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Komiker vor Gericht

Andreas Noll18. März 2015

Seine Auftritte sind durchsetzt von antisemitischen und rassistischen Ausfällen. Trotzdem zählt Dieudonné zu den bekanntesten Komikern Frankreichs. Jetzt soll der 49-Jährige wegen Terrorverherrlichung verurteilt werden.

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Dieudonné M'bala M'bala vor einem Gerichtsgebäude in Frankreich (Foto: AFP/Getty Images/L. Venance)
Bild: AFP/Getty Images/L. Venance

Erst kürzlich haben ihn seine Fans wieder gefeiert: Im südostfranzösischen Lyon füllte Dieudonné M‘bala M‘bala gleich an zwei Tagen hintereinander die mehr als 3000 Zuschauer fassende Arena. Dabei hatte der Präfekt den Komiker schon im Vorfeld zur unerwünschten Person erklärt. Rassenhass, Antisemitismus, Beleidigungen - der 49-Jährige, so sehen es französische Regierung und Justiz, ist mit seinen Auftritten eine Gefahr für den öffentlichen Frieden im Land. Bei seinen Fans allerdings kommen vor allem seine Angriffe gegen Juden gut an. Bei Facebook dürfte ihm sein überwiegend junges Publikum bald über die Marke von einer Million Fans helfen.

Phänomen Dieudonné

Der Sohn einer bretonischen Soziologin und eines kamerunischen Buchhalters wird heute von benachteiligten muslimischen Jugendlichen aus den Vorstädten, aber auch von Anhängern des rechtspopulistischen Front National und der extremen Linken gleichermaßen gefeiert. Dieudonné ist zur Symbolfigur für den Protest gegen die französischen Eliten geworden. Seine Abneigung gegen den Staat erklärt er mit einem angeblich über die Jahre gewachsenen Ungleichgewicht. Die Folgen des Sklavenhandels, die Benachteiligung der Schwarzen, so der Künstler, hätten in Frankreich nicht die gleiche Anteilnahme erfahren wie der Holocaust, der die Kultur des Landes seit Jahrzehnten präge und zu einer "Gedenk-Pornographie" geführt habe.

Politischer Seitenwechsel

Dieudonné selbst hat seine politische Laufbahn Ende der 1990er Jahre zunächst als linker Anti-Rassist begonnen, um dann aber ins Lager der extremen Rechten zu wechseln. Den Ehrenpräsidenten des Front National, Jean-Marie Le Pen, machte der katholisch erzogene Satiriker zum Taufpaten eines seiner fünf Kinder. Aber nicht nur zu Le Pen, der die Gaskammern in Auschwitz einmal ein "Detail der Geschichte" nannte, sucht Dieudonné die Nähe. Mit Robert Faurisson holte er einen weltweit bekannten Holocaust-Leugner zu sich auf die Bühne und ließ ihm durch einen Mitarbeiter in KZ-Kleidung eine Medaille verleihen.

Der französische Staat steht den Provokationen des Komikers oftmals hilflos gegenüber. Bereits mehrfach haben ihn Gerichte wegen Rassenhass, Beleidigung oder Antisemitismus zu hohen Geldstrafen verurteilt. Als Innenminister initiierte der heutige Regierungschef Manuel Valls gar ein Verbot von Dieudonnés Bühnenprogramm "Le mur" (Die Mauer). Auch die Aufführung seines Nachfolgeprogramms versuchen Kommunen regelmäßig zu verhindern - seiner Popularität tut dies allerdings keinen Abbruch. Im Gegenteil. Mit jedem neuen Gerichtsverfahren, so scheint es, wächst die Zahl seiner Anhänger. Viele sehen in den Prozessen einen weiteren Beweis für Zensur und einen Staat, der mit zweierlei Maß misst.

Der Komiker bedient Neid- und Hassreflexe

Wie schwer sich Frankreich mit der juristischen Auseinandersetzung tut, zeigt auch die Debatte um eine von Dieudonné erfundene Geste, die an den Hitlergruß erinnert: "la quenelle". Dabei wird ein Arm dem Körper entlang nach unten gestreckt, während der andere auf die Brust gelegt wird. Seit mehreren Jahren schon sorgt dieser Gruß für heftige Debatten in Frankreich. Während Dieudonné die Geste als Protest gegen "das System" verstanden wissen will, sehen viele Beobachter darin vor allem ein antisemitisches Symbol. Als Dieudonné 2009 mit der von ihm gegründeten "antizionistischen Partei" in den Wahlkampf für das Europaparlament zog, präsentierte er sich auf Plakaten in Quenelle-Haltung.

