Trauer und offene Fragen in Tianjin
Viele Spekulationen, wenig Informationen - sieben Tage nach der Explosionskatastrophe suchen Chinas Behörden nach Ursachen und Verantwortlichen. Langfristige Schäden für Mensch und Umwelt sind nicht absehbar.
Rückkehr der Seelen der Toten
Sieben Tage nach der Explosion wird in Tianjin mit Schweigeminuten und Schiffssirenen der Opfer gedacht. Nach offiziellen Angaben kamen 114 Menschen ums Leben, weitere Opfer werden befürchtet. Nach chinesischem Glauben kehren die Seelen am siebten Tag nach dem Tod wieder in das Heim des Verstorbenen zurück, um sich auf die Wiedergeburt vorzubereiten.
Unwillkommener Regen
Die Niederschläge erschweren die Aufräumarbeit. Giftige Chemikalien könnten sich schneller ausbreiten und in den Boden gelangen, wird befürchtet. Auf dem Gelände, wo sich die Explosion ereignete, wurden 700 Tonnen hochgiftiges Natriumcyanid gelagert. Die Umweltbehörde rät deswegen: "Haltet Euch fern. Eine bessere Lösung gibt es leider nicht."
Vollsperrung
Die Unfallstelle ist weiträumig abgesperrt. Die Einleitung von Abwässern in den benachbarten Haihe-Fluss nahe der Mündung in den Golf von Bohai ist eingestellt. Das städtische Umweltschutzamt spricht von "zehntausenden Tonnen verunreinigtem Wasser". Um das niedergebrannte Gefahrgutlager werden - wie hier im Bild - viele Messstationen aufgebaut.
Wütende Anwohner
Die Explosion ereignete sich neben einer dicht bewohnten Siedlung. Die nächsten Wohngebäude sind 600 Meter entfernt. Die Anwohner fordern die Stadt auf, ihre zerstörten Wohnungen zum ursprünglichen Kaufpreisen zu erwerben. Die Stadtverwaltung bietet aber zunächst nur umgerechnet 850 Euro Übergangsgeld an.
Manager in Haft
Nach chinesischen Medienberichten wurden bislang zehn Manager der privaten Lagerfirma festgenommen. Vier von ihnen seien noch im Krankenhaus in Behandlung. Die Erlaubnis zur Lagerung verschiedener gefährlicher Chemikalien sei im letzten Oktober ausgelaufen, doch die Behörden hätten nichts unternommen, wird berichtet.
Hohe Versicherungsschäden
Mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar könnte die Explosionskatastrophe die internationalen Versicherer kosten. Indirekt betroffen sind auch Automobil- und andere Unternehmen aus Deutschland, die normalerweise über den Hafen Tianjin PKWs, Rohstoffe und Zubehör importieren und jetzt auf andere Häfen wie Shanghai ausweichen müssen.
"Kein Kommentar" und Internet-Zensur
Auf den bisherigen Pressekonferenzen der Behörden werden die Fragesteller oft mit der Antwort "Kein Kommentar" abgespeist. Umso wilder blühen Spekulationen im Internet. Auch hier schlägt auch die Zensur zu. Der Online-Auftritt einer Abendzeitung musste eine Woche ausgesetzt werden, da sie an der "Verbreitung offensichtlicher Gerüchte" teilgenommen haben soll.
Einsatzleiter mit Verspätung benannt
Erst nach sieben Tagen wurde ein offizieller Einsatzleiter für die Sofort-Maßnahmen nach der Katastrophe benannt. Es ist Huang Xingguo, Oberbürgermeister der 14-Millionen-Metropole, links im Bild. Zunächst konnte der Sprecher der Stadt keine Auskunft geben, wer zuständig ist.
Vetternwirtschaft vermutet
Im Internet gehen trotz Zensur die Spekulationen weiter, wie es passieren konnte, dass offenbar gesetzwidrig lukrative Geschäfte mit der Lagerung von Chemikalien direkt neben Wohngebäuden gemacht wurden. Die User glauben nicht, dass der Betreiber ohne Duldung der öffentlichen Verwaltung handeln konnte.