Tunesien wählt
Zum ersten Mal seit dem Sturz von Ben Ali hat Tunesien, das "Kernland" des Arabischen Frühlings, an diesem Sonntag einen Präsidenten gewählt. Es war der dritte wichtige Schritt im Demokratisierungsprozess des Landes.
Freie Wahlen
Ende Oktober durften die Tunesier bereits ein Parlament wählen - an diesem 23. November standen die ersten freien und demokratischen Präsidentschaftswahlen seit dem Sturz von Machthaber Zine el-Abidine Ben Ali 2011 an. Lange Schlangen vor den Wahllokalen, so wie hier in der Hauptstadt Tunis, waren aber eher die Ausnahme.
Lange Vorbereitungen
Fast vier Jahre dauerte es, bis die Tunesier an die Urne treten konnten, um ihren Präsidenten zu wählen. Nach der Revolution wurde der Posten vakant, allerdings wurde auch die tunesische Verfassung außer Kraft gesetzt. Erst im Januar 2014 wurde eine neue Konstitution verabschiedet und die Präsidentschaftswahlen auf den 23. November gelegt.
Der Favorit
Er gilt als der Favorit auf das Präsidentenamt: der bereits 87 Jahre alte Béji Caïd Essebsi. Seine Partei Nidaa Tounès ("Ruf Tunesiens") gewann bereits die Parlamentswahlen. Sie will die säkulären Kräfte im Land einen. Essebsi war 2011 nach der Revolution bereits Premierminister des nordafrikanischen Landes.
Wahlkampf
Eine Wahlkampfveranstaltung der Partei Nidaa Tounès vor wenigen Tagen. Rund 5,3 Millionen Tunesier waren aufgerufen, für ihren Favoriten abzustimmen. Tunesien könnte das erste Land des Arabischen Frühlings sein, dem der Übergang zu einer Demokratie gelingt.
Der Herausforderer
Insgesamt traten 27 Kandidaten an - Moncef Marzouki aber gilt als engster Konkurrent Essebsis. Erfahrung hat er bereits: Seit Dezember 2011 fungierte Marzouki als Interimspräsident. Die islamisch geprägte Ennahda, in der Verfassungsgebenden Versammlung noch stärkste Kraft, verzichtete auf einen Kandidaten - um Tunesien vor einer "weiteren Polarisierung oder Spaltung" zu bewahren, so die Partei.
Sichere Wahl?
Vor den Wahllokalen haben Sicherheitskräfte für Ordnung gesorgt. Bereits bei der Parlamentswahl im Oktober waren nach offiziellen Angaben rund 70.000 Soldaten und Polizisten im Einsatz.
Stimmabgabe in der Frühe
Umfrage-Favorit Essebsi stimmte bereits am Sonntagmorgen ab. Da unwahrscheinlich ist, dass einer der Kandidaten die absolute Mehrheit holt, ist für den 28. Dezember eine Stichwahl anberaumt. Der neue Präsident wird dann fast genau vier Jahre nach der Jasmin-Revolution in sein Amt eingeführt.
Wohin steuert Tunesien?
Der neue Präsident wird für zunächst fünf Jahre gewählt, danach ist maximal eine weitere Amtszeit möglich. Er wird vor der Herausforderung stehen, den Transformationsprozess hin zur tunesischen Demokratie abzuschließen. Die Ergebnisse der Wahl werden spätestens 48 Stunden nach Schließung der Wahllokale am Sonntagabend erwartet - also am späten Montag oder im Laufe des Dienstag.