Dieudonné M'bala M'bala in der Quenelle-Haltung (Foto: AFP/Getty Images/P. Kovarik)
Dieudonné M'bala M'bala in der Quenelle-HaltungBild: AFP/Getty Images/P. Kovarik

Während der Gruß juristisch nur schwer zu ahnden ist, kann er gleichwohl spürbare Konsequenzen haben. Als der französische Fußball-Star Nicolas Anelka ein Tor mit Quenelle-Jubel feierte, wurde er von seinem britischen Verein zunächst suspendiert und später entlassen. Auch französische Soldaten, die den Gruß vor einer jüdischen Einrichtung gezeigt hatten, wurden bestraft. Trotzdem ist der Quenelle-Gruß nicht aus dem französischen Straßenbild verschwunden. Auf seiner Facebook-Seite postet Dieudonné mit Vorliebe Fotos von Fans, die sich mit Prominenten fotografieren lassen und dabei von ihnen unbemerkt den Quenelle-Gruß zeigen. Für sein neues Bühnenprogramm ruft der Komiker in diesen Tagen auch dazu auf, Gag-Ideen im Internet unter dem Stichwort "Quenelle" zu posten.

"Botschaft des Friedens"

Wie sehr Dieudonné auf ständige Provokationen setzt, zeigt auch der Fall eines Facebook-Eintrags, über dessen Strafbarkeit an diesem Mittwoch ein Pariser Gericht entscheiden muss. Als sich im Januar in der Hauptstadt mehrere Millionen Menschen zu einem Gedenkmarsch für die Opfer der Charlie-Hebdo-Anschläge versammelt hatten, veröffentlichte Dieudonné im Internet die Bemerkung "Ich bin Charlie Coulibaly". Die Verballhornung des Solidaritätsslogans "Ich bin Charlie" mit dem Namen des Attentäters, der zunächst eine Polizistin und am Tag darauf vier Juden in einem koscheren Lebensmittelladen erschoss, erfüllt für die Staatsanwaltschaft den Tatbestand der Terrorverherrlichung.

Er selbst habe, so Dieudonné in seiner Verteidigung vor Gericht, an dem Trauermarsch teilnehmen wollen, aber keine Reaktion auf eine entsprechende Anfrage an das Innenministerium erhalten. Er habe sich daher "ausgeschlossen" und "wie ein Terrorist" behandelt gefühlt. Seine Botschaft auf Facebook, sei allerdings eine "Botschaft des Friedens" gewesen, so Dieudonné, der mit dieser Einlassung die Staatsanwaltschaft nicht überzeugen konnte.

Geldstrafe wahrscheinlich

Nachdem die Justizministerin die Gerichte aufgefordert hat, den Tatbestand der "Terrorverherrlichung" streng auszulegen und in dessen Folge sogar ein Achtjähriger in Untersuchungshaft genommen wurde, ist eine Verurteilung des Komikers zu einer Geldstrafe von bis zu 30.000 Euro sehr wahrscheinlich.

Am Donnerstag wird ein anderes Gericht ein weiteres Urteil über die Grenzen der Meinungsfreiheit sprechen. Im Januar 2014 hatte Dieudonné in dem später verbotenen Bühnenprogramm "Le mur" den Radiojournalisten Patrick Cohen verhöhnt: "Wenn ich an Cohen denke, kommen mir unweigerlich die Gaskammern in den Sinn, eigentlich schade." Diese Äußerung, so Dieudonné, sei in einem "allgemeinen Kontext" eines Streits zwischen beiden zu verstehen, nachdem der Journalist ihn als "krankes Hirn" bezeichnet und nicht zu seiner Sendung eingeladen habe.

Dieudonné M'bala M'bala Komiker steht auf der Bühne unter einem Torbogen, der aus überdimensionalen Würfen besteht (Foto: AFP/Getty Images/A. Jocard)
Dieudonné M'bala M'bala während seines Bühnenprogramms "Le mur"Bild: AFP/Getty Images/A. Jocard

Auch in diesem Fall ist eine Verurteilung zu einer Geldstrafe wahrscheinlich. Ende März wird der Komiker dann voraussichtlich in Avignon und Toulon wieder auf der Bühne stehen.