Tesla: Die Philosophie der Offenheit
13. Juni 2014Am Firmensitz von Tesla im kalifornischen Palo Alto gibt es eine Wand, an der bislang 140 glänzende Silber-Plaketten gehangen hatten – jetzt ist sie nackt und leer. Jede Plakette hatte ein Patent für das Vorzeigeprodukt der Firma repräsentiert: das Elektroauto. Ihr Fehlen ist das äußere Zeichen für den jüngsten Versuch der Firma, mehr Elektroautos auf die Straßen zu bringen.
Elon Musk, der junge und weithin respektierte Firmenchef von Tesla, hat in dieser Woche angekündigt, dass seine Firma alle Patente für die E-Mobility-Technologie abtreten werde. Damit wolle man andere Autobauer motivieren, mehr in die Entwicklung umweltfreundlicher Antriebe zu investieren.
Mehr Tempo beim Klimaschutz
In einem Blog-Beitrag hatte Musk am Donnerstag versprochen, alle Firmen-Patente jedermann zugänglich zu machen. Einzige Bedingung: Niemand dürfe auf Grund dieser Patente den Spieß umdrehen und seinerseits Tesla in einen juristischen Patentstreit verwickeln.
Der Grund für diesen Schritt läge auf der Hand: Es müssten, so Musk, effizientere Autos auf die Straßen kommen, um den Ausstoß von klimaschädlichen Abgasen zu reduzieren: "Wenn wir elektrische Fahrzeuge auf den Weg bringen, für andere den Weg aber gleichzeitig verminen, in dem wir auf unser geistiges Eigentum pochen, dann verhalten wir uns kontraproduktiv."
Er erklärte, die Entscheidung, die insgesamt 203 Patente, die Teslas Lithium-Ionen-Batterien und andere entscheidende Faktoren betreffen, offenzulegen, sei aus der Unzufriedenheit geboren: Die Geschwindigkeit bei der Entwicklung nachhaltiger Antriebe sei einfach zu langsam.
"E-Mobil-Programme bei den großen Autobauern sind viel zu klein – oder sie existieren praktisch gar nicht: Sie machen nur weniger als ein Prozent ihrer Verkäufe aus", so Musk. "Nimmt man an, dass die jährliche Neuwagen-Produktion bei rund 100 Millionen Autos liegt und dass derzeit etwa zwei Billionen Autos auf den Straßen unterwegs sind, sieht man, dass es für Tesla unmöglich ist, genug E-Autos zu bauen, um der Klima-Erwärmung begegnen zu können."
Keine Angst vor der Konkurrenz
Der Entschluss unterstreiche, worum es der Firma in Beziehung zu ihrer Konkurrenz gehe. Ängste, wonach große Autobauer die Tesla-Technologie stehlen und anschließend ihre Marktmacht ausnutzen, um Tesla zu überholen, "könnten falscher nicht sein", so Musk.
Musk gestand, dass er Patente immer als wichtigen Schutz für das geistige Eigentum gehalten habe. Inzwischen sei er aber zu der Überzeugung gelangt, dass dieser gesetzliche Schutz Innovationen ersticken würde. Seine Entscheidung ebnet den Weg, enger mit Tesla zusammenarbeiten zu können. Die Firma kooperiert bereits mit Daimler und Toyota, um Systeme in der E-Mobilität zu entwickeln.
Die wahre Herausforderung
Andere Autohersteller würden jetzt in die Lage versetzt, ihre eigenen E-Mobility-Pläne auch mit Hilfe von Tesla-Technologie weiter zu entwickeln. Dadurch könnte die Industrie leichter auf die Wünsche des Marktes reagieren. Verbrauchern werde schon seit langem versprochen, dass die Reichweite der Batterien zunähmen und die Ladezeiten kürzer würden – aber das seien bislang nur Versprechungen geblieben.
Tesla selbst hat auf diesen Gebieten bereits Fortschritte gemacht: Die Tesla-S-Limousine hat eine Reichweite von mehr als 350 Kilometern mit einer Batterieladung. An den rund 100 Ladestationen, die es bislang in den USA und Europa gibt, können die Fahrer eine leergefahrene Batterie in nur wenig mehr als 20 Minuten soweit aufladen, dass der Wagen weitere 150 bis 200 Kilometer fahren kann.
Ein weiteres Problem für die E-Mobilität sind die Kosten. Tesla ist eher für wohlhabende Kunden interessant, die S-Limousine kostet etwa 60.000 Euro. Für eine weitere Verbreitung von E-Autos - und als Motivation für die Industrie, mehr Ladestationen an großen Straßen oder in Ballungszentren zu errichten - müsse der Besitz eines E-Mobils wirtschaftlicher sein.
"Unser wahre Herausforderung sind nicht die wenigen E-Autos, die nicht von Tesla stammen", schreibt Tesla in seinem Blog. "Unsere Herausforderung sind die vielen, vielen Autos mit Verbrennungsmotor, die täglich von den Fließbändern der Autohersteller auf der ganzen Welt rollen."