Südsudanesen kehren aus dem Norden zurück
7. Januar 2011Am Ufer des Nils, nicht weit von der Schiffsanlegestelle am Hafen, campen hunderte Sudanesen. Nach einer dreiwöchigen Reise mit dem Schiff auf dem Nil sind sie buchstäblich hier im Hafen von Südsudans Hauptstadt Juba gestrandet – mit all ihren Habseligkeiten. Im Hintergrund knattern die Motoren der Transportschiffe, die weitere Ankömmlinge abliefern.
Leben am Hafen
Zwischen all den provisorisch errichteten Schlafstätten liegt Angelo Loki auf seinem Bett, einem Metallgestell mit Schaumstoffmatratze. Seelenruhig betrachtet er das Treiben um sich herum. Neben ihm steht ein Kleiderständer, an dem er seine Jacke aufgehängt hat. Koffer, Kisten und Wasserkanister hat er am Fußende des Bettes aufgetürmt – mit seinem ganzen Hausrat ist Loki vor drei Wochen in Sudans Hauptstadt Karthoum im Norden aufgebrochen, erzählt er.
Man habe ihm im Norden gesagt, dass sich der Süden nun bald unabhängig machen werde. "Das Leben für uns Südsudanesen im Norden wird immer schwieriger", sagt Loki. Die Regierung im Süden hatte zugesagt, dass alle Südsudanesen in ihre Heimat zurückkehren können. "Deswegen habe ich mich entschieden, mich auf den Weg in mein Land zu machen", sagt er.
Hoffen auf besseres Leben
Die Entscheidung ist dem 55-Jährigen nicht leicht gefallen. Er lebte in Karthoum seit er ein kleiner Junge war, ist dort aufgewachsen, zur Schule gegangen, hat eine Nordsudanesin geheiratet und mit ihr fünf Söhne bekommen. Er hatte als Mechaniker einen guten Job und ein festes Einkommen. Seine Frau und Kinder musste er nun zurück lassen. Die Bootsfahrt hat ihn sein ganzes Erspartes gekostet, für die Kinder hätte das Geld nicht ausgereicht. Er kramt seinen Reisepass aus dem Koffer, darin sind die Passbilder seiner Söhne eingeklebt. Er hoffe, dass seine Kinder irgendwann im Süden ein besseres Leben haben werden, sagt er.
Er sei für die Unabhängigkeit. Der Grund: "Ich habe die Kriege erlebt, die in unserem Land tobten. Die Araber haben uns Südsudanesen schlimme Dinge angetan. Sie haben unsere Menschenrechte und unsere Würde verletzt", sagt Loki. Er hofft nun, dass er gemeinsam mit seiner Frau und seinen Kindern nach dem Referendum im Süden friedlich leben wird.
Abstimmung mit den Füßen
Auch wenn Loki wie die meisten der Rückkehrer zu spät im Süden angekommen ist, um sich für das Referendum zu registrieren und eine Wählerkarte zu erhalten, so ist es trotzdem eine Abstimmung mit den Füßen. Der Sudan galt während des 20-jährigen Bürgerkrieges mit über vier Millionen Flüchtlingen als das Land in Afrika mit den meisten Flüchtlingen. Viele sind in die Nachbarländer oder sogar nach Europa, die USA, Kanada und bis nach Australien geflohen. Die UNO Friedensmission geht davon aus, dass rund 1,5 Millionen Südsudanesen im Norden leben. Davon seien über 50.000 bereits zurück gekehrt und es werden täglich mehr. Die UNO sei in Zusammenarbeit mit Südsudans Regierung bemüht, Rückkehrer wie Loki zu unterstützen, bestätigt Lise Grande von der UN-Mission im Südsudan.
Die UN werde Lebensmittelrationen, Zelte, Santitäranlagen und Medikamente zur Verfügung stellen. Doch nach wie vor sei es die Aufgabe der Regierung, den Rückkehrern sichere und würdevolle Bedingungen zu liefern, betont Grande. "Wir haben in New York 30 Millionen Dollar beantragt, die wir dringend benötigen", sagt sie. Einige Kinder hätten sich mit Masern infiziert, es würden dringend Impfstoffe benötigt, um eine Epidemie zu verhindern. "Außerdem wollen wir Flüchtlingscamps vermeiden, deswegen liefern wir die Hilfsgüter in die Dörfer, in denen die Rückkehrer ankommen und nicht in die Zwischenlager", erklärt sie.
Land in Aufbruchstimmung
Im Südsudan ist es derzeit nicht zu übersehen: Das ganze Land ist in Aufbruchsstimmung – begeistert über die mögliche Unabhängigkeit, aber auch besorgt um die Zukunft. Am Sonntag beginnt die einwöchige Wahlperioden, in der die rund vier Millionen registrierten Wähler über das Schicksal ihres Landes abstimmen dürfen.
Autorin: Simone Schlindwein
Redaktion: Katrin Ogunsade