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Streit um Bundeswehr: Wer zahlt für Deutschlands Sicherheit?

4. Februar 2025

Die Bundeswehr benötigt künftig deutlich mehr Geld als bisher. Woher es kommen soll, ist im Wahlkampf umstritten. Sind neue Schulden unvermeidbar?

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Soldaten der Bundeswehr in grün-braunem Flecktarn, mit Helmen und Gewehren stehen sie bei einem Appell in einer Reihe
Nach einem jahrzehntelangen Sparkurs fehlt es der Bundeswehr an moderner Ausrüstung und an Personal Bild: Daniel Löb / dpa / picture alliance

Nur wenige Tage könnte Deutschland sich im Fall eines Angriffs verteidigen, mahnen Militärexperten. Ein jahrzehntelanger Sparkurs hat bei der Bundeswehr deutliche Spuren hinterlassen. Kein Wunder also, dass der Verteidigungsetat zum Wahlkampf-Thema geworden ist. Wieviel Geld ist nötig, um eine gut ausgerüstete Armee zu unterhalten? Und wo soll es angesichts der Milliardenlücken im Haushalt herkommen?

Dass es mit der Bundeswehr langsam wieder aufwärts geht, hält Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seiner Politik zugute. Unmittelbar nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 stattete er die Armee mit zusätzlichen 100 Milliarden Euro aus, einem schuldenfinanzierten "Sondervermögen".

SPD will nicht bei Sozialausgaben kürzen

"Seitdem wieder ein Sozialdemokrat Bundesverteidigungsminister und ein Sozialdemokrat Bundeskanzler ist, geht es der Bundeswehr wieder besser", rief Scholz seinen politischen Gegnern Anfang Dezember im Bundestag zu. Als Kanzlerkandidat führt Scholz seine Partei erneut in den Wahlkampf, nachdem seine Ampel-Regierung aus Sozialdemokraten, Grünen und FDP zerbrochen war - auch am Streit über die Staatsfinanzen.

Das Sondervermögen war nach Scholz' Worten "ein großer Wurf". Und ein Kurs, den er fortsetzen will: Im Wahlkampf verspricht er weitere Investitionen ins Militär. Da andere Parteien dies ebenfalls tun, setzt er einen eigenen Akzent: Das werde nicht zulasten von Sozialleistungen gehen.

Bundeskanzler Olaf Scholz gestikuliert im Gespräch mit deutschen Marine-Soldaten an Bord einer Fregatte auf der Ostsee, im Hintergrund ist ein weiteres Kriegsschiff zu sehen
Renten und andere Sozialleistungen sollen für einen höheren Wehretat nicht angetastet werden, verspricht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Er werde die Bürgerinnen und Bürger niemals vor die Wahl stellen, "entweder wir geben Geld für die Bundeswehr oder wir haben sichere Renten", betont der Kanzlerkandidat der SPD. Um alle Ausgaben zu finanzieren, regt Scholz eine Reform der Schuldenbremse an, die in der Verfassung verankert ist. Sie begrenzt die Möglichkeiten der Regierung, neue Kredite aufzunehmen.

Wieviel Geld benötigt die Bundeswehr in den kommenden Jahren? 2024 betrug der reguläre Verteidigungsetat knapp 52 Milliarden Euro. Hinzu kamen rund 20 Milliarden Euro aus dem Topf des Sondervermögens. Zu diesen beiden Posten rechnete die Bundesregierung noch weitere Ausgaben hinzu, etwa die Militärhilfe für die Ukraine. In der Summe meldete sie schließlich 90,6 Milliarden Euro an die NATO - und erreichte so eine wichtige Zielmarke: die Vorgabe, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung auszugeben. In den Jahren davor hatte Deutschland dieses Ziel regelmäßig verfehlt.

Der Sondertopf wird 2027 leer sein

Olaf Scholz stellt es gerne als Erfolg seiner Kanzlerschaft heraus, dass Deutschland endlich dem Club der "Zwei-Prozent-Zahler" beigetreten ist. Es dürfte aber schwierig werden, dieses Niveau zu halten, wenn der einmalige Sondertopf von 100 Milliarden Euro leer ist.

Nach Angaben von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) werden bereits im Laufe dieses Jahres alle Mittel des Sondervermögens vertraglich gebunden sein. Spätestens Ende 2027 ist das Geld dann ausgegeben - für Tarnkappen-Kampfjets vom Typ F-35A, Kampfhubschrauber, Schützenpanzer, Seeaufklärungsflugzeuge, Fregatten und Patriot-Raketenabwehrsysteme, also für zahlreiche teure Waffensysteme.

