Streit um Olympia-Sponsor
1. August 2012"Dabei sein ist alles" - auch wenn Pierre de Coubertin diesen Satz so nie gesagt hat, gilt er als das olympische Motto schlechthin. "Nachhaltigkeit war die Grundlage aller Entscheidungen rund um die Spiele von London, seit wir 2005 den Zuschlag bekommen haben." Dieser Satz steht in den Presseverlautbarungen des Organisationskomitees der Olympischen Spiele von London - auch wenn er so nicht ganz stimmt.
Sicher, im Londoner East End hat sich die trostlose Landschaft aus verrottenden Fabrikhallen und brachliegendem Ödland in einen grünen Olympiapark verwandelt. Zweitausend Bäume und 300.000 Büsche und Sträucher sind gepflanzt, zwei Millionen Tonnen verseuchter Boden sind entgiftet worden. Und die Nutzung der Sportstätten für die Zeit nach den Spielen ist auch schon gesichert. "Dies sind ohne Zweifel die nachhaltigsten Spiele, die es je gegeben hat", so Shaun McCarthy, Chef der Kommission für ein nachhaltiges London 2012, gegenüber der DW. "Es ist nicht perfekt, aber wir sind grüner als Sydney und werden ein nachhaltigeres Vermächtnis hinterlassen als Barcelona."
Streit um Sponsoren
Doch was haben McDonalds, Coca-Cola, der Ölkonzern BP, das Bergbauunternehmen Rio Tinto und der Chemieriese Dow Chemical mit Nachhaltigkeit zu tun? Das sind nur einige der zahlungskräftigen Sponsoren, mit denen das Internationale Olympische Komitee (IOC) langjährige Sponsorenverträge über zum Teil dreistellige Millionenbeträge geschlossen hat. Dow Chemical zum Bespiel hat die aus Textilstrukturen bestehende Außenhülle für des Olympiastadions finanziert, und darf darauf mit seinem Logo für sich werben.
Umweltschützer und Menschenrechtler sind empört: "Wir werfen dem IOC vor, dass sie die Fakten nicht geprüft haben", sagt Michael Gottlob, Indien-Experte von Amnesty International Deutschland im Gespräch mit der DW. "Die Olympischen Spielen in London halten sich zugute, dass sie die nachhaltigsten Spiele sind. Da ist es doch erstaunlich, dass eine Firma als Sponsor auftritt, die in die Folgen einer der größten Umweltkatastrophen verstrickt ist."
Das Giftgasunglück von Bhopal.
In der indischen Industriemetropole waren am 3. Dezember 1984 aus der Pestizidfabrik des US-Konzerns Union Carbide etwa 40 Tonnen hochgiftiges Unkrautvernichtungsmittel ausgetreten. Union Carbide gehört mittlerweile zu Dow Chemical. Die meisten Schätzungen gehen davon aus, dass unmittelbar nach der Katastrophe 8000 Menschen zu Tode kamen. Mehr als 15.000 weitere starben an Spätfolgen. Mindestens 100.000 Menschen wurden chronisch krank. Viele erlitten Hirn- oder Organschäden oder erblindeten. Bei Neugeborenen kam es zu Fehlbildungen.
"Das Ärgerliche ist, dass sich die Organisatoren einfach auf den Standpunkt von Dow Chemical stellen", so Michael Gottlob. Dow Chemical weist jede Verantwortung von sich, da es das US-Unternehmen erst 16 Jahre nach dem Chemieunfall übernommen hat. Eine Verpflichtung, die Opfer zu entschädigen oder das bis heute kontaminierte Geländer zu säubern, lehnt die Firma ab. "Aber genau darüber gibt es einen Rechstreit, der noch nicht beendet ist. Sich da einfach die Position der einen Seite zueigen zu machen ist, nicht zulässig", kritisiert Gottlob das IOC.
1989 hatten die indische Regierung und Union Carbide eine Vereinbahrung getroffen, nach der alle Ansprüche abgegolten waren und keine weiteren Klagen von Seiten der Opfer zulässig waren. Zwei Jahr später hat das Oberste Gericht Indiens diese Vereinbarung allerdings für ungültig erklärt. Die indische Generalstaatsanwaltschaft prozessiert seit inzwischen über zwanzig Jahren gegen die bislang straflos geblieben Verantwortlichen in den USA.
Eine Frage der Nachhaltigkeit
Auch die Ex-Vorsitzende des Nachhaltigkeitskomitees der Olympischen Spiele, Meredith Alexander, ist empört. "Ich nehme es dem IOC nicht ab, dass es keine anderen Sponsoren gab. Die Olympischen Spiele sind als Marke einzigartig und sehr attraktiv", so Alexander im DW-Interview.
Aus Protest gegen Dow Chemical war sie Anfang des Jahres von ihrem Posten zurückgetreten. Sicher, die Spiele seien grüner als Peking, Athen oder Barcelona. Aber Nachhaltigkeit "hat nicht nur mit Bäumen und Pandabären zu tun, sondern mit Menschen und ihren Bedürfnissen".
Und auch mit den Prinzipien, die in der Charta der Olympiabewegung festgelegt sind, gibt Michael Gottlob zu bedenken: "Da ist nicht nur die Rede von Sport als Menschenrecht. Da geht es auch um Fairness und Solidarität. Da eignen sich bestimmte Firmen als Sponsor überhaupt nicht." Dem IOC sei es allem Anschein nach wichtiger, Gelder einzunehmen, als seine eigenen Prinzipien zu beachten, so Gottlobs Fazit.