Trainer "Made in Sachsen"
20. Juli 2015Die Fähnchen von 32 Ländern stehen auf den Tischen, Dolmetscher flüstern Übersetzungen in Arabisch, Englisch, Französisch und Spanisch in ihre Headsets, 52 junge Menschen hören aufmerksam zu, viele tragen Trainingsanzüge. Als Daniel Eckert-Lindhammer die Teilnehmer des Internationalen Trainerkurses an der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig begrüßt, ist es wie eine Einschulung für Erwachsene. Sporttaschen ersetzen die Schultüten, doch Vorfreude und Erwartungen sind ebenso groß.
Daniel Eckert-Lindhammer stimmt die Neuankömmlinge auf fünf intensive Monate ein. Und darauf, dass sie als "Botschafter des Sports" in ihre Heimatländer zurückkehren. Eckert-Lindhammer ist Geschäftsführer des Internationalen Trainerkurses (ITK) an der Universität Leipzig. Seine Zuhörer sind Trainer und Sportlehrer aus Entwicklungs- und Schwellenländern: arabische Fußballer, Leichtathleten aus Lateinamerika, Volleyballer und Behindertensportler aus Afrika.
Finanziert vom Auswärtigen Amt
Auf Einladung des Auswärtigen Amtes werden sie hier nach neuesten sportwissenschaftlichen Standards weitergebildet. Kein einfaches Unterfangen, denn so global der Sport mittlerweile auch ist, so unterschiedlich sind die Voraussetzungen, der Stipendiaten: "Bei uns entscheidet nicht immer der Lehrplan, ob ein Kurs erfolgreich ist, sondern der Experte und sein pädagogisches Können", so Eckert-Lindhammer. "Die Dozenten müssen sich jedes Semester neu den Teilnehmern anpassen. Denn jedes Land hat seine Eigenheiten und verschiedene Nationalitäten müssen unter einen Hut gebracht werden."
In der Regel arbeiten die Stipendiaten, die nach Leipzig kommen, in ihren Heimatländern bereits als Trainer oder Sportlehrer. Ein strenges Auswahlverfahren haben sie durchlaufen, sportlich durchleuchtet und mit Empfehlungen ihrer Verbände ausgestattet. Und doch müssen die Leipziger Dozenten manchmal ganz zurück an den Anfang, die Grundlagen vermitteln. Doch Geduld ist eine besondere Stärke der Leipziger Sport-Dozenten. Gelernt in fünf Jahrzehnten.
Gegründet im Kalten Krieg
Die ersten 28 Stipendiaten kamen mitten im Kalten Krieg aus Afrika und Asien zu einem Fußball-Kurs nach Leipzig. 1964 war das, als ost- und westdeutscher Sport gerade auseinanderdrifteten. Zum letzten Mal reiste eine gesamtdeutsche Mannschaft zu den Olympischen Spielen, damals nach Tokio. Die sportliche Teilung Deutschlands wurde in dieser Zeit zementiert. Die Leipziger nahmen von den Gästen aus der "Dritten Welt" kaum Notiz. Sie feierten stattdessen die BSG Chemie als neuen DDR-Fußball-Meister, ein Underdog und vor der Saison Abstiegskandidat Nummer Eins.
In diesem Umfeld waren die Internationalen Trainerkurse zunächst eines von vielen Projekten, mit dem die DDR um Anerkennung in der Welt warb. "Die beiden deutschen Staaten kämpften darum, wer mehr internationale Partner gewinnt", erklärt Daniel Eckert-Lindhammer. "Hier wurde sportwissenschaftliches Know-how vermittelt, um Partnerländer zu binden und internationale Beziehungen zu festigen. Nach außen waren die Trainerkurse in Leipzig unpolitisch, tatsächlich war der Sport in dem Fall aber hochpolitisch."
