Ukraine aktuell: Deutschland gibt 59 Millionen Euro
20. Januar 2023
Das Wichtigste in Kürze:
- Deutschland gibt der Ukraine und Moldau weitere 59 Millionen Euro
- USA stufen Söldnergruppe Wagner als "transnationale kriminelle Organisation" ein
- Frankreich will Verteidigungshaushalt um ein Drittel aufstocken
- UN-Hilfskonvoi bei Soledar eingetroffen
- London: Wagner-Söldnergruppe befehligt 50.000 Kämpfer
Entwicklungsministerin Svenja Schulze hat der Ukraine zusätzliche 52 Millionen Euro für den Wiederaufbau zugesagt. Die Versorgung mit Strom, Wärme und Wasser entscheide mit über die
Widerstandskraft der ukrainischen Gesellschaft in diesem Krieg, sagte die SPD-Politikerin bei einem aus Sicherheitsgründen geheim gehaltenen Besuch in der südukrainischen Hafenstadt Odessa am Donnerstag. Die zusätzliche Millionenhilfe für die ukrainischen Kommunen ist für Wärmestuben, Generatoren, medizinische Versorgung und Verwaltung gedacht.
Deutschland verstärkt Hilfe für Flüchtlingsaufnahme
An diesem Freitag sah sich Schulze in der ukrainischen Nachbarrepublik Moldau im nahe der Grenze gelegenen Ort Stefan Voda um. Die Ortschaft liegt an der Hauptroute von ukrainischen Geflüchteten. Dabei wies sie darauf hin, das Entwicklungsministerium stelle dem Land zusätzliche sieben Millionen Euro und damit seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine insgesamt 149 Millionen Euro zur Verfügung.
Die Ministerin übergab einen Stromgenerator im Wert von insgesamt etwa 37.000 Euro an ein Gesundheitszentrum. Auch in Moldau gibt es wegen der russischen Angriffe auf die ukrainische Infrastruktur immer wieder Stromausfälle. Das Land ist zudem stark von Energielieferungen aus der Ukraine und Russland abhängig.
Moldau hat im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl von 2,6 Millionen Menschen mehr Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen als jedes andere Land. Ein großer Teil war nach Rumänien und in andere EU-Länder weitergereist. Ende 2022 lebten etwa 100.000 Geflüchtete in der Republik Moldau, das sind vier Prozent der Gesamtbevölkerung.
USA stufen Söldnergruppe Wagner als "transnationale kriminelle Organisation" ein
Die Gruppe begehe "Gräueltaten und Menschenrechtsverletzungen", sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses, John Kirby, in Washington. Wagner zur transnationalen kriminellen Organisation zu erklären, ermögliche zusätzliche Sanktionen gegen die Söldnergruppe. Die von Jewgeni Prigoschin, einem langjährigen Vertrauten des russischen Staatschefs Wladimir Putin, angeführte Gruppe ist nach Kirbys Angaben mit rund 50.000 Kämpfern in der Ukraine im Einsatz. Davon seien 40.000 aus Gefängnissen rekrutiert worden.
Wagner erhalte zudem im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine Raketen aus Nordkorea, so der Sprecher. Kirby zeigte Aufnahmen, die den Transport der Rüstungsgüter von Nordkorea nach Russland per Zug belegen sollen. Söldner der paramilitärischen Gruppe Wagner sind seit Jahren in vielen Konfliktregionen im Einsatz, auch in Syrien und in afrikanischen Ländern. Prigoschin hatte sich erst im September öffentlich dazu bekannt, die lange geheim agierende Gruppe gegründet zu haben. Im Oktober eröffnete sie in St. Petersburg ein offizielles Hauptquartier.
Selenskyj kritisiert Deutschlands Zögern
Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj hat Deutschlands Zögern in der Frage möglicher Kampfpanzer-Lieferungen an sein Land scharf kritisiert. "Ihr seid doch erwachsene Leute. Sie können gerne noch sechs Monate lang so reden, aber bei uns sterben Menschen - jeden Tag", sagte Selenskyj in einem Interview des Ersten Deutschen Fernsehens. "Im Klartext: Kannst du Leoparden liefern oder nicht? Dann gib sie her!", appellierte er in Richtung Berlin. "Es ist ja nicht so, dass wir angreifen, falls sich da jemand Sorgen macht. Diese Leoparden werden nicht durch Russland fahren. Wir verteidigen uns." Zugleich betonte der ukrainische Staatschef mit Blick auf bereits geleistete Militärhilfe: "Wir sind dankbar. Ich will, dass alle das hören: Wir sind Deutschland dankbar."
