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PolitikUkraine

Ukraine: Biden verteidigt Streumunitionslieferung

8. Juli 2023

Die geplante Streumunitionslieferung der USA an die Ukraine sorgt für Kritik. US-Präsident Joe Biden spricht von einer Übergangslösung. Die Türkei bietet sich wieder als Vermittlerin an. Der Überblick.

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USA Washington | Pressekonferenz: Joe Biden zu Krankenversicherung
Bild: Samuel Corum/abaca/picture alliance

Das Wichtigste in Kürze:

  • US-Regierung verteidigt Lieferung von Streumunition
  • Selenskyj besucht symbolträchtige Schlangeninsel
  • Pentagon: Ukrainische Gegenoffensive "am Anfang der Mitte"
  • Erdogan will bei Schwarzmeer-Getreideabkommen vermitteln

 

US-Präsident Joe Biden hat die Lieferung von Streumunition an die Ukraine verteidigt und als eine Übergangslösung bezeichnet. "Dies ist ein Krieg, der mit Munition zu tun hat. Und die Munition geht ihnen aus, und wir haben nur noch ein wenig davon", sagte Biden dem Sender CNN. Deshalb habe er schließlich die Empfehlung des Verteidigungsministeriums angenommen, Streumunition "nicht dauerhaft, sondern für eine Übergangszeit" zu liefern, bis die USA wieder in der Lage seien, mehr von der benötigten Artillerie zu produzieren.

Biden sagte weiter, dass ihm die Entscheidung sehr schwergefallen sei. Er habe darüber mit Verbündeten und Mitgliedern des US-Kongresses gesprochen. Die USA seien zwar keine Unterzeichner des Vertrags zur Ächtung von Streumunition, dennoch habe es eine Weile gedauert, bis er überzeugt gewesen sei, diesen Schritt zu gehen. Er halte ihn für notwendig, weil die Ukraine die Munition für ihre Gegenoffensive gegen Russland benötige.

Die US-Regierung hatte kurz bevor bekannt gegeben, der Ukraine umstrittene Streumunition zu liefern. Sie ist Teil eines neuen Militärhilfe-Pakets in Höhe von 800 Millionen US-Dollar (rund 729 Millionen Euro). Die Ukraine hatte bereits seit längerem die Lieferung von Streumunition gefordert. Unter Streumunition versteht man Raketen und Bomben, die über einem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper freigeben. Der Einsatz ist umstritten, weil dadurch eine Vielzahl von Blindgängern im Kampfgebiet zurückbleibt.

Spanien l Verteidigungsministerin Margarita Robles
Spaniens Verteidigungsministerin Margarita Robles: "Ja" zur legitimen Verteidigung der Ukraine, aber "Nein" zu StreubombenBild: Pablo Blazquez Dominguez/Getty Images

NATO-Partner nicht begeistert

Während sich die Ukraine erleichtert zeigte über die Zusage der USA, das Land im Krieg gegen Russland auch mit Streubomben zu unterstützen, kam aus den NATO-Ländern Deutschland, Großbritannien und Spanien mehr oder minder klare Kritik. 

Die spanische Verteidigungsministerin Margarita Robles sagte am Samstag vor Journalisten in Madrid, sie sage zwar "Ja" zur legitimen Verteidigung der Ukraine, aber "Nein" zu Streubomben. Ihr Land vertrete den Standpunkt, dass bestimmte Waffen und Bomben unter keinen Umständen geliefert werden dürften. Die anderslautende Entscheidung sei aber eine der US-Regierung und nicht der NATO, in der auch Spanien Mitglied sei.

In Deutschland sagte die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die US-Entscheidung sei "natürlich ein sehr schwieriges Thema". Russland setze Streubomben schon ein und sie habe großes Verständnis dafür, dass die Ukraine danach frage, erklärte die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses "Welt TV" nach Angaben des Senders. Andererseits handele es sich um geächtete Munition. Da müsse man "natürlich noch einmal genau hingucken".

