Trump löst mit Sanktionen gegen IStGH scharfen Protest aus
Veröffentlicht 7. Februar 2025Zuletzt aktualisiert 7. Februar 2025US-Präsident Donald Trump hat per Dekret Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) angeordnet. Zur Begründung führte er an, das Gericht in Den Haag habe "seine Macht missbraucht", indem es einen Haftbefehl gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu beantragt habe. Trump und Netanjahu waren erst am Dienstag im Weißen Haus zusammengekommen und hatten vor der Presse Einigkeit demonstriert.
Der republikanische US-Präsident warf dem IStGH "bösartiges Verhalten" vor. Er beschuldigte die Institution, die auf dem Römischen Statut von 1998 fußt, sie habe "ohne legitime Grundlage" ihre Zuständigkeit beansprucht und vorläufige Ermittlungen gegen US-Personal eingeleitet.
Einreiseverbote und Vermögenssperren
Von den Strafmaßnahmen betroffen sind laut einer Mitteilung des Weißen Hauses Führungskräfte, Angestellte und Mitarbeiter, die an Ermittlungen, Anklagen oder Haftbefehlen gegen US-Personal oder Verbündete wie Israel beteiligt waren. Den genannten Personen und ihren Familienangehörigen wird die Einreise in die Vereinigten Staaten untersagt, zudem werden etwaige Vermögenswerte in den USA eingefroren. US-Unternehmen werden Finanz- und Wirtschaftstransaktionen mit den Betroffenen untersagt.
Der IStGH verurteilte die Sanktionen scharf. Damit sei die "unabhängige und unparteiische juristische Arbeit" des Gerichts bedroht, heißt es in einer Erklärung. Man wolle weiterhin "für Millionen unschuldiger Opfer von Gräueltaten auf der ganzen Welt Gerechtigkeit und Hoffnung" schaffen. Die Institution rief alle 125 Mitgliedsstaaten dazu auf, sich vereint hinter Gerechtigkeit und grundlegende Menschenrechte zu stellen.
Von der Leyen: IStGH gibt Opfern weltweit eine Stimme
Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, stärkte dem IStGH, der "den Opfern weltweit" eine Stimme gebe, in einer ersten Reaktion den Rücken. Europa stehe für Gerechtigkeit und Respekt gegenüber dem internationalen Recht, erklärte sie. Auch EU-Ratspräsident António Costa kritisierte die Entscheidung des US-Präsidenten. "Den IStGH zu sanktionieren, gefährdet die Unabhängigkeit des Gerichtshofs und untergräbt das internationale Strafrechtssystem als Ganzes", schrieb der Portugiese im Onlinedienst X.
Die Niederlande als Sitzstaat des Gerichts drückten ebenfalls ihr Bedauern aus. Außenminister Caspar Veldkamp erklärte auf der gleichen Online-Plattform, die Arbeit des IStGH sei "essenziell für den Kampf gegen Straflosigkeit".
"Eine der größten Errungenschaften des Völkerrechts"
Ähnlich äußerte sich Bundeskanzler Olaf Scholz. Die Sanktionen gefährdeten eine Institution, "die dafür Sorge tragen soll, dass die Diktatoren dieser Welt nicht einfach Menschen verfolgen und Kriege anzetteln können", sagte der deutsche Regierungschef am Rande eines Wahlkampfauftritts im baden-württembergischen Ludwigsburg.
Das Auswärtige Amt in Berlin betonte, der IStGH sei "eine der größte Errungenschaften des internationalen Völkerrechts". Er basiere auf wichtigen Prinzipien wie der Durchsetzung des Völkerstrafrechts und der Unabhängigkeit internationaler Gerichte, sagte eine Sprecherin. "Wir unterstützen den IStGH und werden das auch weiterhin tun."
Aus Israel kam dagegen Lob für den Schritt. Außenminister Gideon Saar schrieb auf X, der Gerichtshof verfolge "aggressiv die gewählten Führungspersönlichkeiten Israels, der einzigen Demokratie im Nahen Osten". Sein Land und die Vereinigten Staaten hielten sich an das Völkerrecht, während der IStGH dieses untergrabe. Konkrete Gründe für die Anschuldigung nannte Saar in seinem Eintrag nicht.
Mit zustimmendem Unterton äußerte sich auch Ungarns Regierungschef Viktor Orban, der als enger Verbündeter Trumps gilt. Es sei Zeit, dass sein Land die eigene Arbeit "in einer internationalen Organisation, die unter US-Sanktionen steht" überprüfe, erklärte Orban auf X mit Blick auf den IStGH. In der internationalen Politik wehe nun ein anderer Wind. "Wir nennen es den Trump-Tornado."
Haftbefehle im November
Vor dem Hintergrund des Israel-Hamas-Kriegs im Gazastreifen hatte der IStGH im November internationale Haftbefehle gegen Israels Premier Netanjahu, den ehemaligen Verteidigungsminister Joav Gallant und gegen den von Israel getöteten Militärchef der Hamas, Mohammed Deif, erlassen. Ihnen werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vorgeworfen.
Die Hamas hatte am 7. Oktober 2023 ein Massaker an israelischen Staatsbürgern verübt, dem nach Angaben des Militärs mehr als 1100 Menschen zum Opfer fielen. Rund 250 Personen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Beim darauffolgenden israelischen Militäreinsatz wurden nach Zahlen der Hamas-Behörden mehr als 47.000 Menschen in dem Palästinensergebiet getötet. Die Hamas wird außer von Israel auch von den USA, der EU, Deutschland und weiteren Staaten als Terrororganisation eingestuft.
Es ist nicht das erste Mal, dass Trump den IStGH sanktioniert. Bereits während seiner ersten Amtszeit, die von 2017 bis 2021 dauerte, verhängte die damalige US-Regierung Strafmaßnahmen unter anderem gegen die seinerzeitige Chefanklägerin in Den Haag, Fatou Bensouda, nachdem das Gericht mutmaßliche Kriegsverbrechen von US-Soldaten in Afghanistan untersucht hatte.
Trumps Amtsnachfolger, der Demokrat Joe Biden, hob diese Sanktionen zu Beginn seiner Präsidentschaft wieder auf. Allerdings hatte auch Biden - ebenso wie etliche US-Parlamentarier beider Parteien - das Vorgehen des nunmehrigen Haager Chefanklägers Karim Khan gegen Israel in der Vergangenheit scharf kritisiert.
Der Haager Gerichtshof verfolgt seit 2002 besonders schwerwiegende Vergehen wie Kriegsverbrechen. Weder die USA noch Israel gehören zu den Vertragsstaaten des IStGH.
jj/se/AR (dpa, afp, rtr)