In seiner abendlichen Videoansprache fügte Selenskyj mit Blick auf das Treffen der westlichen Verbündeten an diesem Freitag auf der US-Militärbasis im rheinland-pfälzischen Ramstein hinzu: Er erwarte "starke Entscheidungen".
Bundeskanzler Olaf Scholz steht unter Druck, seinen bisherigen Widerstand gegen eine Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine aufzugeben. Zuletzt hatten sich Polen und weitere EU- und NATO-Staaten bereiterklärt, der ukrainischen Armee solche Panzer aus deutscher Produktion zur Verfügung zu stellen. Auch dafür müsste die Bundesregierung jedoch grünes Licht geben.
Finnland kündigt 400 Millionen Euro Militärhilfe an
Der russische Nachbar Finnland gibt der Ukraine weitere Militärgüter im Wert von 400 Millionen Euro. Damit verdreifache sich die finnische Unterstützung auf insgesamt 590 Millionen Euro, teilte das Verteidigungsministerium in Helsinki mit. Nach Angaben von Ressortchef Mikko Savola enthält das Paket schwere Artillerie und Munition - welche Güter genau, das halten die Finnen generell geheim.
Finnland, das wegen des Ukraine-Kriegs ebenso wie das benachbarte Schweden die Mitgliedschaft in der NATO beantragt hat, grenzt auf einer Länge von rund 1340 Kilometern an Russland.
Litauen liefert Flugabwehrgeschütze und Hubschrauber
Das baltische EU- und NATO-Land Litauen will der Ukraine Dutzende Flugabwehrgeschütze vom Typ L70, Munition und zwei Mi-8-Hubschrauber zur Verfügung stellen. Das kündigte Verteidigungsminister Arvydas Anusauskas via Twitter an.
Frankreich kündigt deutliche Erhöhung der Militärausgaben an
Frankreich will seinen Verteidigungshaushalt vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs um etwa ein Drittel aufstocken. Für 2024 bis 2030 seien etwa 400 Milliarden Euro vorgesehen, kündigte Präsident Emmanuel Macron an. Der Etat bis 2025 solle dazu dienen, die Kapazitäten wieder aufzubauen, nachdem in den vergangenen Jahrzehnten chronisch zu wenig investiert worden sei. "Frankreich hat und wird eine Armee haben, die für die Herausforderungen des Jahrhunderts bereit ist", sagte Macron in seiner Neujahrsansprache an das Militär auf dem Luftwaffenstützpunkt Mont-de-Marsan im Südwesten des Landes.
Das Gesetz über die Militärausgaben soll im März im Parlament debattiert werden. Der vorherige Haushalt von 2019 bis 2025 hatte 295 Milliarden Euro umfasst. Der Ukraine-Krieg hatte jedoch Schwächen in der Ausstattung der französischen Streitkräfte deutlich werden lassen.
UN-Hilfskonvoi nahe Soledar eingetroffen
In der Nähe der ostukrainischen Kleinstadt Soledar ist nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) der erste Hilfskonvoi eingetroffen. Drei Lkw hätten Hilfsgüter für rund 800 Menschen gebracht, teilte ein Vertreter des UN-Büros für die Koordinierung Humanitärer Angelegenheiten mit. Es handele sich um Nahrungsmittel, Wasser, Hygieneartikel und Medikamente.
Wagner-Truppe ist "Schlüsselkomponente" in Ukraine
Die russische Söldnertruppe Wagner befehligt nach Einschätzung britischer Militärexperten bis zu 50.000 Kämpfer in der Ukraine. Das geht aus dem täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London hervor. Demnach sind die Söldner inzwischen zu einer "Schlüsselkomponente" in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine geworden.
Ende Dezember sei die bislang undurchsichtig vorgehende Organisation in Russland auch offiziell als Körperschaft registriert worden, allerdings lediglich als Management-Beratung, heißt es in der Mitteilung der Briten weiter. Es sei nicht klar, inwiefern diese zur Verwaltung der paramilitärischen Aktivitäten verwendet werde. Private Sicherheits- und Militärunternehmen seien in Russland bislang eigentlich illegal.
