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31. Selbstvertrauen und soziale Veränderung

13. Oktober 2021

Für Menschen, die unseren Podcast nicht hören können, stellen wir hier ein Transkript zur Verfügung: Sabriye Tenberken gründete eine Blindenschule und leitet ein Institut für soziale Veränderung in Südindien.

https://p.dw.com/p/41bzL

Zum Podcast geht es hier. 

Jingle: DW. "Echt behindert!"

Moderator Matthias Klaus: Herzlich willkommen zu "Echt behindert!" Mein Name ist Matthias Klaus. Vor ein paar Jahren waren meine Frau und ich in Südindien in Urlaub. Wir haben uns damals etwas gegönnt und eine Wellness-Reise in Kerala gebucht. Wir sind beide sehbehindert und blind und da kam man hin und wieder mit den Leuten ins Gespräch darüber, wie das Leben so funktioniert. Wir erzählten von unserer Arbeit, worauf wir dann auch schon mal zu hören bekamen: "Bei uns in Indien gehen die Blinden betteln." Nicht weit von unserem Urlaubsort damals lebt meine heutige Gesprächspartnerin. Wie es blinden Menschen in Indien und allgemein in Asien geht, wie es sich selbst dort als blinder Mensch lebt und was sie dort in Kerala, Indien tut. Darüber möchte ich heute sprechen mit Sabriye Tenberken. Herzlich willkommen! 

Sabriye Tenberken: Hallo!

Matthias Klaus: Hallo Sabriye, du hast eine gewisse Historie, sogar eine gewisse Berühmtheit in der Welt und viel unternommen und viel erlebt. Hier mal eine kleine Zusammenfassung dessen, was du bisher gemacht hast.

Sprecher: Sabriye Tenberken ist wegen einer Netzhaut Erkrankung seit ihrem zwölften Lebensjahr blind. In Bonn studierte sie Theologie, Soziologie und Philosophie. 1997 reiste sie alleine nach Tibet. Dort lernte sie den Niederländer Paul Kronenberg kennen. Zusammen gründeten sie 1998 das "Braille Without Borders Blinden Zentrum Tibet". Sabriye Tenberken hat eine spezielle Brailleschrift für die tibetische Schriftsprache entwickelt, die inzwischen als offizielle Blindenschrift in Tibet anerkannt ist. Das "Braille Ohne Grenzen Trainingszentrum", das blinde Kinder und Erwachsene auf ihr Leben in der Welt der Sehenden vorbereitet, wurde jedoch nach 20 Jahren von der Regierung geschlossen. 2009 eröffneten Sabriye Tenberken und Paul Kronenberg im südindischen Kerala das Kanthari Leadership Institute for Social Change. Hier werden Visionäre aus aller Welt dafür ausgebildet, ihre eigenen Organisationen aufzubauen und Projekte oder Kampagnen zu verwirklichen.

Matthias Klaus: Ich habe ja grad gesagt, man hat uns erzählt: "blinde Menschen gehen betteln in Indien." Wie sieht das aus? Du bist seit längerem in Indien. Wie kommst du denn im Alltag da zurecht? Ich nehme mal an, in Trivandrum gibt es jetzt keine Akustik-Ampeln?

Sabriye Tenberken: Nein, das gibt es nicht. Aber da ich vorher ja schon viele Jahre in einem Land gelebt habe, wo es auch keine Akustik Ampeln gab - jetzt gibt es die da übrigens - ...aber vorher gab es in China auch keine Akustik-Ampeln und habe ich mich daran gewöhnt. Und von daher ich schlag mich schon irgendwie durch. Also hier in Indien ist es ja ganz oft so, dass man sich einfach etwas trauen muss. Und wenn man einen Stock dabei hat und einigermaßen Orientierung und auch nicht zu schüchtern ist, um um Hilfe zu fragen, dann kommt man ganz gut weit.

Matthias Klaus: Der Stock: ist der bekannt in Indien als Symbol für Blindheit?

Sabriye Tenberken: Jein. Die Menschen, die eine gewisse Bildung haben, die kennen den Stock auch vom Führerschein, aber in Kerala ist es ganz spannend: Da möchte man den Stock gar nicht haben, weil es angeblich nicht kulturell angemessen ist. Und das hat mich natürlich immer schon ziemlich geärgert.

Ich frage mich dann immer: was ist hier kulturell nicht angemessen? Und dann heißt es ja, wenn jemand alleine mit einem Stock unterwegs ist, dann heißt das, dass die Familie sich nicht um den kümmert. Und das ist ein schlechtes Zeichen. Und von daher sieht man hier so gut wie keine Leute mit dem Stock. Alle Blinde, die hier mit dem Stock laufen... (also ich glaube, dass ich alle kenne) und viele von denen waren dann auch hier in Kanthari.

Matthias Klaus: Das heißt aber auch, als Blinder geht man eigentlich nicht allein auf die Straße in Indien.

