Al-Shabaab bedroht Ostafrika
24. September 2013Bürgerkrieg, das ist seit zwei Jahrzehnten der Normalzustand in Somalia. Seit Diktator Siad Barre 1991 gestürzt wurde, kämpfen lokale Warlords im ganzen Land um die Macht. Tausende Menschen kamen seitdem ums Leben. 1995 scheiterte eine erste UN-Intervention.
Auf der Suche nach einem normalen Leben wandten sich die mehrheitlich muslimischen Somali religiösen Autoritäten zu. Islamische Gerichtshöfe etablierten sich auf lokaler Ebene und sorgten nach langer Zeit wieder für Recht und Ordnung. Der Zusammenschluss dieser Scharia-Gerichte, die Union Islamischer Gerichte (ICU), verjagten die Warlords aus der Hauptstadt Mogadischu und übernahmen 2006 die Regierungsgewalt. Zudem drohte ein radikaler Teil der ICU mit der Eroberung des Ogaden-Gebietes in Äthiopien.
Äthiopien reagierte mit einer Militär-Intervention mit Unterstützung der USA - und vertrieb die ICU. Doch auch der zweite militärische Eingriff von außen wurde von weiten Teilen der somalischen Bevölkerung erneut kritisch gesehen. "Das war der Moment, in dem die kleine radikale Gruppe Al-Shabaab durch ihren Widerstand populär wurde", sagt Markus Höhne, der seit zwölf Jahren am Max-Planck-Institut in Halle zu Somalia forscht. "Dass diese kleinen radikalen Splittergruppen zu so einem Ansehen gekommen sind, hat sehr viel mit der vollkommen fehlgeleiteten Terrorismusbekämpfung in Somalia zu tun", so Höhne.
Kämpfer aus den USA und Deutschland
2009 zogen sich die äthiopischen Truppen zurück. Der Kampf zwischen Al-Shabaab und der neuen somalischen Übergangsregierung ging weiter. Spätestens jetzt wurde der Bevölkerung klar: Al-Shabaab hat viele Gesichter, ist keine homogene Gruppe. Der radikale Teil geht mit Anschlägen gegen die eigene Bevölkerung vor, setzt in willkürlicher Auslegung brutal die Scharia durch. "Der andere Teil von Al-Shabaab ist der Gruppe nur gefolgt, weil es die Einzigen waren, die zwischenzeitlich Ordnung, Gesetze, Frieden und Stabilität auf die Beine stellten", so Mehari Maru vom Institut für Sicherheitsstudien in Addis Abeba im DW-Interview. "Die haben die Gruppe mittlerweile verlassen. Aber der verbleibende Teil ist international ausgerichtet. Er ist inspiriert und gesteuert von Al-Kaida."
Agenturberichten zufolge liegen dem US-Justizministerium Informationen vor, dass Al-Shabaab schon seit 2007 Kämpfer in den USA rekrutiert. 2012 fahndet die kenianische Polizei auch nach einem Deutschen, der Verbindungen zu Al-Shabaab haben soll. Finanzielle Unterstützung bekommt die Gruppe aus dem Nahen Osten, meint Mehari Maru: "Das sind stark ideologisch denkende Individuen, die sehr viel Geld haben und Al-Shabaab finanziell unterstützen." Waffen bekomme man am Horn von Afrika ohnehin überall problemlos - solange man das nötige Geld dafür habe, meint Maru weiter.
"Al-Shabaab gefährlicher denn je"
2011 verlor Al-Shabaab in Somalia jedoch an Boden. Kenias Regierung hatte sich in den Konflikt eingeschaltet und der Gruppe den Krieg erklärt, nachdem die Milizen für die Entführung von Ausländern in Kenia verantwortlich gemacht wurden. Al-Shabaab reagierte mit Anschlägen in Kenia und Somalia. Vorläufiger Höhepunkt: Der Anschlag auf das Einkaufszentrum Westgate in Nairobi am Samstag (21.09.2013).
Für Markus Höhne hat sich in den vergangenen Monaten eine radikale Strömung durchgesetzt, der weniger die Somalis wichtig sind, sondern vielmehr der globale Dschihad. "Insofern ist Al-Shabaab noch lange nicht besiegt, sondern gefährlicher denn je", so Höhne weiter. Mehari Maru vom Institut für Sicherheitsstudien sieht Al-Shabaab hingegen geschwächt. Während die Gruppe vor ein paar Jahren noch weite Teile Somalias kontrollierte, konzentriere sie sich nun nur noch auf einzelne Anschläge. Er gibt jedoch zu bedenken: Die radikalislamistische Ideologie von Al-Shabaab kennt keine Landesgrenzen und ist somit eine weltweite Bedrohung.