Abrams-Lieferung "macht einfach keinen Sinn"
Die Lieferung amerikanischer Abrams-Kampfpanzer an die Ukraine ist nach Einschätzung des US-Verteidigungsministeriums derzeit nicht sinnvoll. "Es macht einfach keinen Sinn, den Ukrainern dieses Mittel zum jetzigen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen", sagte Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh vor Journalisten in Washington. Der Abrams-Kampfpanzer benötige anderen Treibstoff als etwa der Leopard 2 oder der (britische) Challenger 2 und sei aufwendiger in der Instandhaltung.
Pentagon-Chef Lloyd Austin wolle den Ukrainern keine Waffen liefern, "die sie nicht reparieren können, die sie nicht unterhalten können und die sie sich langfristig nicht leisten können", hatte bereits zuvor US-Verteidigungsstaatssekretär Colin Kahl betont. es gehe "nicht darum, was symbolisch wertvoll ist, sondern darum, was der Ukraine auf dem Schlachtfeld wirklich hilft".
NATO-General sieht kaum Eskalationsrisiken
Der Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte in Europa hält mögliche Eskalationsrisiken durch eine Lieferung westlicher Kampfpanzer an die Ukraine für beherrschbar. "Können wir das Risiko managen? Ja, absolut. Ich glaube, wir können mit Risiko generell umgehen", sagte US-General Christopher Cavoli nach einem Treffen des NATO-Militärausschusses in Brüssel. Er machte damit deutlich, dass er keine große Gefahr sieht, dass Russland mit Militärschlägen gegen NATO-Staaten auf die Lieferung westlicher Kampfpanzer an die Ukraine reagiert.
EU-Chefdiplomat verurteilt "Endlösung"-Vergleich
Der Außenbeauftragte der Europäischen Union, Josep Borrell, hat Russlands Außenminister Sergej Lawrow für dessen jüngsten Nazi-Vergleich gescholten. Die Äußerung, der Westen suche eine "Endlösung" der russischen Frage, sei deplatziert und respektlos und trete das Andenken von sechs Millionen ermordeten Juden mit Füßen, erklärte Borrell in Brüssel. Die Wahrheitsverdrehung, mit der das russische Regime seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine rechtfertige, habe "einen weiteren inakzeptablen und verachtenswerten Tiefpunkt erreicht".
"Es gibt keine Parallele zwischen den Verbrechen von Nazi-Deutschland und der internationalen Hilfe für die Ukraine, die ihr Territorium und ihr Volk gegen eine ungerechtfertigte Aggression verteidigt", betonte Borrell. Holocaustleugnung sowie Tatsachenverdrehung und Verharmlosung in diesem Zusammenhang stünden in Widerspruch zu Gesetzen und Werten der EU.
Israel verspricht Ukraine humanitäre Unterstützung
Israels neuer Außenminister Eli Cohen hat der Ukraine die Fortsetzung humanitärer Hilfe zugesagt. Ein Schwerpunkt liege dabei auf der Wiederherstellung der Energieinfrastruktur sowie medizinischer Ausrüstung, teilte Cohen nach einem Telefonat mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba mit. Zudem kündigte Cohen an, die israelische Botschaft in Kiew innerhalb der nächsten 60 Tage wieder vollständig öffnen zu wollen. Israelischen Medienberichten zufolge könnte auch eine Reise Cohens in die Ukraine bevorstehen.
Der wiedergewählte israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu pflegte in seinen früheren Amtszeiten eine enge Beziehung zu Kremlchef Wladimir Putin. Israel hat Russlands Angriffskrieg in der Ukraine zwar mehrfach verurteilt. Insgesamt blieb das Land jedoch eher zurückhaltend und lehnt bislang auch Waffenlieferungen an die Ukraine strikt ab. Russland hat unter anderem großen Einfluss auf die Lage in Syrien. Israel will in dem Nachbarland verhindern, dass sein Erzfeind Iran und mit ihm verbündete Milizen ihren militärischen Einfluss ausweiten.
qu/kle/se/wa/mak (dpa, afp, rtr, ard)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.