Sabriye Tenberken: Nein, auf keinen Fall. Es ist sehr selten, dass Blinde in der Stadt gesehen werden oder überhaupt im Zug gesehen werden. Und genau das, was du auch gesagt hast: Wenn man mal einen Blinden sieht, dann... Ja dann wird eben gebettelt oder gesungen und man bekommt dann so das Geld. Aber es gibt wenig Blinde, die wirklich arbeiten gehen.

Matthias Klaus: Wie ist denn überhaupt das Ansehen von Behinderung, wenn man das mal vergleicht, in Tibet, China, Indien? Gibt es dort auch so etwas wie eine Selbstermächtigungs-Bewegung? Oder gibt es so etwas, dass die Meinung über Behinderte sich ändert in Asien? Schließlich gilt ja die UN-Behindertenrechtskonvention da auch.

Sabriye Tenberken: Ja. Langsam, ganz, ganz langsam. Also zunächst einmal rein kulturell sieht man, glaube ich, hier auch in Indien Blindheit als eine Art Strafe. Das hat was mit Karma zu tun. Und Blindheit insgesamt ist eine Behinderung, die ein ganz schlechtes Ansehen hat.

Und ja, man versucht dann das irgendwie zu kaschieren mit anderen Wörtern. Man wählt heutzutage das Wort "Visually challenged", was mich immer auf die Palme bringt, weil ich denke mir: "wenn ich blind bin, bin ich blind und ich bin nicht visually challenged." Und von daher ich provoziere dann auch ganz gerne und nutze dann das Wort "blind" ganz besonders gerne. Und ja, das stößt nicht immer unbedingt auf Gegenfreude.

Matthias Klaus: Gibt es so etwas wie staatliche Unterstützung oder ist man da ganz auf die Familie zurückgeworfen?

Sabriye Tenberken: Also es gibt Steuervergünstigungen und das auf jeden Fall. Es gibt auch eine Art Quotensystem. Es heißt, man hat die Möglichkeit, Regierungsjobs zu bekommen, auch wenn man jetzt die Tests nicht geschafft hat oder die Tests nicht gemacht hat. Da bekommt man dann besondere Boni sozusagen.

Das finde ich auch ein bisschen schwierig, weil ich sehr, sehr viele Blinde kenne, die dann auch so einen Job hinterhergeworfen bekommen. Und dann sitzen sie da von morgens bis abends und drehen Däumchen und wissen eigentlich nicht so genau, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen.

Ansonsten es gibt nicht so was wie Blindengeld. Allerdings muss man dann auch ein bisschen mehr gefordert werden und das ist vielleicht dann auch der Vorteil. 

Matthias Klaus: Also würdest du sagen, es gibt durchaus nicht immer nur die Annahme: "je westlicher, je reicher das Land, desto besser geht es den Behinderten", sondern es gibt auch eventuell Vorteile daran, nicht in so einem Sozialsystem zu stecken?

Sabriye Tenberken: Ich denke schon. Auf jeden Fall gibt es Vorteile für Menschen, die mehr Risiken ausgesetzt sind und dadurch einfach ein bisschen selbstständiger sein müssen.

Jetzt muss ich das ein bisschen einschränken: In Tibet war meine Erfahrung so, dass natürlich diese Kinder aus dem Nichts kamen und auch in der Wildnis sozusagen groß geworden sind. Und die waren natürlich unheimlich fit. Die waren auch ohne Stock fit. Aber die haben überhaupt keine Probleme gehabt, diesen Stock auch einzusetzen und dann eben noch schneller voranzukommen. Und die hatten überhaupt keine Angst, sich auch mal selber in den Zug zu steigen oder dann von Lhasa aus nach Shanghai zu fahren ganz alleine.

Wir hatten sogar einige Kinder, die mal ausgebüchst sind und dann ganz alleine nach Shenzhen gereist sind um da bei so einem Musikfestival mitzumachen. Und solche Geschichten. Also da sind die ein bisschen risikofreudiger. In Afrika genauso. Also afrikanische Blinde...

Wir hatten ja hier ab und zu auch afrikanische Blinde und die haben auch sehr viel mehr Risikofreude und ich würde sagen Abenteuerlust. In Indien ist das eine ganz andere Geschichte. Jetzt muss man dazu sagen, dass in Indien das ganze Familiensystem unglaublich auf Schutz, also Protektion oder "Protection, Overprotection" [ausgerichtet ist].

Jeder wird hier "overprotected", also ob man jetzt blind oder sehend ist, die Kinder werden alle mit Argusaugen beobachtet von den Eltern: Was sie tun, mit wem sie spielen, was sie studieren, was sie mögen, wann sie heiraten, wen sie heiraten! Alles wird eigentlich von den Eltern bestimmt und da kann man sich natürlich vorstellen, dass Blinde oder gerade auch Behinderte, ja, insgesamt noch viel, viel mehr beschützt, überbeschützt, überbehütet werden.

Und dann ist es umso schwieriger, mal auszubrechen und mal was Eigenes zu erleben und auch eigene Wege zu gehen.

Matthias Klaus: Ist es bei Rollstuhlfahrern anders?

Sabriye Tenberken: Ich würde sagen physisch behinderte, Blinde... Ich glaube auch bei Hörgeschädigten: alles ziemlich das gleiche.

