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Politik

Aktuell: Kiew meldet "massive" russische Angriffe

26. Juli 2022

Bei Beschuss in der Ostukraine sind mehrere Zivilisten getötet worden. Moskau behauptet, feindlichen Kämpfern große Verluste zugefügt zu haben. Ein Überblick.

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Russischer Angrif auf Odessa, Ukraine
Brennende Trümmer in Zatoka in der Nähe von Odessa (Aufnahme des staatlichen Rettungsdienstes der Ukraine)Bild: State Emergency Service of Ukraine/Reuters

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Kiew meldet "massive" russische Angriffe
  • Einigung auf EU-Gas-Notfallplan
  • EU verlängert Sanktionen gegen Russland bis 2023
  • Deutschland liefert Ukraine Mehrfachraketenwerfer
  • Russland beendet ISS-Zusammenarbeit

 

Russland hat nach Angaben der ukrainischen Regierung erneut Ziele im Süden der Ukraine bombardiert. Das ukrainische Militär veröffentlichte Bilder aus der Region Odessa. Sie zeigen zerstörte Wohnhäuser in einem Urlaubsort etwa 60 Kilometer südwestlich der Hafenstadt. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach in einer ersten Reaktion von einem niederträchtigen Angriff auf schlafende Menschen. In dem Ort habe es kein Militär gegeben. 

In der ostukrainische Region Donezk wurden nach Angaben von Gouverneur Pawlo Kyrylenko mehrere Ortschaften unter Beschuss genommen. Drei Zivilisten seien binnen 24 Stunden bei russischen Angriffen getötet worden, sagte Kyrylenko im ukrainischen Staatsfernsehen. "Es gibt keine einzige Ortschaft in der Region Donezk mehr, die nicht getroffen wurde und die noch relativ sicher wäre."

Moskau: Viele ausländische Kämpfer getötet

Der Generalstab in Kiew meldete, die russischen Einheiten hätten beim Kohlekraftwerk Wuhlehirsk im Gebiet Donezk Kampferfolge erzielt. Am benachbarten Frontabschnitt seien Angriffe in Richtung der Städte Bachmut und Siwersk abgewehrt worden. Im Charkiwer Gebiet seien russische Attacken ebenso gescheitert. Mehrere Dutzend Orte seien vor allem in den Gebieten Charkiw und Donezk mit Artillerie beschossen oder von der Luftwaffe bombardiert worden, hieß es.

Ukraine-Krieg: Zerstörung in Kostjantyniwka/Region Donzek
Spuren des Krieges in Kostjantyniwka in der Region DonzekBild: Anatolii StepanovAFP/Getty Images

Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte wiederum, bei Kostjantyniwka seien zahlreiche Ausländer getötet worden; die meisten von ihnen seien Polen. Die in der ukrainischen Armee kämpfende Internationale Legion macht nur vereinzelt Angaben zu eigenen Verlusten und gibt keine Auskunft zur Zusammensetzung der Freiwilligeneinheit, zu der auch Deutsche gehören. Bei der südukrainischen Großstadt Mykolajiw habe man durch Raketenbeschuss einer feindlichen Artilleriedivision große Verluste zugefügt, so das russische Ministerium. Laut ukrainischer Darstellung wurden dabei jedoch nur Infrastrukturobjekte getroffen. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben nicht.

Weg frei für Gas-Notfallplan der EU

Die EU-Staaten einigten sich derweil auf einen Gas-Notfallplan für diesen Winter. Im Vergleich zu einem ersten Entwurf der Kommission sind allerdings deutlich mehr Ausnahmemöglichkeiten vorgesehen und auch die Hürden für die Einführung von verbindlichen Einsparzielen wurden erhöht.

Nach Ansicht der deutschen Industrie kommt auf Deutschland und Europa ein langfristig andauernder Gasmangel zu. "Dieser Testfall für europäische Solidarität muss Putin zeigen, dass die EU im Ernstfall zusammensteht", sagte Wolfgang Niedermark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie. 

Der EU-Notfallplan sei ein wichtiger Schritt für europäische Solidarität. "Die akute Energiekrise lässt sich nur gemeinsam europäisch lösen. Es gilt, dem russischen Aggressor entschlossen und Seite an Seite die Stirn zu bieten, anstatt alte Grabenkämpfe fortzuführen." 

Gaspreis zieht kräftig an

Der russische Staatskonzern Gazprom hatte zuvor angekündigt, die Gaslieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 ab diesem Mittwoch noch stärker einzuschränken. Eine weitere Turbine müsse zu Wartungszwecken außer Betrieb gesetzt werden. Die Gaslieferungen würden damit auf 33 Millionen Kubikmeter pro Tag von mehr als 160 Millionen Kubikmeter bei voller Kapazität verringert. Das entspräche nur noch gut 20 Prozent.

Symbolbild Gas
Gaspipeline in Rembelszczyzna nahe der polnischen Hauptstadt WarschauBild: Janek Skarzynski/AFP/Getty Images

Der Gaspreis im europäischen Handel stieg deutlich an. Der als Referenz geltende Terminkontrakt TTF an der Energiebörse in den Niederlanden sprang kurzzeitig über 190 Euro pro Megawattstunde. Diese Höhe hatte er zuletzt im März erreicht, kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. 

