Tschechien: Gold für die Zukunft
13. Juli 2021Jilove u Prahy ist eine malerische Stadt mit knapp 5000 Einwohnern und vielen historischen Denkmälern. Heute ist die Gegend entlang der Sazava, einem Zufluss der Moldau nahe Prag, für die Bürgerinnen und Bürger der tschechischen Hauptstadt ein beliebtes Erholungsgebiet. Im 14. Jahrhundert jedoch war der Ort, der auf deutsch "Eule" hieß, nach Prag und Kutna Hora die drittwichtigste Stadt des böhmischen Königreichs und hatte mehr als zehntausend Einwohner.
Während der Herrschaft Karls IV. (1355-1378) war Jilove die wichtigste Goldquelle des Kaiserreichs: "Ein großer Teil der Stadt Prag wurde aus den Erlösen des Goldbergbaus errichtet, darunter auch einige der Gebäude der Karlsuniversität, die heute noch stehen", sagt Sarka Jurinova, Direktorin des Regionalmuseums in Jilove u Prahy, das eine große Ausstellung zum Thema Goldbergbau zeigt, der DW.
"Wir sind wahrscheinlich das einzige Museum, aus dem man mit der Eintrittskarte selbst gewaschenes Gold mitnehmen kann", lächelt Jurinova und zeigt auf ein Wasserbecken im Hof. In dem Sand darin können Besuchende schürfen, was sie an winzigen Goldstückchen finden, gehört ihnen. "Unter und um Jilove liegen etwa sieben Tonnen Gold", sagt der Geologe des Museums, Jan Vana, der DW. Die Ausbeute einiger Schächte - der Abbau wurde 1968 beendet - habe bei bis zu vier Gramm pro Tonne Gestein gelegen, was auch bei den heutigen Goldpreisen einen profitablen Betrieb ermöglichen würde.
"Das Problem ist, dass Jilove zu einem Erholungsgebiet gehört. Und auch, dass ohne den Einsatz von giftigem Zyanid der Ertrag gering wäre", erklärt Vana. Dennoch gibt es viele Einheimische, die gerne in die Zeit zurückkehren möchten, als in Jilove Gold abgebaut wurde. "Dann könnten wir tschechisches Gold kaufen, statt es aus Südafrika zu importieren", sagt eine ortsansässige Rentnerin.
Handballgroße Goldklumpen
Die Bergbautradition lebte in Jilove auch noch Jahrzehnte nach dem Ende des Goldabbaus weiter. "Als wir 2018 den 50. Jahrestag des Endes des Bergbaus feierten, versammelten sich hier die letzten paar ehemaligen Bergleute", berichtet Sarka Jurinova vor einem Förderwagen in der Ausstellung des Museums. Darauf steht eine Inschrift, der zufolge das Gestein in der Lore zur Herstellung eines goldenen Eherings ausreicht.
In der Vergangenheit lagen aber auch mehrere Kilogramm schwere Goldklumpen im Untergrund von Jilove. Ein Exemplar von der Größe eines Handballs ist im Regionalmuseum ausgestellt. Obwohl das Museum Führungen in mehreren ehemaligen Schächten anbietet, versucht heute dort niemand mehr, den Bergbau wieder aufzunehmen. "An den Nebenflüssen der Sazava dagegen versucht immer wieder mal jemand, etwas Gold aus dem Sand zu schürfen", so Jurinova.
Die Goldreserve der Tschechischen Republik
Auch an mehreren anderen Orten in Tschechien liegen förderbare Goldreserven. Eine konservative Schätzung spricht von etwa 400.000 Kilogramm Gold, die abgebaut werden könnten. Bei den aktuellen Goldpreisen ergäbe dies etwa 500 Milliarden tschechische Kronen oder 20 Milliarden Euro. Seit 1990 wurden mehrere Versuche unternommen, den Goldabbau wieder aufzunehmen - aber alle scheiterten am mangelnden Interesse des Staates und am Widerstand der Bewohner der betroffenen Orte.
