1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikTürkei

Türkische Unternehmen hoffen auf gutes Geschäft in Syrien

27. Januar 2025

Nach dem Syrien-Krieg steht die Türkei wie ein politischer Gewinner da. Nun setzt die türkische Wirtschaft auf eine verstärkte Zusammenarbeit und lukrative Geschäfte beim Wiederaufbau des Bürgerkriegslandes.

https://p.dw.com/p/4pZ6o
Zwei Männer arbeiten in den Trümmern ihrer zerstörten Häuser
In Syrien ist die Zerstörung durch den Bürgerkrieg immens und die Armut hat sich mehr als verfünffacht. Bild: DW

Seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs hat die Türkei weit mehr als drei Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. Die größte Zahl wurde im Jahr 2021 mit rund 3,8 Millionen Menschen erreicht. Derzeit sind noch rund 2,9 Millionen Geflüchtete im Land registriert. Nach Angaben des türkischen Innenministers Ali Yerlikaya sind zwischen 2016 und 2024 etwa 730.000 Syrer in ihre Heimat zurückgekehrt.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat sich seit den Protesten gegen das Assad-Regime im Jahr 2011 klar auf die Seite der syrischen Opposition gestellt. Diese konnte ihre Arbeit vom türkischen Exil aus fortsetzen. Die türkische Wirtschaft profitierte von den Flüchtlingen als billige Arbeitskraft, syrische Studierende erhielten Zugang zu türkischen Hochschulen.

Trotz zahlreicher politischer und wirtschaftlicher Krisen in der Türkei hielt Ankara an seiner Unterstützung für die syrische Opposition fest, auch als die Stimmung im Land kippte und die Ablehnung gegenüber syrischen Flüchtlingen zunahm. Nach 14 Jahren will die AKP-Regierung nun die Früchte ihrer Bemühungen einfahren.

Der syrische Außenminister al-Schaibani wurde im Präsidentenpalast von Erdogan empfangen. In der Mitte Erdogan, rechts sitzt sein Amtskollege Fidan.
Der neue syrische Außenminister al-Shaibani reiste Mitte Januar in die Türkei und wurde dort auch vom türkischen Präsidenten Erdogan empfangen. Dort hat er auch studiert.Bild: ANKA

Türkische Firmen hoffen auf lukrative Geschäfte

Nach Angaben von Abdallah Al Dardari, dem Regionaldirektor für die arabischen Staaten beim Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP), ist das Bruttoinlandsprodukt Syriens von 62 Milliarden Dollar auf nur noch 8 Milliarden Dollar geschrumpft. Die Armut ist von 12 auf 65 Prozent gestiegen. Der Wiederaufbau wird nach Dardaris Angaben rund 400 Milliarden Dollar kosten.

Angesichts dieser enormen Herausforderung sieht sich Ankara in einer Schlüsselposition, um am Wiederaufbau Syriens mitzuwirken. Die türkische Regierung unterhält bereits gute Beziehungen zu den neuen Machthabern in Damaskus und hofft in Sektoren wie Energie, Stahl, Bau, Textil, Möbel, Chemie und Lebensmittel mitmischen zu können.

Mustafa Gültepe, Vorsitzender der Versammlung der türkischen Exporteure (TİM), betont jedoch zunächst die Notwendigkeit humanitärer Hilfe. Syrien sei sozial und wirtschaftlich am Boden, fast ein Drittel der Bevölkerung sei ins Ausland geflüchtet. Die Herstellung politischer Stabilität werde noch viel Zeit in Anspruch nehmen. Daher müsse sich die türkische Wirtschaft zunächst auf den Wiederaufbau der notwendigen Infrastruktur konzentrieren. "Was unser Nachbarland von uns benötigt, wollen wir auch gerne leisten", so Gültepe.

Im Dezember an der türkisch-syrischen Grenze Kilis. Vor allem viele junge Syrer kehren in die Heimat zurück.
Nach Angaben des türkischen Innenministers Yerlikaya sind in den ersten vier Wochen nach dem Sturz des Assad-Regimes rund 53.000 Syrer in ihre Heimat zurückgekehrt.Bild: Khalil Hamra/AP Photo/picture alliance

Türkische Exporte trotz Krieg

Vor dem syrischen Bürgerkrieg lag das Handelsvolumen zwischen der Türkei und Syrien bei 1,5 Milliarden US-Dollar, angepeilt war eine Steigerung auf fünf Milliarden. Nachdem sich Erdogan auf die Seite der Opposition gestellt hat und die Beziehungen zwischen ihm und dem Assad-Regime zerbrochen waren, rückte dieses Ziel in weite Ferne.

