Ihr zufolge stellt die EU in diesem Winter etwa Generatoren, Glühlampen und Schulbusse zur Verfügung. Auch die Auszahlung der für 2023 vorgesehenen 18 Milliarden Euro werde bald beginnen.
Die Ukraine erwartet die erste Tranche der Finanzhilfe noch im Januar. Dies teilt Präsident Wolodymyr Selenskyj nach dem Gespräch mit von der Leyen auf Twitter mit. Selenskyj bedankte sich bei von der Leyen für ihre Unterstützung und ergänzte, beide Seiten hätten zudem Schritte für einen Ukraine-EU-Gipfel abgesprochen.
Ex-NATO-General rechnet 2023 mit Waffenstillstand
Der frühere deutsche NATO-General Hans-Lothar Domröse erwartet im Laufe dieses Jahres einen Waffenstillstand in Russlands Krieg gegen die Ukraine. "Ich rechne im Frühsommer mit einem Stillstand, an dem beide Seiten sagen: Jetzt bringt es nichts mehr", sagte Domröse den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Zwischen Februar und Mai könnte es so weit sein, sagte der ehemalige Bundeswehr-General.
Vor einem dauerhaften Frieden müsste dann jedoch erst einmal verhandelt werden. "Die Verhandlungen dürften lange dauern, man benötigt einen Vermittler: vielleicht UN-Generalsekretär Guterres, der türkische Präsident Erdogan oder der indische Präsident Modi - wobei sich niemand wirklich aufdrängt."
Es bleibe nur eine Verhandlungslösung, die für beide Seiten akzeptabel sei, sagte Domröse - "auch wenn Putin eigentlich gern die gesamte Ukraine hätte und Selenskyj die gesamte Ukraine wieder befreien möchte". Als mögliche Lösung nannte der Ex-General, "dass Selenskyj auf die Forderung verzichtet, Gebiete wie die Krim sofort wieder in die Ukraine einzugliedern - man könnte einen Übergang vereinbaren".
Blutige Gefechte um ostukrainisches Bachmut
Im Verlauf heftiger Kämpfe um die Frontstadt Bachmut haben russische Truppen nach ukrainischer Darstellung schwere Verluste erlitten. Allein am Samstag seien rund 170 russische Soldaten getötet worden, berichtete Serhij Tscherewatyj, Sprecher der ukrainischen Heeresgruppe Ost. Weitere 200 Russen seien bei Versuchen, die Stadt anzugreifen, verwundet worden. Tscherewatyj sprach von einem "Fließband des Todes" für die Angreifer. Seine Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden. Auch die russische Seite berichtet regelmäßig von hohen Opferzahlen in den Reihen ihrer Gegner.
Bachmut gilt als sogenannter Eckpfeiler der ukrainischen Frontlinien im Osten des Landes. Die russischen Streitkräfte wollen die Stadt um jeden Preis erobern. Die Angriffe werden von Angehörigen der berüchtigten Söldnertruppe Wagner angeführt, wie es heißt.
Feuerwerk in Kiew hat Konsequenzen
Ein 47-jähriger Mann muss mit einer langen Haftstrafe rechnen, weil er trotz eines generellen Feuerwerksverbots in der Ukraine Silvesterraketen in der Hauptstadt Kiew zündete. "Jetzt drohen ihm fünf Jahre Freiheitsentzug", schrieb Bürgermeister Vitali Klitschko auf dem Messengerdienst Telegram.
Anwohner hatten die Polizei über das verbotene Feuerwerk informiert. Beamte nahmen den Mann fest und beschlagnahmten in seiner Wohnung ein ganzes Lager pyrotechnischer Produkte.
nob/uh/mak/ehl/wa/fw (dpa, afp, rtr)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.