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KonflikteSyrien

HTS: Neue Machthaber in Syrien bringen EU in Dilemma

Anchal Vohra
18. Dezember 2024

Die EU hat den Sturz des syrischen Diktators Assad begrüßt. Doch die Rebellen der HTS, die das vollbracht haben, werden als islamistische Terroristen eingestuft. Wie sollen die EU-Staaten sich zu der Gruppe verhalten?

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Rebellenkämpfer mit Maschinengewehr vor der Zitadelle von Aleppo
Nach 14 Jahren Bürgerkrieg dauerte die Rebellenoffensive, die Präsident Assad zu Fall brachte, weniger als zwei WochenBild: AFP via Getty Images

Die Europäische Union wurde, wie der Großteil der internationalen Gemeinschaft, davon überrascht, wie schnell das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad unter den Angriffen der von der Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) geführten Rebellen zusammenbrach. Für die Formulierung einer angemessenen Reaktion blieb kaum Zeit.

Zwar begrüßte die EU den Sturz Assads, sie ist jedoch noch unsicher, wie sie mit der Rebellengruppe und ihrem 42-jährigen Anführer Abu Mohammed al-Dschulani, bürgerlich Ahmed al-Scharaa, umgehen soll. Seine HTS war ehemals eng mit der Terrororganisation Al-Kaida verbunden. Die Vereinten Nationen, die USA und andere westlichen Regierungen stufen die extremistische islamistische Gruppierung als terroristische Vereinigung ein.

Syrien Damaskus Abu Mohammed al-Dschulani Ahmad al-Sharaa
Abu Mohammed al-Dschulani hatte früher Verbindungen zum IS und zu Al-Kaida, sagte sich aber 2016 von der Gruppe losBild: Omar Albam/AP/dpa/picture alliance

Der Umgang mit Al-Dschulani und seiner Rebellengruppe stellt die EU vor zahlreiche Herausforderungen. 

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Ein kurzer Blick auf Al-Dschulanis Lebenslauf erklärt die Zurückhaltung der EU. Er schloss sich Al-Kaida an, um die US-Truppen im Irak zu bekämpfen. Während seiner Inhaftierung in Camp Bucca, einst das größte US-Gefangenenlager im Irak, traf er auf Mitglieder anderer Dschihadistengruppen, die eine globale Agenda verfolgten.

In einem vor einigen Jahren mit dem US-amerikanischen Sender PBS geführten Interview gab Al-Dschulani zu, dass er bei seiner Rückkehr nach Syrien finanzielle Unterstützung durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) erhielt, der zu diesem Zeitpunkt weite Teile des Iraks und Syriens besetzt hielt.

Bei Revierkämpfen, in denen Al-Kaida und der IS um Einfluss rangen, schlug er sich auf die Seite Al-Kaidas. 2016 jedoch kappte Al-Dschulani seine Verbindungen zu Al-Kaida und positionierte sich als nationalistischer Islamist, der das Ziel verfolgte, Assad zu stürzen.

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Dieses Ziel hat Al-Dschulani nun erreicht. Gegenwärtig kontrolliert er die Regionen in Syrien, die noch von Assad regiert wurden. Doch er ist noch immer ein gesuchter Mann. Die USA haben eine Belohnung in Höhe von zehn Millionen US-Dollar (9,5 Millionen Euro) ausgesetzt für Informationen, die zu seiner Gefangennahme führen. Nach Meinung mancher Experten könnte es jedoch an der Zeit sein, die Einstufung von Al-Dschulani und der HTS als Terroristen aufzuheben - wenn auch unter bestimmten Bedingungen.

"Die Aufhebung einer solchen Einstufung ist komplex und aufwändig", schreibt Charles Lister, Direktor des Syrien-Programms des Middle East Institute in Washington, auf X. "Nach meinen Informationen wird die HTS eine Reihe von Bedingungen erfüllen müssen, darunter militärische, politische und regierungspolitische Reformen. Außerdem wird sie Schritte unternehmen müssen, um Verantwortung für bereits dokumentierte Verbrechen zu übernehmen."

HTS werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen

Laut einem im September veröffentlichten Bericht der UN protestieren Syrer in der von der Haiat Tahrir al-Scham kontrollierten Region Idlib seit Februar dieses Jahres gegen das Vorgehen der Gruppierung. Sie werfen ihnen unter anderem "Folter und Todesfälle in Haft" vor.

In einem Länderbericht zu Menschenrechten in Syrien aus dem Jahr 2022 schreiben die USA, bewaffnete Gruppierungen wie "Haiat Tahrir al-Scham verübten unterschiedlichste Menschenrechtsverletzungen, darunter unrechtmäßige Tötungen und Entführungen, rechtswidrige Inhaftierungen, körperliche Misshandlungen, Tötungen von Zivilisten und die Rekrutierung von Kindersoldaten". Dieselben Vorwürfe werden in dem Bericht auch gegenüber weiteren syrischen Rebellengruppen erhoben.