Aber im vergangenen Jahr startete das staatliche Bergbauunternehmen Diamo eine Untersuchung von zuvor geschlossenen Goldminen in Zlate Hory im Norden Tschechiens. "Die geologische Untersuchung wird drei Jahre dauern und ihre Ergebnisse werden verwendet, um die Bedingungen für die Nutzung der Goldlagerstätte in der Nähe von Zlate Hory zu bestimmen", so Ludvik Kaspar, der Direktor von Diamo, gegenüber der tschechischen Presseagentur CTK.
Abbau ja, Zyanideinsatz nein
"Die Studie sollte der Regierung aktuelle Informationen über die Möglichkeit der Verwendung von Goldreserven und deren Begleiterscheinungen liefern", so Stepanka Filipova, eine Sprecherin des Ministeriums für Industrie und Handel, in der auflagenstarken Tageszeitung "MF Dnes". Auch hier sollen mehrere Tonnen Gold unter der Erde liegen.
"Ich werde dafür plädieren, dass das Projekt zur Wiederaufnahme des Bergbaus stattfindet", betonte der tschechische Präsident Milos Zeman schon vor Jahren gegenüber CTK. Bei der Mine in Zlate Hory wird davon ausgegangen, dass das goldhaltige Gestein nach einer Wiederaufnahme des Bergbaus zur Weiterverarbeitung ins Ausland transportiert und somit in Tschechien keine hochgiftige Goldextraktion mittels Zyanid stattfinden wird.
Bergbau noch nicht wirtschaftlich
Der Verzicht auf Zyanid ist auch für den jetzigen Umweltminister Richard Brabec eine wesentliche Voraussetzung für die Goldbergbau-Wiederaufnahme in Tschechien. "Für uns ist es absolut unvorstellbar und inakzeptabel, dass die Goldgewinnung in Zukunft durch Auslaugung, also durch eine chemische Verarbeitung erfolgt, so Brabec im tschechischen Fernsehen. "Die einzige andere Möglichkeit ist ein tiefer Bergbau", so der Minister weiter, "ich hoffe aber, dass Gold als Reichtum unseres Landes noch Jahrzehnte unter der Erde verborgen bleiben wird."
Der tschechische Ökonom Lukas Kovanda, Mitglied des Nationalen Wirtschaftsrates der Regierung in Prag, sieht jedoch vor allem wirtschaftliche Gründe für die fehlende Eile bei der Wiederaufnahme des Goldabbaus: "Der Goldbergbau ist noch nicht wieder wirtschaftlich, daher hat niemand Eile, ihn wieder aufzunehmen. Wäre das anders, würde in Tschechien längst wieder Gold abgebaut", sagt Kovanda der DW.
Lithium-Großmacht Tschechien?
Das zeigt das Beispiel des "weißen Goldes" Lithium, von dem in den vergangenen Jahren im Erzgebirge große Vorkommen bei Cinovec nahe der sächsischen Grenze entdeckt wurden. Etwa 60 Prozent des nach Schätzungen größten Lithiumvorkommens in Europa liegen auf der tschechischen Seite der Grenze, etwa 40 Prozent auf der deutschen.
Im März gab Tschechiens stellvertretender Ministerpräsident Karel Havlicek bekannt, dass es ihm mit Hilfe des halbstaatlichen Energiekonzerns CEZ gelungen sei, die Kontrolle über den Bergbau in der Mehrheit der tschechischen Lagerstätten zu erlangen. "Der Abbau könnte 2025 beginnen", so CEZ-Sprecher Roman Gazdik gegenüber dem Online-Portal von "MF Dnes". Von da an könnten jedes Jahr 1,8 Millionen Tonnen Lithiumerz abgebaut werden.
Schätzungsweise vier Prozent der weltweiten Lithiumreserven befinden sich in der Erde unter Tschechien, 140.000 Tonnen davon allein in der Nähe von Cinovec. Lithium ist ein strategischer Rohstoff mit großen Potenzialen. Es wird unter anderem für die Batterieproduktion gebraucht.