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Tsipras will nachverhandeln

Jannis Papadimitriou, Athen7. September 2015

Der griechische Ex-Premier im Wahlkampfmodus: Alexis Tsipras stellt sein neues Wirtschaftsprogramm vor und verspricht Nachbesserungen bei der Kreditvereinbarung mit den Geldgebern. Von Jannis Papadimitriou, Athen.

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Alexis Tsipras beim International Trade Fair in Thessaloniki - Foto: Alexandros Avramidis (Reuters)
Bild: Reuters/A. Avramidis

Handelsmesse in der nordgriechischen Metropole Thessaloniki. Traditionell bietet deren Eröffnung Spitzenpolitikern die Möglichkeit, ihr Wirtschaftsprogramm vorzustellen - ein wichtiger Termin, vor allem für den Regierungschef. Da Alexis Tsipras aber vor Kurzem zurückgetreten ist, um Neuwahlen zu ermöglichen, durfte er am Sonntagabend nicht mehr als Premier, sondern nur als Chef seiner Linkspartei Syriza eine Rede halten - was dem Interesse keinen Abbruch tat.

Im Gegenteil: Tsipras' Auftritt in Thessaloniki gilt als sein wichtigster Wahlkampftermin vor der Parlamentswahl am 20. September. Zudem wurde mit Spannung seine Bilanz der eigenen Regierungsarbeit der vergangenen Monate erwartet. Schließlich hatte Tsipras - entgegen früherer Wahlversprechen - einer weiteren Kreditvereinbarung mit den Geldgebern und in diesem Zusammenhang neuen Sparauflagen zugestimmt.

Syrizs-Chef Alexis Tsipras in Thessaloniki - Foto: Giannis Papanikos (AP)
Syriza-Chef Tsipras in Thessaloniki: Seitenhiebe in Richtung BerlinBild: picture-alliance/AP Photo/G. Papanikos

Eingefleischte Fans hat der Linkspolitiker wohl auch diesmal nicht enttäuscht mit seiner Rhetorik und seinen Seitenhieben in Richtung Berlin: Ja, seine Regierung sei einen Kompromiss eingegangen, aber nicht eingeknickt. Der Kampf des hart arbeitenden griechischen Volkes habe Europa erschüttert und Deutschland, die Lokomotive der Sparpolitik, habe dabei einen Großteil seines politischen Kapitals erschöpft, meinte Tsipras vor dem Messepublikum. Die Debatte über einen Euro-Austritt Griechenlands sei vom Tisch.

Und außerdem: Der "Kampf" für Änderungen und Verbesserungen der im August verabschiedeten Kreditvereinbarung sei offen. Nach seiner Wiederwahl werde er für die "Umstrukturierung" der Schulden und gegen den "Ausverkauf" des Staatsvermögens kämpfen, verspricht der Linkspolitiker. Das Wort "Neuverhandlung" vermied er aber bei seiner Rede in Thessaloniki.

Die Opposition geht mit ihm hart ins Gericht. Tsipras mache nun seinen dritten großen Fehler, mahnt der konservative Ex-Wirtschaftsminister Kostis Hatzidakis im TV-Interview: "Sein erster Fehler waren die falschen Versprechen im letzten Wahlkampf. Ein zweiter Fehler war, dass er eine falsche Verhandlungstaktik verfolgte und dabei eine Vereinbarung mit den Gläubigern erreichte, die schlimmer war als alle anderen Abkommen zuvor. Der dritte Fehler ist es, wenn er sagt: Ich will eine starke Mehrheit, damit ich eine Vereinbarung umsetzen kann, an die ich nicht glaube, aber trotzdem unterzeichnet habe. Das ist doch keine eindeutige Botschaft an die Wähler", moniert Hatzidakis.

Zehn neue Wahlversprechen

Vor ziemlich genau einem Jahr hatte Alexis Tsipras als Oppositionschef seinen letzten großen Auftritt in Thessaloniki. In seiner Grundsatzrede zur Wirtschaftspolitik versprach er damals 300.000 neue Jobs, einen Privatisierungsstopp und einen höheren Mindestlohn. Zudem forderte der Linkspolitiker einen Teilerlass der griechischen Schulden und mehr Geld für öffentliche Investitionen. Seine groß angelegte "Thessaloniki-Agenda" bescherte ihm daraufhin einen fulminanten Wahlsieg.