Auch wenn nicht alles, was im DDR-Sport lief, zur Nachahmung empfohlen wird, profitiert das Projekt noch immer von seiner DDR-Vergangenheit. Denn viele, die zwischen 1964 und 1989 zum Trainerkurs nach Leipzig kamen, haben später Karriere in ihren nationalen Sportverbänden gemacht: "Zu unseren Ehemaligen zählt Sam Ramsamy, ein Südafrikaner, der heute im IOC sitzt. 1973 war er Absolvent bei uns im Schwimmkurs", erzählt Eckert-Lindhammer. "Auch Hassan Moustafa, der Präsident des Welthandballverbandes, hat unser Programm durchlaufen. Insofern profitieren wir heute noch von den in der DDR ausgebildeten Trainern als Teil unseres Netzwerkes."
Austausch soll länderübergreifend sein
"Netzwerk" – dieser Begriff fällt häufig, unterhält man sich mit Eckert-Lindhammer und seinen Mitarbeitern. Seit er vor drei Jahren die Geschäftsführung übernommen hat, treibt Eckert-Lindhammer die Vernetzung ehemaliger Kursteilnehmer voran. In der Vergangenheit wurde darauf weniger Wert gelegt, umso mehr Arbeit liegt nun vor dem Team. Wie viel Leipziger Know-how steckt bereits in den Sportverbänden der Partnerländer? Das herauszufinden ist ein schwieriger Prozess.
Immerhin haben mittlerweile Trainer aus 146 Staaten das Programm durchlaufen, von Afghanistan bis Zambia, von Angola bis Vietnam. Und daher sieht Eckert-Lindhammer auch eine Hauptaufgabe darin, Nachhaltigkeit zu schaffen. Das Programm endet nicht mehr, wenn die Absolventen ihre Zertifikate in Händen halten. Vielmehr sollen die Leipziger Absoventen sich wie eine große Familie fühlen und entsprechend unterstützen. Daniel Eckert-Lindhammer hat dafür ein Idealbild: "Der Volleyballtrainer aus Simbabwe, der aus Leipzig nach Harare zurückkehrt, soll dort sofort auf eine Reihe anderer Volleyballtrainer treffen, die vor ihm in Leipzig gelernt haben und ein ähnliches Know-how besitzen. Er kann in so einem Kreis deutlich einfacher Verbesserungen vornehmen, als wenn er alleine um Veränderungen kämpft."
Doch auch länderübergreifend sollen sich die Absolventen austauschen. Ziel ist eine weltweite Partnerschaft der Sportwissenschaft: Die "Experts in Global Sports" mit Leipzig als Zentrum. Den Weg dahin sollen sogenannte Alumni-Camps ebnen: "Das erste Camp haben wir zum Schwerpunkt Fußball in Costa Rica angeboten", erinnert sich Eckert-Lindhammer. "25 Trainer aus zehn Ländern Süd- und Zentralamerikas waren dabei. Von unseren Experten gab es ein Update zu den neuesten sportwissenschaftlichen Erkenntnissen im Fußball. Noch wichtiger als der Unterricht war uns aber, dass sich die Alumni untereinander vernetzen. Das haben sie getan und künftig wollen sie sogar eigene Weiterbildungen im lateinamerikanischen Raum organisieren."
Mehr als 4000 Absolventen
Zu Vernetzen gibt es noch viele Trainer und Funktionäre: Auf die 28 Fußballer von 1964 damals folgten bis heute mehr als 4000 weitere Sportler. Im wiedervereinigten Deutschland sind die Lehrgänge Teil der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik des Auswärtigen Amtes.
Die 52 Teilnehmer, die Eckert-Lindhammer gerade noch im großen Hörsaal der Leipziger Universität begrüßt hat, sind längst ausgeschwirrt in die Krafträume und Sporthallen der Universität. „Damit sich die Trainer hier schnell einleben, stellen wir ihnen Mentoren an die Seite, zumeist deutsche Studierende, die die Sprache sprechen.“ Doch lange Eingewöhnungsphasen brauchen die ausländischen Gäste in der Regel nicht. Über den Sport finden sie schon nach wenigen Stunden zueinander, bilden schnell eingeschworene Gemeinschaften. Ein Phänomen, das Daniel Eckert-Lindhammer in allen Kursen beobachtet, unabhängig von Sportart, Herkunft und Sprache.