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Teherans kühle Syrien-Strategie

Benjamin Knight / mk30. August 2013

Ein Militärschlag des Westens in Syrien hätte Auswirkungen auf die gesamte Region. Besonders im Iran schrillen daher auch offiziell die Alarmglocken. Doch am Ende wird Teheran sich nicht aus der Ruhe bringen lassen.

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Irans Oberster Religiöser Führer, Ajatollah Ali Chamenei und Syriens Präsident Baschar al-Assad (Foto: AP)
Bild: AP

Nach dem mutmaßlichen Chemiewaffenangriff in Syrien vorige Woche (21.08.2013) sah es so aus, als hätten die USA und ihre Verbündeten keine andere Option als militärisch gegen Präsident Baschar al-Assad und sein Regime vorzugehen. Mit dem Einsatz von chemischen oder biologischen Waffen gegen Zivilisten war die "rote Linie" eindeutig überschritten worden, die US-Präsident Barack Obama vor ziemlich genau einem Jahr gezogen hatte.

Analysten sind sich einig, dass es vermutlich nur einen begrenzten US-Schlag gegen Syrien geben wird. Das könnte zum Beispiel der Beschuss eines Regierungsgebäudes in Damaskus mit einem Marschflugkörper sein. Aber selbst eine "rein symbolische" Attacke könnte ernsthafte Konsequenzen für die gesamte Region haben.

Irans Präsident Rohani (Foto: Mehr) ??
Präsident Rohani will den Iran aus der internationalen Isolation führenBild: Mehr

"Wenn es erstmal zu einer solchen Militäraktion kommt, sind die Folgen viel schwerer vorherzusagen", sagt Paul Rogers, Sicherheitsexperte für die britische Denkfabrik Oxford Research Group im Gespräch mit der DW. "Selbst wenn es sich um einen symbolischen Angriff handelt, würde das im Mittleren Osten als weiteres Beispiel für eine Einmischung des Westens angesehen."

Hayder al-Khoei vom Londoner Center for Academic Shi'a Studies befürchtet, ein Militärschlag werde nur gängige Überzeugungen festigen. Der Westen beziehe einseitig Stellung in einem brutalen Kampf zwischen religiösen Gruppen, der weit über Syrien hinaus wirke.

Sonderfall Iran

Ein Land, in dem die Reaktion besonders brisant ausfallen könnte, ist der Iran, Syriens engster Verbündeter in der Region und Erzfeind der USA. Mit Hassan Rohani ist bei den jüngsten Wahlen ein "moderater" Kandidat ins Präsidentenamt gekommen. Nach Ansicht vieler Beobachter könnte er das Gespräch mit dem Westen suchen, um den Iran aus der internationalen Isolation zu befreien.

"Aber wenn es zu einem US-Angriff auf einen Verbündeten des Iran kommen sollte, werden die 'Falken' in Teheran sagen, man dürfe auf keinen Fall mit den Amerikanern verhandeln und brauche unbedingt eigene Atomwaffen", so Rogers.

Nach Ansicht von Arshin Adib-Moghaddam, Dozent für Internationale Beziehungen an der Universität London, dürfte ein Angriff auf Syrien nur geringe Auswirkungen auf die Innenpolitik im Iran haben. Aber, so der Autor eines bald erscheinenden Buches über die arabischen Aufstände und die iranische Revolution, das mache einen Militärschlag nicht automatisch zu einer guten Idee. "Das würde Rohani innenpolitisch nicht notwendigerweise schwächen, aber es würde viel schwieriger, den Iran einzubeziehen", so Adib-Moghaddam. "Ein Krieg gegen Syrien wäre eine weitere große strategische Torheit."

US-Präsident Barack Obama (Foto: Reuters)
Die USA haben im Mittleren Osten nicht viel zu sagenBild: Reuters

Hayder al-Khoei formuliert es noch unverblümter: "Ein iranischer Geistlicher sagte mir kürzlich: 'Wenn Assad fällt, werden die Iraner zu Fuß in Syrien einmarschieren.'"

