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Deutsche Autohersteller fürchten Chinas Gegenreaktion

Robert Mudge
28. Mai 2024

Die EU könnte bald wie die USA Zölle auf den Import chinesischer Elektrofahrzeuge erheben. Bei deutschen Autobauern schrillen die Alarmglocken: Sie fürchten Repressalien aus Peking.

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Viele Autos stehen im Hafen vor einem großen Containerschiff
Autos im Hafen von Yantai (China) bereit zum ExportBild: AFP

Schon im Juni wird die Europäische Union voraussichtlich eine vorläufige Liste geplanter Einfuhrzölle auf chinesische Elektrofahrzeuge veröffentlichen. Im Oktober 2023 hatten EU-Experten eine Untersuchung begonnen, um zu prüfen, ob chinesische Autohersteller marktverzerrende Subventionen zum Nachteil von EU-Autoherstellern erhalten haben.

Die EU-Kommission hat nach eigenen Angaben "hinreichende Beweise" dafür gefunden, dass die Importe neuer batteriebetriebener Elektrofahrzeuge aus China seit Beginn ihrer Untersuchung um 14 Prozent angestiegen sind und dass viele dieser Importfahrzeuge von staatlichen Subventionen in Form von Steuervergünstigungen oder direkten Geldtransfers profitiert haben.

Falls die EU Zölle erhebt: Wie hoch müssten diese sein, um eine spürbare Wirkung zu erzielen und chinesische E-Auto-Exporteure abzuschrecken?

Einer Studie des unabhängigen Forschungsunternehmens Rhodium Group zufolge müssten diese Abgaben in einer Größenordnung von 40 bis 50 Prozent liegen, damit dies geschieht. Die EU prüft jedoch ihre möglichen Gegenmaßnahmen auf der Grundlage der Regeln der Welthandelsorganisation WTO, was auf einen wahrscheinlichen Umfang der Zölle von 15 bis 30 Prozent hindeutet.

Im vergangenen Jahr waren die EU-Importe von E-Fahrzeugen aus China von 1,5 Milliarden Euro (1,6 Milliarden Dollar) im Jahr 2020 auf 10,6 Milliarden Euro (11,5 Milliarden Dollar) gestiegen. Das entspricht nach den Berechnungen der Rhodium Group 37 Prozent aller E-Fahrzeug-Importe in die EU.

Was bedeutet das für deutsche Autobauer?

Die deutschen Automobilhersteller, die in hohem Maße vom chinesischen Markt abhängig sind, wehren sich vehement gegen die geplanten Einfuhrzölle der EU, denn sie befürchten chinesische Vergeltungsmaßnahmen.

Damit könne man sich "schnell in den Fuß schießen", sagte BMW-Chef Oliver Zipse kürzlich vor Reportern.

Denn BMW importiert in China hergestellte Elektro-Autos der Konzernmarke Mini sowie den iX3 nach Europa und ist auf die Einnahmen aus seinem China-Geschäft angewiesen. China ist der größte Einzelmarkt von BMW und machte im ersten Quartal 2024 fast ein Drittel des Gesamtabsatzes aus. 

"Wir sind nicht der Meinung, dass unsere Industrie geschützt werden muss", sagte Zipse bei einem Treffen mit Analysten und fügte hinzu, dass die großen Automobilhersteller durch ihre globale Ausrichtung einen industriellen Vorteil haben. "Diesen Vorteil kann man leicht durch die Einführung von Importzöllen gefährden."

Die deutschen Konkurrenten von BMW, Volkswagen und Mercedes-Benz, sind ebenfalls stark von den Einnahmen aus ihrem China-Geschäft abhängig. Volkswagen warnte davor, dass Einfuhrzölle generell ein Risiko bergen. "Es gibt immer irgendeine Art von Vergeltung", sagte Thomas Schäfer, Chef der Marke Volkswagen, auf dem Future of the Car Summit der Financial Times im Mai.

Sind Überkapazitäten der Grund?

Zipse wies die Vorstellung zurück, dass chinesische Überkapazitäten der Grund für den Streit seien.

"Die Antisubventionsuntersuchung gegen China ist das Gegenteil von dem, was wir erwarten", sagte er. "Über die Hälfte der chinesischen Autoverkäufe in Europa stammen von nicht-chinesischen Unternehmen…Zölle sind Schutzmaßnahmen, die uns im Wesentlichen schaden. Der Marktanteil chinesischer Hersteller in Deutschland und Europa liegt bei unter einem Prozent", so der BMW-Chef. Europa werde "nicht mit chinesischen Produkten überschwemmt", aber "vor lauter Angst versuchen wir, die Grenzen zuzumachen."

Beatrix C. Keim, Direktorin für Geschäftsentwicklungen und China-Projekte beim Center Automotive Research (CAR), gibt Zipse recht, dass Überkapazitäten nicht das Thema sind. "Der chinesische Automarkt ist immer noch nicht gesättigt, und jetzt werden die Produktionskapazitäten von Autos mit Verbrennungsmotor auf NEV verlagert", sagte sie der DW per E-Mail. Unter New Energy Vehicles (NEV) versteht man Fahrzeuge, die entweder, batterieelektrisch, mit Plug-in Hybrid-Motor oder Brennstoffzellen angetrieben werden. 

Keim wies darauf hin, dass die chinesische Regierung auch Schritte unternommen hat, um Produktionslizenzen einzuschränken, was zusammen mit dem Verschwinden mehrerer NEV-Startups "ein Hinweis darauf ist, dass die Regierung bestimmten Unternehmen einen Riegel vorschiebt".

Retourkutschen zwischen EU und China?

Unter den europäischen Automobilherstellern wächst die Angst, dass Strafmaßnahmen gegen China eine Spirale von Vergeltungsmaßnahmen in Gang setzen könnten. Angesichts der Abhängigkeit von China und des damit verbundenen Risikos scheinen die politischen Entscheidungsträger der EU zunehmend unter Druck zu stehen, ihre Reaktion sorgfältig abzuwägen, um eine Eskalation zu vermeiden.

"Das Für und Wider spricht dafür, Zölle auf E-Fahrzeuge aus China abzulehnen, da die Gefahr besteht, dass China Vergeltungsmaßnahmen ergreift", so Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung, gegenüber der DW.

Und es sieht so aus, als hätte das Spiel gegenseitiger Retourkutschen bereits begonnen. In einer auf der Plattform X veröffentlichten Erklärung teilte der in der EU ansässige Lobbyverband China Chamber of Commerce to the EU mit, man habe Informationen erhalten, dass die chinesische Regierung Zölle von bis zu 25 Prozent auf importierte Autos mit großen Motoren erheben könnte.

Diese höheren Zölle würden besonders BMW und Mercedes-Benz treffen, die Luxus-SUVs und große Limousinen nach China exportieren.

CAR-Expertin Keim meint dagegen, dass die chinesischen Gegenmaßnahmen nicht unbedingt auf europäische Autos abzielen würden, sondern eher auf "Automobilkomponenten oder andere sensible Industriebereiche", wie etwa Maschinen. Allerdings könnte es zusätzlich "zu einer Erhöhung der Zölle für Luxusimporte kommen, was in der Tat vor allem die deutschen Hersteller treffen würde."

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert

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