Starke Stimme der Kultur im Kanzleramt
19. Dezember 2013Viele Kulturvertreter hatten im Rahmen der Regierungsbildung auf ein eigenständiges Bundeskulturministerium gehofft. Ihr Wunsch hat sich in dieser Legislaturperiode erneut nicht erfüllt. Doch das ist für die deutsche Kulturszene keineswegs ein Beinbruch, wie Norbert Oberhaus, Geschäftsführer des Musikfestivals c/o Pop und der C'n'B Convention, eines der größten europäischen Think Tanks der Kultur- und Kreativwirtschaft, betont: "Insgesamt hat die Position des Staatsministers für Kultur seit ihrer Einführung deutlich an Gewicht und Profil gewonnen. Mit Frau Grütters fiel die Wahl auf eine Person, die aufgrund ihrer bisherigen Arbeit für Inhalte steht und für diese auch streiten kann. Letzteres ist in diesem Amt ja besonders wichtig, da die Kulturstaatsministerin vor allem auch politische Überzeugungsarbeit gegenüber dem Geldgeber, nämlich dem Parlament zu leisten hat."
Durchsetzungskraft für dringend benötigte Reformen
Die Aufteilung der für die Kultur so wichtig gewordenen digitalen Themen in verschiedene Ressorts wurde in den deutschen Medien und sozialen Netzwerken dennoch heftig diskutiert. