Aktuell: USA sagen weitere Waffenlieferungen zu
21. April 2022Das Wichtigste in Kürze:
- USA sagen weitere Waffen- und Wirtschaftshilfe in Milliardenhöhe zu
- Mariupol ist nach Angaben aus Moskau unter russischer Kontrolle
- Baerbock fordert den Kreml auf, die Evakuierung in Mariupol zu ermöglichen
- Russische Truppen kontrollieren Luhansk laut Gouverneur zu 80 Prozent
- Warnung vor russischen Cyberattacken auf Unterstützer der Ukraine
Die USA haben der Ukraine weitere Waffenlieferungen im Umfang von 800 Millionen Dollar zugesagt. "Dieses Paket umfasst schwere Artilleriewaffen, dutzende Haubitzen und 144.000 Schuss Munition für diese Haubitzen", sagte US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus. Geliefert werden sollen demnach auch zusätzliche taktische Drohnen.
Millionenhilfe für Renten und Gehälter
Mit den Waffenlieferungen solle die ukrainische Armee im Kampf gegen Russland in der Donbass-Region im Osten des Landes unterstützt werden, sagte Biden nach einem Treffen mit dem ukrainischen Regierungschef Denys Schmyhal in Washington weiter. Der US-Präsident hatte der Ukraine bereits vergangene Woche Rüstungsgüter im Wert von 800 Millionen Dollar zugesagt, unter anderem Artilleriesysteme, Artilleriemunition, Panzerfahrzeuge und Hubschrauber.
Die USA gaben auch eine neue Finanzhilfe in Höhe von 500 Millionen Dollar an die Ukraine bekannt. Mit dem Geld soll der ukrainischen Regierung unter anderem dabei geholfen werden, Gehälter und Renten auszuzahlen.
Die Regierung in Washington sperrt zudem die US-Häfen für russische Schiffe. Das bedeute, dass kein Schiff, das unter russischer Flagge fährt oder von russischen Interessen geleitet ist, in den Vereinigten Staaten anlegen dürfe, sagte Biden. Dies sei ein weiterer Schritt, den die USA gemeinsam mit den internationalen Partnern gingen. Russland sollten wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine die "Vorteile des internationalen Wirtschaftssystems" verwehrt bleiben. Auch die Europäische Union hatte beschlossen, Schiffen unter russischer Flagge das Einlaufen in EU-Häfen zu verbieten.
USA starten Flüchtlingsprogramm
Zudem wird die US-Regierung ab kommender Woche das Verfahren zur Aufnahme von bis zu 100.000 ukrainischen Flüchtlingen starten. Die Flüchtlinge bräuchten zur Aufnahme einen Bürgen in den USA, der sie unterstützen könne und einen Hintergrundcheck durchlaufen müsse, sagten hochrangige Regierungsbeamte. Das Programm richte sich somit vorrangig an Ukrainer mit Verbindungen in die USA.
Biden betonte, es werde dem russischen Präsidenten Wladimir Putin "niemals gelingen, die ganze Ukraine zu dominieren und zu besetzen". Mit Blick auf russische Angaben einer Einnahme der ukrainischen Hafenstadt Mariupol sagte Biden, es sei "fraglich, ob er (Putin) Mariupol kontrolliert".
Zuvor hatte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu erklärt, russische Truppen hätten die umkämpfte ukrainische Hafenstadt Mariupol eingenommen. Schoigu äußerte sich bei einem Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin, das im Staatsfernsehen übertragen wurde. Die verbliebenen ukrainischen Kampfeinheiten hätten sich auf dem Industriegelände der Fabrik Azovstal verschanzt, sagte Schoigu weiter. Er sprach von mehr als 2000 ukrainischen Soldaten. Nach Angaben der ukrainischen Behörden befinden sich in den unterirdischen Anlagen des Stahlwerks auch mindestens 1000 Zivilisten.
Putin will keine Erstürmung des Stahlwerks
Putin ordnete an, das Stahlwerk nicht zu stürmen. Einen entsprechenden Befehl ziehe er zurück. Vielmehr solle das Gebiet so engmaschig belagert werden, dass "keine Fliege mehr heraus kann", so der Staatschef weiter. Er rief die Menschen in dem Stahlwerk auf, die Waffen niederzulegen. Putin sprach von einem Erfolg und der "Befreiung Mariupols". Die beteiligten Militärs sollen nach seinen Worten ausgezeichnet werden.
Außenministerin Annalena Baerbock hat den russischen Präsidenten aufgefordert, die Evakuierung der umkämpften ukrainischen Hafenstadt Mariupol zu ermöglichen. "Es liegt in Putins Hand, diese Bombardierung dort entsprechend einzustellen und zu stoppen", sagte die Grünen-Politikerin nach einem Treffen mit ihrer estnischen Kollegin Eva-Maria Liimets in der Hauptstadt Tallinn. "Die Lage ist nicht nur hochdramatisch, sie ist kaum zu ertragen."
Die ukrainische Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk verlangte von Russland dringend freies Geleit für Zivilisten und verwundete Soldaten aus dem eingekesselten Stahlwerk. "Dort halten sich etwa 1000 Zivilisten und 500 verwundete Soldaten auf. Sie müssen alle heute aus Azovstal herausgeholt werden!", schrieb sie im Nachrichtenkanal Telegram. Sie rief "die Welt" dazu auf, alle Anstrengungen jetzt auf das Stahlwerk zu konzentrieren.
Die ukrainischen Streitkräfte in Mariupol hatten am Mittwoch nach fast zweimonatigen heftigen Kämpfen einen dramatischen Hilfsappell veröffentlicht. Seine Truppen sähen "vielleicht" ihren "letzten Tagen, wenn nicht Stunden entgegen", erklärte der ukrainische Kommandeur Serhij Wolyna.
Vier Busse bringen Zivilisten aus Mariupol
Donnerstagfrüh haben vier Busse Zivilisten aus der umkämpften Hafenstadt in Sicherheit gebracht. Das teilte die stellvertretende Regierungschefin Wereschtschuk mit. Am Mittwoch waren mehrere Evakuierungsversuche gescheitert.
Mariupol am Asowschen Meer gilt als strategisch wichtig. Die bei den Gefechten weitgehend zerstörte Stadt liegt zwischen den pro-russischen, selbst ernannten "Volksrepubliken" von Luhansk und Donezk und der von Russland 2014 annektierten Halbinsel Krim.
Russland kontrolliert offenbar Großteil von Luhansk
Ukrainischen Angaben zufolge ist rund acht Wochen nach Beginn des russischen Angriffskriegs zudem der Großteil der Region Luhansk unter russischer Kontrolle. Nach dem Abzug der ukrainischen Truppen aus der Kleinstadt Kreminna kontrollierten russische Einheiten nun 80 Prozent des Gebietes, teilte der Gouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj, auf Telegram mit.
Auch die Städte Rubischne und Popasna in Luhansk seien mittlerweile "teilweise" unter russischer Besatzung. Um diese gibt es seit Wochen intensive Kämpfe. Zu Beginn des Krieges am 24. Februar hatten die Separatisten der "Volksrepublik" Luhansk rund 30 Prozent der Region unter ihrer Kontrolle.
Charkiw unter schwerem Beschuss
Russische Truppen greifen die zweitgrößte Stadt der Ukraine nach den Worten von Bürgermeister Ihor Terechow massiv an. "Gewaltige Explosionen, die Russische Föderation bombardiert wütend die Stadt", sagte Terechow in einer Fernsehansprache. Etwa eine Million Menschen seien weiterhin in Charkiw, das im Nordosten des Landes liegt.
Berlin bereitet Ringtausch mit Slowenien vor
Die Bundesregierung bereitet einen Ringtausch für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine vor. Die Idee: Der NATO-Partner Slowenien soll eine größere Stückzahl seiner Kampfpanzer an die Ukraine abgeben und aus Deutschland dafür den Schützenpanzer Marder sowie den Radpanzer Fuchs erhalten. Slowenien nutzt noch eine jugoslawische Variante des Kampfpanzers T-72 unter der Bezeichnung M-84.
Das noch aus der Sowjetzeit stammende Waffensystem T-72 wird vom ukrainischen Heer bereits eingesetzt und erfordert keine umfangreiche Zusatzausbildung. Nach Informationen aus Regierungskreisen hat Slowenien als Kompensation auch moderneres Gerät aus Deutschland angefordert, darunter den deutschen Kampfpanzer Leopard 2, den Radpanzer Boxer sowie den Schützenpanzer Puma, der in der Bundeswehr als Nachfolger des seit 50 Jahren genutzten Marder eingeführt wird.
Russische Sanktionen gegen US-Bürger und Kanadier
Als Vergeltungsmaßnahme für Sanktionen der USA und Kanadas hat Russland Einreiseverbote gegen dutzende Regierungsmitarbeiter, Armeevertreter und Journalisten aus beiden Ländern verhängt. In den USA sind 29 weitere Bürger betroffen. Dazu gehören Vize-Präsidentin Kamala Harris sowie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, wie das Außenministerium in Moskau mitteilte. Auf der Sanktionsliste stehen zudem die stellvertretende US-Verteidigungsministerin Kathleen Hicks, Pentagon-Sprecher John Kirby und der Stabschef im Weißen Haus, Ron Klain.
Auch 61 Kanadier werden mit Strafmaßnahmen belegt. Betroffen sind hier unter anderem der Kommunikationsdirektor von Premierminister Justin Trudeau, Cameron Ahmad, und der Kommandeur der Spezialeinheiten der kanadischen Armee, Steve Boivin. Das russische Außenministerium erklärte, die Sanktionsliste umfasse Personen, die für die "russlandfeindliche" Politik der beiden Länder verantwortlich seien. Die USA und ihre westlichen Verbündeten hatten seit Beginn des russischen Militäreinsatzes in der Ukraine am 24. Februar mehrere Sanktionspakete gegen Russland verhängt.
Selenskyj appelliert an Portugiesen
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat in einer Videoansprache vor dem portugiesischen Parlament die Zerstörungen in seinem Land durch russische Truppen mit denen im Zweiten Weltkrieg verglichen. "Der Schaden, der der Ukraine jetzt zugefügt wird, ist ähnlich wie im Zweiten Weltkrieg», sagte er in der auf Ukrainisch gehaltenen Rede. Sie wurde im TV-Sender RTP simultan ins Portugiesische übersetzt.
"Wir kämpfen nicht nur um unsere Unabhängigkeit, wir kämpfen um unser Überleben", bekräftige er in der 15-minütigen Ansprache. Selenskyj dankte den Portugiesen für die bisher erwiesene Hilfe, forderte aber zugleich weitere Unterstützung, vor allem schwere Waffen und Sanktionen gegen Russland. Parlamentarier der kommunistischen Partei und der rechtspopulistischen Chega blieben der Sitzung fern.
In den 57 Tagen seit Beginn des Überfalls seien mehr als 1000 ukrainische Orte von russischen Truppen besetzt und zerstört worden. "Millionen Menschen müssen fliehen, es ist, als ob ganz Portugal das Land verlassen müsste", sagte Selenskyj. Portugal hat 10,3 Millionen Einwohner. Der Präsident des portugiesischen Parlaments, Augusto Santos Silva, sagte, sein Land werde die Ukraine künftig noch stärker als bisher unterstützen. Dies betreffe auch den Antrag der Ukraine auf Aufnahme in die Europäische Union.
Deutsche Wirtschaft war "geschockt" von der Invasion
Mit der aktuellen politischen Führung in Russland werde es keine "Normalisierung des Verhältnisses" geben, sagte der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Michael Harms, im Gespräch mit der Deutschen Welle. Deutsche Unternehmen versuchten, so Harms, "so viel zu retten wie möglich". Nicht jedes Geschäft mit Russland sei verboten. Das, was erlaubt sei, "sollte auch erlaubt bleiben, und da versuchen wir, den Unternehmen auch zu helfen."
Die deutsche Wirtschaft sei angesichts der russischen Invasion am 24. Februar "total geschockt und total überrascht" gewesen. Auch wirtschaftlich vollziehe sich nun eine "Zeitenwende" im Verhältnis zu Russland, so Harms. Nach der Annexion der Krim 2014 habe es noch Diskussionen gegeben über die Sinnhaftigkeit der Sanktionen. Dieses Mal aber habe es "keinerlei, wirklich keinerlei Zweifel am Sinn und der Notwendigkeit dieser Sanktionen" gegeben. Die deutsche Wirtschaft habe "einhellig, wir auch, diesen Angriffskrieg verurteilt".
Harms ergänzte, er hoffe, dass auch dieser Krieg irgendwann zu Ende sein werde und es in der Ukraine ein großes Aufbauprogramm geben werde, "an dem sich auch die deutsche Wirtschaft beteiligen wird".
HRW: Belege für Kriegsverbrechen in Butscha
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat im ukrainischen Butscha nach eigenen Angaben umfangreiche Belege für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesammelt. HRW-Mitarbeiter hätten vor Ort Massenhinrichtungen, wahllose Erschießungen von Zivilisten, Verschleppungen und Folter sowie den Einsatz von Sprengfallen dokumentiert, heißt es in einem Bericht. In Butscha, das 25 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Kiew liegt, waren nach dem Abzug der russischen Truppen Ende März mehrere hundert Leichen entdeckt worden.
HRW betonte, eine behördliche Sicherung von Beweismaterial mit internationaler Hilfe sei entscheidend, um die Verantwortlichen einmal zur Rechenschaft ziehen zu können. Sie rief die Ukraine auf, den Vertrag zum Internationalen Strafgerichtshof zu ratifizieren und formell Mitglied des Gerichts in Den Haag zu werden.
In den Leichenhallen der Region Kiew liegen derzeit nach ukrainischen Angaben mehr als 1000 zivile Todesopfer.
Geheimdienste warnen vor Cyberangriffen
Das Geheimdienstbündnis Five Eyes hat vor möglichen russischen Cyberangriffen gegen Unterstützerstaaten der Ukraine gewarnt. Die Hinweise darauf, dass die russische Regierung "Möglichkeiten für Cyberattacken" auslote, verdichteten sich, heißt es in einer Warnung des Geheimdienstbündnisses, dem die USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland angehören.
Es gebe Drohungen, Cyberangriffe auf Länder oder Organisationen auszuführen, die materielle Unterstützung für die Ukraine leisteten. Die Five Eyes verweisen auf mehr als ein Dutzend potenziell gefährliche Hackergruppen. Bei ihnen handelt es sich teilweise um Gruppen mit direkter Verbindung zu russischen Geheimdiensten oder militärischen Stellen, aber auch um privat geführte Organisationen.
Johnson vergleicht Putin mit Krokodil
Der britische Premierminister Boris Johnson hat Russlands Präsidenten Wladimir Putin mit einem Krokodil verglichen. "Wie kann man mit einem Krokodil verhandeln, wenn es dein Bein im Maul hat? Das ist die Schwierigkeit, vor der die Ukrainer stehen", sagte er zu Journalisten auf einem Flug nach Indien. Es werde schwer für die Ukraine, einen Friedensvertrag mit einem Staatschef auszuhandeln, der so unzuverlässig sei.
Finanzminister verlassen G20-Treffen - Lindner bleibt
Finanzminister mehrerer Länder haben das G20-Treffen in Washington wegen Russlands Teilnahme zeitweise verlassen. So verließen die Finanzministerinnen der USA und Kanadas, Janet Yellen und Chrystia Freeland, den Raum, als der russische Ressortchef Anton Siluanow das Wort ergriff. Der deutsche Finanzminister Christian Lindner (FDP) blieb dagegen, ebenso wie die übrigen Amtskollegen der G7-Staaten.
Die Kanadierin Freeland schrieb auf Twitter: "Russland sollte an diesen Treffen nicht teilnehmen oder einbezogen sein." Dazu stellte sie ein Foto aller Teilnehmer, die die Sitzung aus Protest verlassen hatten - neben ihr und Yellen waren darauf unter anderem auch die Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, sowie ihr US-Kollege Jerome Powell zu sehen. Auch der als Gast eingeladene ukrainische Vertreter hatte die Sitzung verlassen.
Guterres will sich für Frieden einsetzen
UN-Generalsekretär António Guterres will sich bei Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj für eine Deeskalation der Lage in der Ukraine einsetzen. Er habe die beiden Staatschefs in Briefen darum gebeten, ihn zu Gesprächen in Moskau und Kiew zu empfangen, teilte Guterres' Sprecher Stéphane Dujarric mit.
Der UN-Generalsekretär wolle mit den beiden Präsidenten über "dringende Maßnahmen zur Wiederherstellung des Friedens in der Ukraine und die Zukunft des Multilateralismus auf der Grundlage der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts diskutieren".
Bislang spielten die Vereinten Nationen bei den Bemühungen um eine Beendigung des Kriegs eine unterordnete Rolle. Seit dem Beginn des russischen Angriffs Ende Februar telefonierte Guterres nur einmal mit Selenskyj. Putin lehnt jeden Kontakt mit dem UN-Generalsekretär ab, da dieser den Einmarsch Russlands in die Ukraine als Verstoß gegen die UN-Charta bezeichnet hat.
nob/kle/se/pg/gri/wa (afp, dpa, ap, rtr, kna)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.