Matthias Klaus: Du gehörst ja zu den Menschen, die immer aktiv waren, gerade als blinder Mensch. Hast auch hin und wieder mal öffentlich gesagt, für dich wäre Blindheit eher ein Vorteil gewesen. Selten empfindet man Blindheit als Vorteil, weil man oft doch auch einfach denkt an Sachen, die man nicht kann. Was ist für dich der Vorteil von Blindheit?

Sabriye Tenberken: Na ja, wenn ich an mein Leben denke oder wenn ich an mein Leben zurückdenke, dann komme ich sehr schnell auf den Punkt, dass ich so ein spannendes Leben nicht gehabt hätte, wenn ich sehend gewesen wäre. Das heißt: Ich wäre nicht hier in Kerala. Ich wäre nicht nach Tibet gekommen. Wahrscheinlich! Ich hätte  Paul nicht kennengelernt. Ich hätte dieses Zentrum nicht aufgebaut. Ich hätte vielleicht auch gar nicht diese Glaubwürdigkeit gehabt, ein Leadership-Trainingszentrum für Social-Change-Makers aufzubauen.

Und von daher muss ich schon sagen, dass die Blindheit für mich ein Sprungbrett ist für viele, viele Dinge, die ich sonst vielleicht so nicht hätte machen können. Ich hätte auch nicht die Möglichkeit gehabt, die erste Blindenschule in Tibet aufzubauen, wenn ich sehend gewesen wäre. Sie hätten mich gar nicht gelassen. Die Regierung hätte mich gar nicht gelassen.

Hier in Indien ist es nun so, dass ich nicht die gleichen... Oder man stellt an mich nicht die gleichen Ansprüche. Oder auch: Man hat nicht die gleichen überbehütenden Gefühle, mir gegenüber, wie Blinden in Indien. Irgendwie habe ich diesen Exotenstatus und von daher gehöre ich eigentlich nicht zu den Blinden dazu, von Seiten der Sehenden.

Von daher habe ich eigentlich so ein bisschen, ja, auch schon so einen Status. Ja, was immer sie sagt oder was immer sie machen will, funktioniert halt irgendwie.

Matthias Klaus: Ja.

Sabriye Tenberken: Und von daher das also alles. Das was für Blinde hier in Indien gilt, gilt eigentlich für mich nicht.

Matthias Klaus: In Tibet damals wo du diese Schule gegründet hast, war es ja so, dass die blinden Menschen eher am Rand der Gesellschaft waren, dass sie solche Talente gar nicht entfalten konnten. Aber sie konnten es dann doch als Ihr die Schule in Betrieb hattet. Gab es auch Blinde, die sage ich mal, nassforsch durch die Welt gelaufen sind?

Sabriye Tenberken: Und wie! Fast alle nachher! Dadurch, dass ich natürlich auch irgendwo ein Role-Model war, ein Beispiel für sie war, haben die sich alles Mögliche getraut.

Die sind ja auch jetzt - die Kinder, die wir großgezogen haben - alle im Beruf. Die haben alle ihre eigenen Berufe entwickelt. das sind Entrepreneurs, die sind unterwegs in ganz China, die können drei Sprachen fließend sprechen. Also die sind alle in Lohn und Brot und haben ihre eigenen Kinder und sind verheiratet. Und um die machen wir uns überhaupt keine Sorgen mehr. Was, ja, was natürlich ein ganz schönes Ergebnis war. 

Matthias Klaus: Trotz, dass das alles so erfolgreich war und ja auch weltweit Aufmerksamkeit erregt hat, und es gibt jetzt eine Blindenschrift für Tibeter. Es gibt überhaupt die Möglichkeit, als blinder Mensch in Tibet in die Schule zu gehen. Die Schule wurde geschlossen vor drei Jahren. Ist das in der Form richtig oder ist es einfach nur, dass Euer Kontakt gekappt wurde?

Sabriye Tenberken: Wir wurden erst mal rausbefördert, aus Tibet, von der chinesischen Regierung. Dazu muss ich aber sagen, dass wir die letzte NGO überhaupt waren, die noch in Tibet arbeiten durfte. Und von daher war das nicht so: wir mögen euch nicht. Sondern eher: "wir können es jetzt selbst. Wir haben mal zugeguckt, lang genug zugeguckt, was ihr so macht und jetzt können wir es selbst."

Gut. Das ist dann anders gelaufen. Das war sehr schade. Die Schule lief nämlich wunderbar, auch ohne uns. Sie wurde von Blinden geleitet und die haben das hervorragend gemacht. Und irgendwie hatte man, glaube ich, das Gefühl, das war nicht so kontrollierbar. Und das lief vielleicht nicht genau so wie die offizielle... Es gab eine offizielle Behindertenschule für alle möglichen Behinderten und die waren nicht so begeistert. Sie hatten auch immer so das Gefühl, sie waren im Konkurrenzkampf mit uns, was natürlich Quatsch war, weil wir hatten uns hauptsächlich auf Blinde konzentriert und sie hatten eben alle möglichen Behinderungen da.