Mindestens sechs ehemalige Häftlinge der HTS wurden einer Erklärung der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch aus dem Jahr 2019 zufolge während ihrer Inhaftierung gefoltert. Al-Dschulani weist solche Vorwürfe zurück und erklärte kürzlich im US-Sender CNN, derlei Verstöße hätten "nicht auf unseren Befehl oder unsere Anweisungen hin" stattgefunden. Die Verantwortlichen seien zur Rechenschaft gezogen worden.

Anerkennung durch den Westen ist geknüpft an Bedingungen

Die EU jedoch hat eine ganze Reihe von Bedenken. Die 27 Mitglieder des Blocks sorgen sich um die Sicherheit von Minderheiten, die Rechte von Frauen und die gleichberechtigte Beteiligung der verschiedenen Oppositionsgruppen.

Wichtige Akteure im Nahen Osten hatten Assad bereits wieder im Staatenbund willkommen geheißen, doch seine Weigerung, die Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats umzusetzen, die einen politischen Übergang forderte, war ein wichtiger Grund für die EU, ihn nicht zu rehabilitieren.

"Wir fordern einen ruhigen und inklusiven politischen Übergang sowie den Schutz aller Syrer und Syrerinnen, einschließlich aller Minderheiten", postete Kaja Kallas, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, kurz nachdem die HTS und Al-Dschulani Damaskus eingenommen hatten, auf X.

Syrische Christen vor einer Kirche in der Region Idlib
Syrische Christen fürchten um ihre Sicherheit unter den neuen MachthabernBild: Hussein Malla/AP/picture alliance

Bislang hat die HTS die Sicherheit religiöser Minderheiten zugesichert, eine Amnestie für alle syrischen Soldaten erlassen, sich bereit erklärt, mit dem amtierenden syrischen Ministerpräsidenten bei der Bildung einer Übergangsregierung zusammenzuarbeiten, und versichert, dass man Frauen nicht vorschreiben werden, wie sie sich zu kleiden haben.

Es gibt Stimmen, die fordern, dass die EU die Gelegenheit ergreifen und sich aktiv einbringen müsse, um die Rebellen zu beeinflussen - zum Wohle der Syrer und im eigenen Interesse.

Anreize für eine positive Entwicklung

Mehr als eine Million Syrer flohen auf dem Höhepunkt des nahezu 14 Jahre währenden Bürgerkriegs in die EU. Noch immer stellen sie die größte Gruppe der Asylbewerber. Verschiedene politische Gruppen innerhalb der EU plädieren für die Abschiebung von Syrern - und nur 48 Stunden, nachdem Assad Damaskus verlassen hatte, setzten mehrere Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland, die Bearbeitung anhängiger Asylanträge aus.

Julien Barnes-Dacey, Direktor des Nahost- und Nordafrika-Programms beim "Europäischen Rat für Außenbeziehungen" (ECFR), betonte gegenüber der DW, die EU müsse der Bildung einer Regierung in Syrien, die alle Seiten mit einbezieht, erhebliche politische Aufmerksamkeit und Ressourcen widmen. Nun, da die HTS ein Umdenken signalisiere, müsse die EU "schnell und gezielt daran arbeiten, Anreize für eine positive Entwicklung zu schaffen".

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"Dies ist der einzig gangbare Weg, um die Interessen Europas zu wahren, sei es in Bezug auf die regionale Stabilität und die Verhinderung neuer Konflikte und terroristischer Aktivitäten, die Möglichkeit für Millionen von Syrern, wieder nachhause zurückzukehren, oder die dauerhafte Schwächung des feindlichen regionalen Einflusses externer Mächte wie Russland", schreibt er der DW.

Doch während einige Experten überzeugt sind, die HTS sei ideologisch moderater geworden, sind andere skeptisch und vermuten eine PR-Kampagne.

Echter Wandel oder PR-Kampagne?

"Die HTS zeigen gerade ihr freundliches Gesicht, um möglichst viele Syrer von ihrem Projekt des Aufbaus eines neuen Regimes zu überzeugen und um die Spannungen mit westlichen und arabischen Staaten zu reduzieren. Doch das wird nicht zwingend so bleiben", sagt Aron Lund von der US-amerikanischen Denkfabrik "The Century Foundation".

"Wenn sie in Bedrängnis geraten, ziehen sich solche Gruppen fast immer auf ihre ursprüngliche und stabilste Basis zurück. Im Fall der HTS ist das ihr dschihadistischer Kern", fügt er hinzu.

Die EU ist sich der Gefahren bewusst und verhält sich vorerst zurückhaltend, um abzuwarten, wie die HTS und ihre Anführer in Zukunft agieren und ob der Wandel der HTS echt ist oder lediglich der PR dient. Daran wird sich die Politik der Union ausrichten.

"Nun, da die HTS mehr Verantwortung übernimmt, müssen wir nicht nur ihre Worte sondern auch ihre Taten bewerten", sagt EU-Sprecher Anouar El Anouni.

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.