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Studiogast: Prof. Dr. Gertrud Lehnert, Institut für Künste und Medien, Universität Potsdam >>

Kiron Kreuter8. Januar 2012

Schöne Bekleidung ist im weitesten Sinne Thema von Gertrud Lehnert. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Modegeschichte und –Theorie.

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DW-TV: Frau Lehnert, was interessiert Sie als Wissenschaftlerin an Mode?

Gertrud Lehnert: Sehr viel. Abgesehen davon, dass ich persönlich Mode liebe, interessiert mich sehr was sie mit Menschen macht, oder was wir mit Gegenständen machen, um uns selbst zu gestalten. Gar nicht so sehr, um auszudrücken wer wir sind, sondern wir werden zu etwas, was wir sein wollen. Durch die Mode.

Früher gab es Kleidung, wie ist denn Mode entstanden?

Mode setzt voraus, dass es ziemlich viel Geld gibt in der Gesellschaft oder bei Individuen. Oder dass man eine Vorstellung von Individualität hat. Dass man sich absetzen möchte von anderen, gleichzeitig aber zu einer Gruppe gehören möchte.

Das heißt, wir drücken unsere soziale Zugehörigkeit über Kleidung aus? So wie es früher auch schon war?

Das tun wir. Aber gleichzeitig individualisieren wir uns ständig. Und versuchen uns klar zu machen: wir sind zwar Teil einer Gruppe, aber wir sind außerdem völlig ungewöhnlich und einzigartig. Das ist natürlich ein bisschen paradox, weil die Mode davon lebt, dass alle mehr oder weniger das Gleiche tragen.

Wie eng ist denn die modische Entwicklung mit gesellschaftlicher Entwicklung verbunden?

Die Verbindung ist ziemlich eng. Ich glaube nicht, dass man sie eins zu eins übersetzen kann, aber natürlich ist ein Zeitgeist etwas, das sich in sehr vielen Bereichen auswirkt. Zeitgeist ist ein altmodisches Wort, aber ich würde es stehen lassen. Mode kann oft dem voraus sein, was sich gesellschaftlich entwickelt. Sie kann es sozusagen ausdrücken, etwas davon wiedergeben. Ich denke, sie ist sehr eng damit verbunden. Wir können vor allem im Nachhinein oft sehr deutlich erkennen was in der Gesellschaft los war, wenn wir die modischen Entwicklungen angucken.

Ist denn Mode etwas Regionales oder ist es ein weltweites Phänomen? Oder anders gefragt: Ist Mode in Frankreich ganz anders als beispielsweise in Thailand?

Mode ist beides. Mode ist sicherlich inzwischen längst ein weltweites, ein globales Phänomen. Im Grunde genommen ist sie das schon sehr viel länger, wenn wir uns mal klar machen, wie sich die Mode in Europa entwickelt hat. Dann geht das beispielsweise gar nicht ohne orientalische Einflüsse. Inzwischen werden weltweit ähnliche Trends rezipiert, also getragen. Gleichzeitig werden sie aber immer sehr stark regional anverwandelt, verändert oder mit regionalen Tendenzen vermischt, so dass sich Gemeinsamkeiten entwickeln, aber auch eine ganze Menge erkennbare Unterschiede. Zum Glück. Beispielsweise sind asiatische Moden sicherlich teilweise ganz anders als die, die bei uns getragen werden. Auch französische Mode ist anders als die deutsche, auch wenn wir eine europäische Mode haben.

Wie sieht denn die Zukunft der Mode aus? Würden Sie sagen es wird individueller oder wird es eine allgemeine Mode sein?

Ich glaube, dass es individueller wird, weil es im Sinn der Mode liegt. Die Mode lebt davon, dass sie ständig etwas Neues liefert. Wenn sie vor allem vereinheitlichen würde, dann würde es irgendwann langweilig werden. Sie will verkaufen und sie will uns tausend Spielräume bieten. Dass heißt, sie differenziert sich aus.

Gertrud Lehnert. Herzlichen Dank für das Gespräch.

Interview: Daniela Levy