Machtloses Amerika

Der Iran-Experte Walter Posch von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) hält derart dramatische Konsequenzen dagegen nicht für wahrscheinlich: "Ich habe den Eindruck, dass die Iraner [über das Vorgehen] informiert wurden oder dass es irgendeine Art von indirekter Kommunikation zwischen den USA und dem Iran über den Sultan von Oman gibt." Zwei Tage zuvor sei der Sultan im Iran gewesen und habe eine sehr lange Diskussion mit Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei über die Sicherheit in der Region geführt.

Posch ist der Ansicht, dass die iranischen Diplomaten umsichtiger sind als allgemein angenommen wird. Er glaubt, dass sie sich keine großen Sorgen über einen möglichen Militärschlag machen: "Es wird die übliche Verurteilung geben, na und? Aber was soll man denn überhaupt bombardieren?" fragt Posch. "Damaskus ist doch bereits fast vollständig zerstört."

Syrien habe schon immer eine ausgeklügelte Balance zwischen dem Iran und Saudi-Arabien gehalten. Der Bürgerkrieg in Syrien habe alle Anzeichen eines Kampfes zwischen verschiedenen Glaubensrichtungen. Mit einer rhetorischen Frage skizziert Posch das Grundproblem: "Denken Sie wirklich, dass der Westen in diesem inner-islamischen Konflikt irgendetwas zu sagen hat?"

Die USA sind sich nach Ansicht des Iran-Experten ihrer Machtlosigkeit im Mittleren Osten sehr wohl bewusst: "Obama weiß, dass er dort eigentlich nichts ausrichten kann", sagt er im Gespräch mit der DW. "Wir wissen spätestens seit Libyen, dass die Amerikaner nach einem militärischen Angriff ein Land weder kontrollieren noch seine Politik maßgeblich beeinflussen können."

Iranischer Plan B

Das weiß auch der Iran. Teheran hat aus seiner Erfahrung mit dem Irak aus dem sogenannten Ersten Golfkrieg (1980-1988) gelernt, dass westlicher Einfluss auch wieder entrissen werden kann. "Der Iran bereitet sich bereits auf die Zeit nach Assad vor, wenn es in Syrien erst richtig losgeht", sagt Posch. Dazu gehöre unter anderem der Aufbau lokaler Milizen. "Wenn Assad weg ist, geht möglicherweise der Bürgerkrieg in Syrien nur in eine neue Phase."

Syriens Präsident Baschar al-Assad (Foto: Reuters/SANA)
Der Iran hat Plan B für ein Syrien ohne Präsident AssadBild: REUTERS/SANA

Öffentlich werde der Iran weiter an der Seite Assads stehen. Teheran werde gegen das westliche Vorgehen protestieren, aber eine Konfrontation mit den USA und den Europäern vermeiden, so Posch. Natürlich würden sie es bevorzugen, wenn Assad im Amt bliebe. "Aber letztlich werden sie das aussitzen, denn sie haben schon einen Plan B."

Außerdem sei die öffentliche Meinung im Iran gar nicht einmal so Assad-freundlich, sagt Posch. "Die 'guten Moslems' halten es für eine Schande, mit jemandem von der Baath-Partei gemeinsame Sache zu machen, die den Islam von jeher unterdrückt hat." Letztlich sei es nur der Sicherheitsapparat, der ein persönliches Interesse habe: "Die Leute glauben, dass sie Syrien, Assad und die Hisbollah brauchen, um Druck auf Israel auszuüben. Das ist eine wichtige Gruppe, und der Oberste Religiöse Führer gehört dazu, aber die iranische Bevölkerung? Nein, da werden vielleicht einige panisch reagieren, aber alles in allem glaube ich nicht, dass es zu einer großen Reaktion kommen wird."