Und ja, wir haben uns auf die Selbstintegration spezialisiert. Das heißt, wir haben die Kinder so ins Leben gebracht, dass sie sich selbst mit ihren eigenen Methoden und mit ihren Büchern in Brailleschrift in Regelschulen integrieren konnten. Und das war irgendwie dieser Behindertenschule, dieser Regierungsschule ein Dorn im Auge. Und sie wollten natürlich gerne die Blinden und die Behinderten selber haben.

Ja, und dann wurde irgendwie kurzerhand die Schule einfach geschlossen, ohne mit uns Rücksprache zu halten. Das Gebäude gibt es noch, die Farm gibt es auch noch und man kann das manchmal noch von Google her sehen. Aber die ganzen Schüler sind dann in die Behindertenschulen gekommen, obwohl sie wirklich das Zeug dazu hatten in Regelschulen zu gehen und auch da aufgenommen zu werden.

Wir haben es ja geschafft, dass ein Gesetz durchgekommen ist, dass Kinder, die gut vorbereitet sind, also blinde Kinder, die gut vorbereitet sind, sich selbstständig in Regelschulen integrieren können, ohne spezialisierte Lehrer, die dann daneben sitzen müssen und auf diese blinden Kinder aufpassen müssen. 

Matthias Klaus: Das Wort "Selbst integration" ist ja ein Wort, was doch an der Seite der Inklusionsdebatte läuft. Was meinst du damit, wenn du sagst "Selbstintegration"?

Sabriye Tenberken: Also für mich ist Selbstintegration etwas, was vom Blinden mit ausgeht. Das heißt, ich bereite nicht den Weg vom Sehenden aus für den Blinden, sondern der Blinde ist so gut vorbereitet und hat eine gute Startposition, um mit dem Selbstvertrauen, das er hat und mit allen Möglichkeiten, allen Fähigkeiten sich selbst proaktiv, sozusagen, in die Gesellschaft zu integrieren. Also entweder in einen Beruf zu integrieren oder in eine Schule zu integrieren.

So, und jetzt möchte ich nur mal ganz kurz das Gegenteil oder das Gegenmodell dazu darstellen. Wenn wir von Inklusion reden, dann meinen wir zumindest unterbewusst: Wir haben die Gesellschaft, die sehende Gesellschaft und die öffnet ihre Arme und schließt den Blinden ein. Und dann sitzt der Blinde wunderbar in der Klasse und vielleicht macht er auch hier und da mit. Es sieht alles wunderbar aus, aber wenn er dann auf dem Schulhof steht, dann ist er vielleicht alleine.

Und beim Sport geht es auch nicht so super. Und bei der Mathematik? Ach ja, Mathematik, das liegt mir eh nicht... Deswegen bin ich auch nicht so gut in Mathematik. Aber ansonsten: "Ja unser blindes Kind ist in einem Regel-Gymnasium und das ist Inklusion."

Für mich hat das wenig mit einer Proaktivität von dem Kind selber zu tun. Für mich hat das wenig damit zu tun, dass das Kind alle Möglichkeiten hat, auf den Sehenden zuzugehen und zu sagen: "Hey, du sagst mir jetzt, was da auf der Tafel steht und ich helf dir gleich mit den Englisch-Hausaufgaben oder mit den Mathe-Hausaufgaben." Und das ist für mich ein Geben und Nehmen, was ich immer ganz ganz wichtig finde bei der Integration.

Und genau das ist auch in Tibet so gelaufen. Die Kinder, die hatten ein Headstart in Englisch und in Chinesisch, aber auch in Mathematik. Wir haben dafür gesorgt, dass die gut in Mathe waren, dass sie sich geografisch auskannten, dass sie sich auf einem Globus auskannten. Und dann sind sie mit Karacho in diese Schulen gegangen, zurückgegangen nach einer dreijährigen, sehr intensiven Ausbildung.

Matthias Klaus: Wie alt waren sie da?

Sabriye Tenberken: Die waren auch ganz unterschiedlich. Manche waren sieben, manche waren zwölf, manchmal 15. Das kommt ganz drauf an, mit welchem Jahr sie zu uns gekommen sind damals. Und die sind dann eben mit dieser Super-Energie und diesem sehr großen Selbstbewusstsein in die Schulen gegangen und haben sich auch überhaupt kein bisschen kleinkriegen lassen.

Die waren mobil. Die konnten mit dem Stock laufen. Die haben natürlich sehr schnell von sich reden gemacht, dadurch, dass die in Sprachen gut waren. Wenn die Lehrer einigermaßen selbstbewusst waren, dann sind sie auch manchmal zu den blinden Kindern hin und haben gesagt: "Sag mal, könnt ihr das noch mal grammatikalisch überprüfen? Ich bin mir da nicht so sicher mit dem Englisch". Und das haben die natürlich dann auch gerne gemacht. Und sie haben es besonders auch gut gemacht.