Der britische Premierminister Rishi Sunak sagte vor Reportern mit Blick auf die US-Pläne, Großbritannien sei Unterzeichner des Übereinkommens, das Streumunition verbiete und rate von einem Einsatz ab. Kritik an der Washingtoner Entscheidung kommt auch von UN-Generalsekretär António Guterres. Er wolle nicht, "dass weiterhin Streumunition auf dem Schlachtfeld eingesetzt wird", ließ Guterres über einen seiner Sprecher in New York mitteilen.

Infografik Übereinkommen über Streumunition DE

Russland verurteilt Lieferung von Streumunition 

Das russische Außenministerium hat die USA erwartungsgemäß scharf für die Lieferung von Streumunition an die Ukraine kritisiert. Dies sei eine weitere "Offenbarung des aggressiven antirussischen Kurses der USA", heißt es in einem am Samstag verbreiteten Kommentar der Außenamtssprecherin Maria Sacharowa. Auch Russlands Botschafter in den Vereinigten Staaten, Anatoli Antonow, verurteilte die geplante US-Lieferung. "Es ist schon bemerkenswert, mit welcher Grausamkeit und welchem Zynismus Washington an die Frage der Lieferung von tödlichen Waffen an Kiew herangegangen ist", zitiert die russische Nachrichtenagentur TASS den Botschafter. Auch ohne die Streumunition seien die USA tief verstrickt in den Konflikt, so Antonow.

Selenskyj besucht symbolträchtige Schlangeninsel

Mehr als ein Jahr nach der Wiedereroberung der Schlangeninsel durch ukrainische Truppen hat Präsident Wolodymyr Selenskyj die kleine, strategisch wichtige Insel im Schwarzen Meer besucht. Die Insel werde, "wie die gesamte Ukraine niemals von den Besatzern erobert", sagte Selenskyj in einem auf Twitter veröffentlichten undatierten Video. "Ich möchte von hier aus, von diesem Ort des Siegs, jedem unserer Soldaten für diese 500 Tage danken", sagte Selenskyj mit Blick auf die Dauer des russischen Angriffskrieges.

Russische Truppen hatten die Insel kurz nach Kriegsbeginn unter ihre Kontrolle gebracht. Die Schlangeninsel liegt etwa 48 Kilometer vor der ukrainischen Küste und in der Nähe der Seewege, die zum Bosporus und zum Mittelmeer führen. Darüber hinaus hat die Insel für die Ukraine und Russland symbolische Bedeutung.

Bekannt wurde die kleine Insel unter anderem wegen des Widerstands der dort stationierten ukrainischen Streitkräfte. Die Besatzung des später gesunkenen russischen Kriegsschiffes "Moskwa" hatte die auf der Insel stationierten ukrainischen Grenzschützer am ersten Tag der Invasion aufgefordert, sich zu ergeben. "F...k dich, russisches Kriegsschiff!", antwortete darauf ein Grenzschützer in einem Funkspruch, der weltweit für Beachtung sorgte.

Freigelassene Kriegsgefangene reisen mit Selenskyj

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nimmt auf dem Rückweg von seinem Türkei-Besuch fünf Kommandeure der Garnison in der russisch besetzten Hafenstadt Mariupol mit. Die Mitglieder der militärischen Einheiten in Mariupol gelten in der Ukraine als Helden.

Sie hatten einer dreimonatigen russischen Belagerung standgehalten und sich zuletzt in Bunkern und Tunnelsystemen in einem riesigen Stahlwerk verschanzt. Erst nach einem Befehl Selenskyjs ergaben sie sich. Die Soldaten, die den Präsidenten auf seiner Heimreise begleiten, waren im Rahmen eines Gefangenenaustausches in die Türkei gekommen. Warum sie Selenskyj begleiten dürfen, blieb zunächst offen.

Die russische Regierung warf der Türkei vor, mit der Ausreise-Erlaubnis Abmachungen verletzt zu haben. Die Männer hätten im Rahmen des Gefangenen-Austausches bis zum Kriegsende in der Türkei bleiben sollen, erklärte Regierungssprecher Dmitri Peskow nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Ria.

UN: Mehr als 9000 Zivilisten seit Kriegsbeginn getötet

Mehr als 9000 Zivilisten sind nach UN-Angaben seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine getötet worden. Darunter seien 500 Kinder, erklärte die UN-Mission zur Überwachung der Menschenrechte in der Ukraine (HRMMU) anlässlich des 500. Tags seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Nach Einschätzungen von UN-Vertretern liegt die tatsächliche Zahl der zivilen Todesopfer allerdings deutlich höher.