Selenskyj wirft Moskau "Gas-Krieg" vor

Der ukrainische Präsident forderte Europa nach der Ankündigung von Gazprom zu weiteren Sanktionen gegen Moskau auf. "Dies ist ein offener Gas-Krieg, den Russland gegen ein geeintes Europa führt", erklärte Selenskyj in einer Videobotschaft. Er warf der Führung in Moskau vor, den Europäern die Vorbereitung auf den Winter so schwer wie möglich machen zu wollen. Der russischen Führung sei "egal, was mit den Menschen passiert, wie sie leiden werden, unter dem Hunger durch die Blockade der Häfen oder durch die Winterkälte und Armut. Oder durch die Besatzung." Dies seien "nur andere Formen des Terrors".

Ukraine Präsident Wolodymyr Selenskyj
Wolodymyr Selenskyj spricht von einem russischen "Gas-Krieg" und "Terror"Bild: Efrem Lukatsky/AP/picture alliance

EU verlängert Sanktionen gegen Russland 

Die Europäische Union verlängerte ihre Sanktionen gegen Russland um weitere sechs Monate bis Ende 2023. Es handelt sich um Strafmaßnahmen, die erstmals 2014 im Zuge der Annexion der russischen Halbinsel Krim verhängt und nach der russischen Invasion der Ukraine im Februar 2022 erheblich ausgeweitet wurden.

Auch Großbritannien verhängte neue Sanktionen gegen Russland wegen dessen Einmarsch in der Ukraine. Nach Regierungsangaben wurden 42 zusätzliche Strafmaßnahmen beschlossen. Betroffen seien unter anderem mehrere Gouverneure russischer Regionen, deren Vermögenswerte eingefroren wurden und gegen die Einreiseverbote ausgesprochen wurden.

Russland beendet ISS-Zusammenarbeit

Russland will aus dem Betrieb der Internationalen Raumstation aussteigen. Der neue Chef der russischen Raumfahrtbehörde, Juri Borissow, erklärte, nach 2024 werde man die ISS verlassen. Bis dahin werde man begonnen haben, eine russische Raumstation zu bauen. Borissow betonte, Russland werde aber alle seine Verpflichtungen gegenüber den internationalen Partnern erfüllen.

ISS Ankunft russische Kosmonauten Ukraine Outfit
Russische Kosmonauten in der ISS im März (Archivbild)Bild: Roscosmos via AP

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hatte der damalige Roskosmos-Chef Dmitri Rogosin mehrfach damit gedroht, aus dem Projekt ISS auszusteigen. Die westlichen Länder haben auch Sanktionen gegen die russische Raumfahrtindustrie verhängt.

Deutschland liefert Ukraine Mehrfachraketenwerfer 

Deutschland hat der Ukraine wie versprochen Mehrfachraketenwerfer vom Typ Mars II geliefert. Nach Angaben von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht wurden auch drei weitere Panzerhaubitzen übergeben. Deutschland halte Wort, so die SPD-Politikerin.

Deutschland hat Ukraine Mehrfachraketenwerfer geliefert
Mehrfachraketenwerfer vom Typ Mars II (Archivbild)Bild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance

Auch die Verhandlungen zwischen Deutschland und Tschechien über einen Panzer-Ringtausch zur Unterstützung der Ukraine stehen offenbar kurz vor dem Abschluss. Der Vertrag sei so gut wie fertig, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nach einem Treffen mit ihrem tschechischen Kollegen Jan Lipavsky.

Der Slowakei sicherte Baerbock auf der nächsten Station ihrer Osteuropa-Reise eine langfristige Stationierung deutscher Soldaten und Flugabwehrraketen zum Schutz vor einer russischen Bedrohung zu. "Die Patriots werden so lange bleiben, wie ihr sie hier vor Ort braucht", sagte Baerbock nach einem Gespräch mit ihrem Amtskollegen Ivan Korcok in der slowakischen Hauptstadt Bratislawa.

Patriot-Flugabwehrsysteme und etwa 300 Bundeswehrsoldaten waren nach Beginn des Ukraine-Kriegs ab Mitte März in der Slowakei stationiert worden. Baerbock sagte, derzeit seien 640 Soldaten dort stationiert.  Die östlichen NATO-Bündnispartner fühlen sich von Russland besonders bedroht. Die Slowakei hat zwar keine Grenze zu Russland, aber eine mehr als 100 Kilometer lange Grenze zur Ukraine.  

Baerbock findet deutliche Worte

Zuvor hatte Baerbock die jüngsten Äußerungen ihres russischen Amtskollegen Sergej Lawrow zu Plänen Moskaus für einen Sturz der ukrainischen Regierung scharf kritisiert. Diese hätten "noch einmal die tiefe Verachtung der russischen Führung für die demokratische Selbstbestimmung der Ukraine gezeigt", sagte die Grünen-Politikerin bei einem Besuch in Prag. "Niemand kann nun noch behaupten, Russland ginge es um irgendetwas anderes als die völlige Unterwerfung der Ukraine und seiner Menschen."

Annalena Baerbock im DW-Interview
Außenministerin Baerbock, hier bei einem Interview mit der Deutschen Welle am 20.7.22Bild: DW

Russlands Außenminister hatte am Sonntag bei einem Besuch in Kairo in noch nicht da gewesener Offenheit erklärt, dass Russland den Sturz der ukrainischen Regierung anstrebe. "Wir helfen dem ukrainischen Volk auf jeden Fall, sich von dem absolut volks- und geschichtsfeindlichen Regime zu befreien", sagte Lawrow. Das russische und ukrainische Volk würden künftig zusammenleben. 

haz/sti/hf/jj (dpa, afp, rtr, ARD)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.