Dennoch rissen die Wirtschaftsbeziehungen nicht vollständig ab. Trotz der zunehmenden Spannungen zwischen Ankara und Damaskus überstiegen die türkischen Exporte nach Syrien in den Jahren 2021 bis 2023 jeweils 2 Milliarden US-Dollar. Im vergangenen Jahr wurden vor allem Getreide, chemische Produkte, Elektronik, Stahl und Meeresfrüchte nach Syrien exportiert.

Gültepe ist zuversichtlich, dass die Wirtschaftsbeziehungen nach der Bildung einer stabilen Regierung in Syrien einen starken Aufschwung erleben werden.

Derzeit sind nach offiziellen Angaben 2,9 Millionen Syrer in der Türkei registriert. Tausende leben weiterhin in Flüchtlingscamps wie im Foto in Gaziantep. Weiße Zelte und kleine Kinder sind zu sehen.
Derzeit sind nach offiziellen Angaben 2,9 Millionen Syrer in der Türkei registriert. Im Fotos sind Geflüchtete, die in Flüchtlingscamps in Gaziantep leben. Bild: OZAN KOSE/AFP

Auch die türkische Stahlindustrie sieht großes Potenzial in Syrien. Veysel Yayan, Generalsekretär des Verbandes türkischer Stahlhersteller, schätzt den Bedarf für den Wiederaufbau auf zwei bis drei Millionen Tonnen. Insbesondere für die Infrastruktur sei Stahl unerlässlich. Die geografische Nähe der türkischen Stahlindustrie biete logistische Vorteile und Kosteneinsparungen, die große Stahlfabrik in Iskenderun liege nur 400 Kilometer von Syrien entfernt.

Hoffnungen auf ein wirtschaftliches Frühjahr in Syrien

Obwohl die türkischen Unternehmen ein großes Potenzial im Land sehen, herrscht derzeit noch eine gewisse Zurückhaltung. Erst im Frühjahr planen die Unternehmen neue Aktivitäten, falls die Übergangsregierung bis dahin eine gewisse Stabilität hergestellt hat. In einer ersten Phase wollen türkische Firmen auf Kooperationen mit lokalen Partnern setzen, insbesondere mit solchen, die gute Beziehungen zum neuen Regime haben. Diese sollen als Brückenbauer dienen und die Risiken für türkische Investoren minimieren.

Syrische Männer bergen Metall aus den Trümmer eines zerstörten Gebäudes in Syrien. Wiedergewinnung des Metalls aus dem Schrott wird für den Wiederaufbau unabdingbar sein.
Nach Schätzungen des Verbandes türkischer Stahlhersteller wird für den Wiederaufbau zwei bis drei Millionen Tonnen Stahl gebraucht.Bild: Anas Alkharboutli/dpa/picture alliance

Murat Akyüz, Vorsitzender der Istanbuler Exporteure für chemische Erzeugnisse, sieht in den syrischen Rückkehrern wichtige Partner für türkische Unternehmen. Sie würden sowohl den türkischen als auch den syrischen Markt kennen und so als Bindeglied zwischen beiden Ländern fungieren, sagt er.

Auch die Regierung signalisiert großes Interesse an einer raschen Wiederbelebung der Wirtschaftsbeziehungen. Energieminister Alparslan Bayraktar wird in Kürze mit einer Delegation nach Damaskus reisen, um die Möglichkeiten von Energiepartnerschaften zu erkunden. Handelsminister Ömer Bolat sandte am Donnerstag seinen Stellvertreter Mustafa Tuzcu mit einer Delegation nach Damaskus, um Verhandlungen über eine verstärkte Zusammenarbeit aufzunehmen. Die Gespräche führten nach Regierungsangaben zu zahlreichen Vereinbarungen, die den Handel und die Investitionen zwischen beiden Ländern erleichtern sollen.

Vorerst trüben aber die jüngsten Zollmaßnahmen der syrischen Übergangsregierung die Aussichten für türkische Exporteure. Durch die Vereinheitlichung der Zollverfahren an allen Landesgrenzen sind die Zölle für türkische Waren um bis zu 500 Prozent gestiegen. Das schränkt die Wettbewerbsfähigkeit türkischer Produkte auf dem syrischen Markt stark ein.

Syrien: Gewinner Erdogan und die Türkei?

Elmas Topcu | Journalistin
Elmas Topcu Reporterin und Redakteurin mit Blick auf die Türkei und deutsch-türkische Beziehungen@topcuelmas