Der Krieg verlange der ukrainischen Bevölkerung weiterhin einen "schrecklichen Tribut" ab, erklärte HRMMU-Vizechef Noel Calhoun. Durchschnittlich sei im Jahr 2023 die Zahl der Todesopfer zwar niedriger als im Vorjahr gewesen. Im Mai und Juni sei die Zahl der Toten aber wieder angestiegen.

Ukraine Krieg Angriff auf Kramatorsk
Immer wieder werden Zivilisten zu Kriegsopfern, so wie vergangene Woche in einer Pizzeria in KramatorskBild: Narciso Contreras/AA/picture alliance

Mehrheit der Deutschen will Ukraine als NATO-Mitglied

Die Mehrheit der Deutschen ist dafür, dass die Ukraine früher oder später in die NATO aufgenommen wird. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sprechen sich 42 Prozent dafür aus, dass dies erst nach dem Ende des russischen Angriffskriegs gegen das Land geschehen sollte. 13 Prozent sind für einen sofortigen Beitritt während des laufenden Krieges. 29 sind grundsätzlich gegen eine Aufnahme der Ukraine in das Bündnis, dessen Kern der gegenseitige militärische Beistand im Fall eines Angriffs von außen ist.

Pentagon: Ukrainische Gegenoffensive "am Anfang der Mitte"

Die ukrainische Gegenoffensive kommt nach US-Einschätzung langsamer voran als erwartet. Es sei allerdings noch zu früh, um zu beurteilen, wie sich die Gegenoffensive entwickelt, "denn wir stehen erst am Anfang der Mitte", sagte Colin Kahl, Unterstaatssekretär im US-Verteidigungsministerium, bei einer Pressekonferenz im Pentagon. "Sie klopfen immer noch die russischen Linien auf Schwachstellen ab."

USA Washington | Pentagon-Unterstaatssekretär Colin Kahl
Pentagon-Unterstaatssekretär Kahl: "Für jede Armee schwer zu durchbrechen"Bild: Andrew Harnik/AP/picture alliance

Die Ukraine müsse bei der Gegenoffensive sehr kämpfen, weil die Russen sechs Monate Zeit gehabt hätten, sich einzugraben. "Die Verteidigungsgürtel, die die Russen im Osten und im Süden errichtet haben, sind schwer zu durchbrechen - für jede Armee", so Kahl.

Nach Angaben aus Kiew hat die Ukraine seit Beginn ihrer Gegenoffensive Anfang Juni einige Dörfer in der Südukraine zurückerobert. Es mangele der ukrainischen Armee aber an Feuerkraft und Luftabwehr, um schneller voranzukommen.

Erdogan will bei Schwarzmeer-Getreideabkommen vermitteln

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan setzt auf eine erneute Verlängerung des Abkommens zum Export von ukrainischem Getreide, das in knapp zehn Tagen ausläuft. Er hoffe, dass die Vereinbarung um zwei oder drei Monate verlängert werde, Ziel sei aber eine Dauer von zwei Jahren, sagte Erdogan am Freitagabend nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Istanbul. Die Bemühungen darum gingen weiter.

Türkei | Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj trifft sich mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan (08.07.2023)
Gesprächspartner Selenskyj und Erdogan (r.) in Istanbul: "Die Bemühungen gehen weiter"Bild: Francisco Seco/dpa/AP/picture alliance

Erdogan sagte zudem, er wolle den russischen Präsidenten Wladimir Putin im kommenden Monat in der Türkei treffen. Der Kreml hatte zuvor mitgeteilt, dass ein Treffen geplant sei, ein Termin aber noch nicht feststehe. Das Getreideabkommen läuft am 17. Juli aus. Russland droht damit, die unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei im Sommer vorigen Jahres geschlossene Vereinbarung nicht zu verlängern. Das Abkommen sorgt dafür, dass die russische Marine den Export von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer nicht erneut mit einer Seeblockade verhindert. Dies hätte weitreichende Folgen für die Welternährung.

AR/wa/uh/hf (dpa, afp, rtr, ap)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus Kriegsgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.