Das war ein Geben und Nehmen und das halte ich für wirkliche Integration. Und jetzt möchte ich noch mal ganz kurz auf das Wort "Inklusion" eingehen. Das Wort hat sich so unheimlich festgesetzt, während ich in Tibet war und deswegen war ich etwas erschrocken, als ich dann wieder nach Hause kam und damit überschüttet wurde: 

Inklusion kommt von dem lateinischen Wort "includere", das heißt "einschließen". Und ich habe mich früher ganz oft mit Mineralogie beschäftigt, als ich noch ein bisschen sehen konnte oder auch noch besser sehen konnte. Und da habe ich das Wort das erste Mal gelernt, und zwar bei einem Stück Bernstein, und zwar in einem Bernstein, in dem eine Fliege oder ein Insekt vor Tausenden von Jahren eingeschlossen wurde. Das ist Inklusion.

Und jetzt hatte ich immer diesen Bernstein im Kopf. Wunderhübsch. Aber das Insekt kann sich nicht selber einbringen. Das Insekt hat keine Möglichkeit, sich in irgendeiner Weise in das ganze Geschehen mit einzubringen oder das Geschehen noch zu vervollkommnen.

Und für mich sieht die Inklusion, wenn sie falsch läuft... Und leider finde ich, in vielen Fällen läuft sie falsch... Für mich sieht es genauso aus wie ein Bernstein: Es sieht hübsch aus, aber ganz, ganz oft funktioniert es eben nicht hundertprozentig. Es funktioniert in Sprachen, es funktioniert in Deutsch und Englisch, sobald es an Mathe oder Naturwissenschaften geht, dann höre ich ganz, ganz oft: "Ach, mein Kind ist halt nicht das naturwissenschaftlich begabte Kind."

Und da, muss ich sagen, da bin ich sauer und dann sage ich: "dann geh' lieber nach Marburg und lerne Mathematik und Naturwissenschaften richtig gründlich und dann kann sich das Kind später entscheiden, ob es gut ist in Naturwissenschaften oder nicht." Aber einfach zu sagen: "Nein, mein Kind ist nicht gut in Naturwissenschaften", weil die Lehrer nicht in der Lage sind, das Ganze auf die Reihe zu kriegen und ein blindes Kind mit in den naturwissenschaftlichen Unterricht mit aufzunehmen. Das finde ich schwierig.

Das gleiche gilt für Sport. Mein Gott, was haben wir in Marburg an der Förderschule für Sportmöglichkeiten gehabt? Und genau das haben wir eben den blinden Kindern in Tibet auch gegeben. Wir haben mit denen geritten, wir sind mit denen Boot gefahren, wir sind mit denen ins Wildwasser gegangen, haben schwimmen gelernt und alles Mögliche, was sehende Kinder gar nicht gelernt haben. Und damit hatten die eigentlich auch schon einen Vorteil. 

Matthias Klaus: Eine kurze Erläuterung dazu: "Marburg" ist die Blinden-Studien-Anstalt in Marburg bislang immer noch DAS Gymnasium für Blinde und Sehbehinderte in Deutschland. Die Schule, auf der wir beide waren im Abstand von 5-6 Jahren. Fassen wir mal zusammen: Deine Lieblingsvorstellung von Inklusion wäre also praktisch so was wie Grundschule als Blindenschule mit Ausbildung fürs Leben und dann freie Wildbahn.

Sabriye Tenberken: Zum Beispiel. Also ich könnte mir jetzt mal etwas vorstellen, wie einige Jahre Blista, Blista Marburg, also dieses Gymnasium und dann, dass sich das Kind vielleicht entscheiden könnte, an ein Regel-Gymnasium zu gehen und dann noch richtig loszupowern. Aber aus sich heraus bloß zu powern und nicht mit großer Betreuung versuchen sich durchzulavieren.

Matthias Klaus: Nicht jeder Schüler oder jede Schülerin ist ja in der Lage loszupowern. Es gibt ja auch welche, die wollen einfach nur zur Schule gehen und sind vielleicht nicht in der Lage jeden Tag alles selbst zu organisieren. Es ist ja auch mühsam. Ist das nicht ein bisschen viel verlangt?

Sabriye Tenberken: Also ich muss auch sagen, es muss auch nicht jedes Kind in die Regelschule. Also wenn ein Kind unbedingt in die Regelschule möchte, dann finde ich, muss es vorher vorbereitet werden. Wenn es nicht möchte und wenn es zum Beispiel mehr Sport haben möchte oder wenn es mehr Naturwissenschaften und Mathematik haben möchte, dann denke ich, ist Marburg die bessere Laufbahn.

Matthias Klaus: Die Blindenschule in Tibet: Das Gründen war, glaube ich 1998 und dann habt ihr das aufgebaut. Irgendwann seid ihr da weg. Nach 7 Jahren. Warum seid ihr da weg?

Sabriye Tenberken: Wir hatten von Anfang an diese Vorstellung, dass irgendwann unsere eigenen Schüler und Schülerinnen das Ganze übernehmen sollten. Wir wollten gerne, dass eine Schule für Blinde auch von Blinden geleitet wird und dass die ganze Vision auch von Blinden weiterentwickelt wird. Und daher haben wir uns so klammheimlich aus dem Staub gemacht. Sagen wir mal so... Wir sind nicht vollkommen weggegangen in 2009, sondern wir haben uns nach und nach von dieser Schule gelöst.