Ein Tarnkappen-Kampfjet F-35A Lightning II fliegt über einem Waldgebiet
35 Stück des Tarnkappen-Kampfjets F-35A Lightning II hat die Bundeswehr beim US-Konzern Lockheed Martin bestellt: Sie ersetzen ab 2027 das veraltete Kampfflugzeug TornadoBild: Thomas Lohnes / Getty Images

Der Bedarf ist hoch, zumal die Bundeswehr viel Material an die Ukraine abgegeben hat. Mit den bestellten Waffen will Pistorius die Bundeswehr nach seinen Worten wieder "kriegstüchtig" machen - und damit Russland abhalten von einem möglichen Angriff auf das Bündnisgebiet der NATO.

Kommt ein Wehretat von 80 Milliarden?

Wie es weitergeht, wenn das Sondervermögen ausgeschöpft ist, bleibt vor der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar unklar. Wegen des Bruchs der Regierung konnte der Haushalt für 2025 bisher nicht verabschiedet werden. Vorgesehen waren 53,25 Milliarden für die Bundeswehr, also etwa 1,2 Milliarden mehr als 2024. Pistorius hatte deutlich mehr gefordert, konnte sich im Kabinett aber nicht durchsetzen. Um das Zwei-Prozent-Ziel mittelfristig weiter zu erreichen, bräuchte die Bundeswehr 28 bis 30 Milliarden Euro mehr - pro Jahr. 

Wenn es nach CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz geht, dann soll sie dieses Geld erhalten. Künftig seien "mindestens 80 Milliarden Euro im Jahr" für die Bundeswehr nötig, betonte Merz im Dezember vor der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin. "Wir werden spätestens ab 2027 dieses Delta schließen müssen. Das wird eine gewaltige Kraftanstrengung, und das geht nicht ohne neue Prioritäten im Haushalt."

Zwei Bundeswehr-Soldaten in Kampfmontur laufen auf sandigem Terrain auf die geöffnete Heckklappe eines Kampfpanzers Puma zu
Bundeswehr-Soldaten bei einer Militärübung der NATO in LitauenBild: Sean Gallup / Getty Images

CDU will im Haushalt umschichten

Für Merz bedeutet das aber nicht, die benötigten Milliarden durch neue Schulden zu finanzieren. "Wir halten an der Schuldenbremse des Grundgesetzes fest", heißt es im Wahlprogramm der konservativen Parteien CDU und CSU. Stattdessen schlägt Merz vor, im Haushalt zugunsten der Bundeswehr umzuschichten. "Das müsste bei einem gesamtstaatlichen Haushalt von weit über 1000 Milliarden Euro leistbar sein."

Im Übrigen verstünden die Christdemokraten "das Zwei-Prozent-Ziel der NATO als Untergrenze und nicht als Obergrenze", betont Merz. Zwar teilt in Deutschland kaum jemand die Auffassung von US-Präsident Donald Trump, jedes NATO-Mitglied müsse fünf Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben. Aber in diesem kurzen Wahlkampf, in dem die Bundeswehr eine größere Rolle spielt als üblicherweise, überbieten sich Politiker mit ihren Forderungen nach höheren Verteidigungsausgaben geradezu.

So hält Wirtschaftsminister Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen, es für nötig, in den nächsten Jahren etwa dreieinhalb Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung auszugeben. Aus dem laufenden Haushalt sei das allerdings nicht zu finanzieren, sondern "mittelfristig auch über eine höhere Kreditaufnahme", heißt es im Wahlprogramm der Grünen. 

Soldatinnen und Soldaten in blauen Uniformen stehen mit Gewehren in den Händen in einer Reihe
Derzeit dienen gut 181.000 Männer und Frauen bei der Bundeswehr, bis 2031 sollen es 20.000 mehr werdenBild: Uwe Anspach/dpa/picture alliance

Ist ein zweites Sondervermögen die Lösung?

Immer wieder im Gespräch ist auch ein zweites Sondervermögen für die Bundeswehr. Der Verteidigungsminister gehört nicht zu den Unterstützern dieser Idee. "Mir wäre wichtig, das nicht wieder in Form eines Sondervermögens zu machen, weil ein Sondervermögen niemals die steigenden Betriebskosten für Neubeschaffungen mit abbilden kann", betont Pistorius. Also die Kosten für Treibstoff, Ersatzteile, Wartung und Personal, die der Kauf neuer Waffensysteme regelmäßig nach sich zieht.

Während des Kalten Krieges war es selbstverständlich für die Bundesrepublik, vergleichsweise viel Geld für die Verteidigung auszugeben. Im Schnitt drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts flossen in Panzer, Kampfflugzeuge und ein dichtes Netz an Kasernen.

Im Jahr 1963 lagen die Verteidigungsausgaben bei 4,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zwar scheinen solche Werte angesichts der heutigen Haushaltslage unerreichbar zu sein. Fest steht aber: Wer auch immer die Wahl gewinnt, die Finanzierung der Bundeswehr wird einer der Knackpunkte in den Koalitionsverhandlungen werden.

Nina Werkhäuser Autorin und Reporterin