Syriza-Anhänger in Athen - Foto: Pavlos Zafiropoulos (DW)
Syriza-Anhänger in Athen: Abgespeckte Version früherer WahlversprechenBild: DW/P. Zafiropoulos

Angesichts chronisch leerer Staatskassen musste der Ex-Premier in diesem Jahr kleinere Brötchen backen und wollte trotzdem nicht mit leeren Händen dastehen: Zehn neue Wirtschaftsmaßnahmen verkündete Tsipras - von der Gründung einer neuen Investitionsbank über die Stärkung griechischer Sozialunternehmen bis hin zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Einige dieser Maßnahmen sind eine deutlich abgespeckte Version früherer Syriza-Wahlversprechen. Beispiel: Statt der einst versprochenen 300.000 neuen Jobs werden nun lediglich "150.000 Fristverträge für junge Arbeitslose" in Aussicht gestellt.

"Thessaloniki Nr. 2" titelt dazu die linksliberale "Zeitung der Redakteure". Eine wohlwollende Betrachtung, die nahelegt, dass die Syriza-Partei immer noch an ihr altes Wahlprogramm anknüpft. Das konservative Blatt "Eleftheros Typos" sieht es anders und wirft Tsipras "ungedeckte Versprechen und Schweigen über das neue Memorandum der Sparpolitik" vor.

Politjournalist Vassilis Lyritzis moniert die programmatische Beliebigkeit des Ex-Premiers: "Wie schon viele Politiker vor ihm verspricht auch er, das Land zu ändern. Er sagt aber nicht, was das genau für die Bürger bedeutet", meinte Lyritzis im Athener Sender "Skai". Und außerdem: Wer das Land ändern will, der soll dies eben tun und nicht nur darüber reden. Konkrete programmatische Aussagen soll Tsipras auf einer Pressekonferenz in Thessaloniki am Montagnachmittag liefern. Der Hauptslogan seiner Syriza-Partei lautet: "Das Morgen gewinnen" - eine Andeutung dafür, dass Tsipras das Neue, Unverbrauchte in der griechischen Politik verkörpern und altgediente Parteien verdrängen soll.

Umfragen geben Grund zur Sorge

Laut aktuellen Umfragen muss sich Alexis Tsipras allerdings um die Mehrheit im Parlament bangen: Seine Syriza und die konservative Nea Dimokratia liegen in der Wählergunst fast gleichauf, nachdem sich die vor wenigen Wochen gegründete "Volkseinheit", eine Syriza-Abspaltung um Ex-Minister Lafazanis, bei vier bis fünf Prozent eingependelt hat.

Georgios Papandreou - Foto: José Sena Goulao (EPA)
Ex-Premier Papandreou: Politische BlamageBild: picture-alliance/dpa/G.S. Goulao

Den Umfragen nach bleibt die rechtsradikale "Goldene Morgenröte" drittstärkste Kraft. Sie hofft sogar, den Oppositionschef zu stellen, sollten Tsipras und die Konservativen nach der Wahl eine große Koalition eingehen. Allerdings machen sich weitere vier Parteien Hoffnungen auf den dritten Platz - unter ihnen die einst allmächtige sozialistische Pasok.

Eine politische Blamage erlebt unterdessen Ex-Premier Georgios Papandreou, der vor fünf Jahren den Beinahe-Staatsbankrott Griechenlands verkündet und den allerersten Kreditvertrag mit den Geldgebern unterzeichnet hat: Seine neu gegründete Partei "Kidiso", die sich Ende 2014 von Pasok abgetrennt hat, käme laut Umfragen gerade noch auf 1,5 Prozent der Stimmen und würde den Einzug ins Parlament nicht schaffen. Die Folge: Wegen "mangelnder finanzieller Ressourcen" werde er an dieser Wahl nicht teilnehmen, ließ der ehemalige Regierungschef Papandreou verlauten.