Matthias Klaus: Eine kleine Unterbrechung. "Wir" heißt immer Paul Kronenberg und du? Oder war da noch jemand dabei?

Sabriye Tenberken: Nein.

Matthias Klaus: Oder wart ihr immer ein Zweierteam seit ihr euch kennt?

Sabriye Tenberken: Ja. Seit wir uns kennengelernt haben, waren wir immer ein Zweierteam. Aber wir haben natürlich uns auch aufgeteilt. Das heißt: Wir haben gerade als dieses Zentrum dann hier angefangen hat, in Kerala, da war es dann oft so, dass er mal ein halbes Jahr nach Tibet gegangen ist. Ich war dann hier ein halbes Jahr alleine oder umgekehrt. Ein paar Monate bin ich dann nach Tibet gegangen. Er war dann hier, sodass wir so ein bisschen parallel das Ganze weiter aufgezogen haben und uns langsam, aber sicher dann von dem Tibet Projekt verabschiedet haben, damit es auch alleine läuft.

Matthias Klaus: Dann war aber eben dieses siebte Jahr und ihr habt gesagt: "So, jetzt müssen wir was anderes machen. Das fängt an zu laufen. Was machen wir jetzt?" 

Sabriye Tenberken: Das hat natürlich schon viel früher angefangen. Wir hatten immer mal überlegt: Was hätte uns gut getan für diesen Aufbau eines Blinden-Projekts oder eines sozialen Projekts. Und wir haben immer wieder gemerkt: Wir sind in so viele Fallen getappt, wir haben so viele Fehler gemacht. Wir hätten gut einen Lehrgang gebraucht für Social Change Maker, für Menschen, die irgendwie in irgendeiner Weise soziale Projekte aus dem Boden stampfen. Ob das jetzt im eigenen Land ist oder in einem anderen Land.

Aber wir haben immer irgendwie davon geträumt, irgendwo mal so einen Kurs zu machen. Und dann haben wir uns als das Internet zur Verfügung stand dann mal schlau gemacht. Und es gab so was nicht. Es gab Social Entrepreneurship Kurse in Universitäten. Aber es gab nicht einen Kurs für Menschen, die jetzt von Anfang bis Ende praktisch lernen, eine Organisation zu gründen, aufzubauen und langfristig zu leiten.

Und dann haben wir uns überlegt, wenn es sowas nicht gibt, warum machen wir nicht einfach so was selbst? Und dann kam natürlich die Frage: wo? Und dann hatten wir damals mit einem Journalisten aus der New York Times, der hatte uns in Tibet besucht und er hat einen großen Artikel gemacht in der New York Times über das Projekt. Und er hat uns gefragt: "Was dann? Was wollt ihr machen? Wo wollt ihr es machen?" Wir haben alles erzählt und haben gesagt, wir würden eigentlich ganz gerne nach Südindien gehen.

"Jetzt Südindien. Warum Südindien?" Wir dachten so... "Ja, das ist zentral in der Welt. Wenn man so einen Kreis um Südindien zeichnet, dann sind eigentlich alle Regionen, in denen es viele Menschen gibt und in denen Social Change oder auch Environmental Change nötig ist, sind eigentlich mit einbegriffen."

Und ich hatte auch immer wieder von Kerala gehört und habe immer gedacht, da möchte ich irgendwann mal hin. Ich mag Wasser gerne und einfach mal ein bisschen im Grünen zu sein und auch im Warmen zu sein, das war gerade nach Tibet, wo es ja im Winter doch relativ kalt ist, eine ganz schöne Aussicht. Und dann haben wir gesagt: "Ja, Südindien wäre eigentlich gut."

Wir dachten an Kerala, aber das hat er dann rausgestrichen, weil er gesagt hat, die amerikanischen Leser wüssten vielleicht nicht wo Kerala ist, also in "Südindien". Und witzigerweise hat dann jemand diese New York Times gelesen, aus Kerala, und hat dann gesagt: "Warum kommt ihr nicht nach Kerala? Ich hole euch vom Flughafen ab. Wir reisen durch Kerala. Ich zeige euch meinen Heimatstaat." Und dann haben wir ein wunderschönes Örtchen hier gefunden, außerhalb von der Stadt. Sehr still.

Also wir sind hier praktisch im Dschungel, direkt am See gelegen. Viele, viele Bäume um uns herum. Es ist sehr, sehr lauschig. Und genau an dieser Stelle wollten wir gerne ein Zentrum aufbauen für Menschen aus Krisengebieten, für Menschen, die aus Kriegsgebieten kommen, aus Situationen, in denen sie diskriminiert werden, Menschen mit Behinderungen, ohne Behinderungen, also aus ganz, ganz unterschiedlichen Bereichen. 

Aber es sollten Menschen sein, die etwas erlebt haben und aus dem Erlebten hier eine Vision entwickeln können und dann eben aus dieser Vision ein Projekt entstehen lassen. Und ich denke, das haben wir geschafft. Also mittlerweile haben wir schon 226 Leute ausgebildet und mehr als 130 Projekte laufen schon und das eigentlich sehr erfolgreich.

Matthias Klaus: Ihr seid ja so etwas wie eine, sag ich mal, Management Schule. Aber man lernt ja bei euch bestimmt nicht Handys verkaufen oder reich werden. Wie muss denn ein Projekt, was jemand, der bei euch einen Kurs macht, im Kopf hat, sein, damit ihr sagt: "Oh ja, das interessiert uns"?

Sabriye Tenberken: Also zunächst einmal sollte es ein Social Impact haben, also einen sozialen Effekt haben oder environmental Impact, also das heißt entweder Umweltprojekte oder soziale Projekte.

Also zum Beispiel wir haben viele Menschen mit Albinismus hier gehabt, vor allem aus Kenia und Simbabwe. Und jetzt ist es so, dass es in Kenia, aber auch in Simbabwe sehr viel Diskriminierung gegen Menschen mit Albinismus gibt. Und die haben ganz, ganz tolle Kampagnen aufgebaut und haben Konferenzen organisiert für Menschen mit Albinismus und gehen gegen Politiker vor, die eben immer noch daran glauben, dass ein Finger von einem Albino ihnen Reichtum und Macht verschafft.

Es ist ja so, dass in Ostafrika immer noch Albinos praktisch gejagt werden: Also Menschen mit Albinismus gejagt werden und sogar für viel, viel Geld an Witch-Doctors, also an Hexen oder an Heiler verkauft werden. Und diese Heiler, die entwickeln dann ihre Zaubertränke. Es ist also wirklich ganz, ganz fürchterlich. Ich will das auch gar nicht weiter ausführen.

Aber wir haben eben viele, viele Aktivisten in diesem Bereich hier ausgebildet, die also sehr, sehr mutig vorangehen und auch in die Höhle des Löwen gehen. Also mit Heilern sprechen, mit Politikern sprechen, mit Polizisten sprechen, die öfters auch Listen von Adressen von Menschen mit Albinismus an Heiler weiterverkauft haben und solche Geschichten.

Also sie sorgen wirklich dafür, dass es ein Umdenken gibt und dass das Ganze an die Öffentlichkeit kommt. Und das ist natürlich auch sehr gefährlich. Also eine Schülerin von uns oder eine Studentin von uns, die ist zweimal beinahe gekidnappt worden und konnte sich wirklich gut dadurch retten, dass sie selber Selbstverteidigung - übrigens auch hier - gelernt hat. Und die konnte sich eben so selbst befreien.

Matthias Klaus: Das ist ja nicht so, dass das alles umsonst ist, was ihr da tut. Ihr gebt ja Geld aus. Die Menschen, die bei euch die Kurse machen, müssen soweit ich das gelesen habe, nichts bezahlen. Aber woher kommt denn dann das Geld? Warum sollen Menschen denn so in so etwas investieren, was ihr da macht?

Sabriye Tenberken: Also ich denke, da gibt es viele Gründe, warum man in so was investieren sollte. Gerade die Krisen, die jetzt hier durch die Welt peitschen, die werden alle dazu aufrütteln zu sagen: "Ja, wir müssen irgendetwas tun." Aber wer macht denn das? Wer hat denn die Möglichkeit? Wer hat denn die Energie?

Es gibt glaube ich, sehr, sehr viele Menschen, die Gelder haben, die auch die Mittel haben, so etwas zu fördern. Und die suchen natürlich gute Projekte, also Projekte, die wirklich aus sich selbst herauskommen, das heißt aus dem Problem herauskommen und dadurch auch langfristig sehr viel nachhaltiger sind.

Es gibt viele Menschen, die sagen: "Ja, ich habe einen Job, ich habe genug verdient, aber ich habe nicht wirklich die Idee oder vielleicht auch nicht den Mut, in ein Land zu gehen oder vielleicht in Deutschland was aufzubauen. Warum nicht ein Scholarship an jemanden geben, der so etwas lernt, der eine tolle Idee hat.

Die müssen natürlich hier auch mit einer kreativen Idee kommen und warum nicht diesen Menschen dann ein Scholarship geben, damit die ganzen Grundfähigkeiten geschult werden, um dann einfach selber weitermachen zu können? 

Und das tolle ist, dass auch sehr viele dann mit den Projektgründern weiterhin im Kontakt bleiben können und auch das weiterhin fördern können. Und schön ist einfach zu sehen nach einigen Jahren: Was ist denn aus dem Projekt geworden und, wie läuft das? Und da findet man dann doch immer wieder große Aha-Erlebnisse. Auch heute noch, wenn wir von einigen vieles nicht gehört haben oder viele Jahre nichts gehört haben und ganz plötzlich merken wir: "Meine Güte, da hat sich aber was getan."

Matthias Klaus: Noch eine Frage, die du jetzt vielleicht, ich hoffe, nicht als unverschämt empfindest, aber etwas, was ich früher immer gedacht habe. Also wir Blinden alle kriegen ja mit, was du machst - seit den 90er Jahren. Und dann kam irgendwann der Moment, dass man denkt: "Wie macht man das? Geht das überhaupt? Würde ich mir das selber zutrauen?" Und dann: "Ach so, der Partner ist sehend! Dann ist das ja vielleicht alles nicht so schlimm!" Wie wichtig ist es für dich, dass der Partner sehend ist? Oder hat das eigentlich damit gar nichts zu tun? Kannst du das einschätzen?

Sabriye Tenberken: Ich glaube, es hat nicht viel damit zu tun. Also wir sind ja sehr autonom. Wir reisen unabhängig voneinander. Wir reisen auch gerne zu zweit, wie man als Partner eben auch so ist miteinander, weißt du?

Man hat eben bestimmte Sachen, die man zusammen und bestimmte Sachen, die man nicht zusammen tut. Ich reise jetzt nicht mit ihm, weil er sehend ist, sondern ich reise mit ihm, weil ich gerne mit ihm zusammen bin oder auch mal gerne zusammen bin mit ihm. Aber das geht eben auch ohne einander.

Ich hatte ja vorher schon gesagt, dass ich ganz oft entweder hier war, und er war in Tibet. Ich habe das Zentrum hier geleitet, er hat es in Tibet geleitet oder umgekehrt. Das Sehen und das blind sein spielt in unserer Beziehung keine Rolle. Es spielt natürlich in unseren Fähigkeiten eine Rolle. Also er macht sehr viel mit Grafikdesign. Das geht mir einfach ab und das kann ich nicht. Er ist sehr viel besser in der Finanzierung, das heißt, er ist mit Tabellen gut. Ich kenne aber auch viele Blinde, die mit Tabellen gut sind.

Also von daher ist unsere Unterschiedlichkeit ist nicht so sehr an das Sehen oder das Blindsein geknüpft, sondern eher an unsere unterschiedlichen Möglichkeiten. Er hat einen Architektenhintergrund, also einen technischen Hintergrund. Ich habe eher einen humanistischen Hintergrund und so klappt das einfach wunderbar.

Wir gehen uns nicht auf den Geist und wir haben trotzdem unsere eigenen Bereiche, in denen wir einfach in dem Punkt dann eben auch die Führung übernehmen. Und der andere gibt dann nach. Und wenn es um etwas Neues geht, dann gibt es vielleicht auch noch mal Krach und dann müssen wir uns erst wieder finden.

Matthias Klaus: Zusammengefasst: Er ist nicht dein Backoffice.

Sabriye Tenberken: Nein. Er ist auch nicht mein Blindenhund. Ich hoffe, dass Du vielleicht noch mal wiederkommst nach Kerala und Dir das dann hier anguckst. Und dann wirst Du sehr schnell merken, dass hier wirklich in diesen ganzen Programmen Blindheit und Sehen überhaupt keine Rolle spielen. Und das gefällt mir unheimlich gut.

Wir haben zum Beispiel jetzt Sristi hier. Sristi kommt aus Nepal und die ist blind und die macht hier den ganzen Tanzunterricht. Also die hat eine Organisation gegründet, die war in 2012 hier und die kommt jedes Jahr als Katalysator. Und die hat eine Organisation gegründet, die heißt "Blind Rocks" und die geht durch die ganze Welt und bringt blinden Menschen das Tanzen bei. Die ist selber Tänzerin und macht viel akrobatischen Tanz. Und die macht jetzt hier eben mit unseren sehenden Teilnehmern Tanzunterricht. Salsa macht die mit denen.

Und man merkt ganz schnell, wenn man hier ist: "Ja, es verwundert die Leute. Aha, da ist jemand mit dem Stock. Aber dann vergisst man das ja schnell. Denn das spielt ja einfach überhaupt keine Rolle. Und da würde ich einfach sagen: Das ist wirkliche Integration. Oder es ist vielleicht umgekehrte Inklusion. Das heißt, dass sehende Menschen hier so eingegliedert werden in eine Welt, in der sehend oder blind nicht unbedingt die große Rolle spielt oder nicht den Ton angibt. Und so kann man wirklich richtige Integration auch üben.

Matthias Klaus: Das war "Echt behindert!" für heute. Mit mir im Podcast war aus Kerala in Südindien, Sabriye Tenberken. Es ging um Inklusion, um Behinderung im Vergleich zu Deutschland und Asien. Aber es ging auch um soziale Veränderungen und wie man soziale Veränderungen lernen kann.

Sabriye, ich danke dir sehr, dass du Zeit für uns hattest.

Sabriye Tenberken: Danke auch.

Matthias Klaus: das war "Echt behindert!" für heute. Mein Name ist Matthias Klaus.

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Hinweis der Redaktion: Dieses Transkript wurde unter Nutzung einer automatisierten Spracherkennungs-Software erstellt. Danach wurde es auf offensichtliche Fehler hin redaktionell bearbeitet. Der Text gibt das gesprochene Wort wieder, erfüllt aber nicht unsere Ansprüche an ein umfassend redigiertes Interview. Wir danken unseren Leserinnen und Lesern für das Verständnis.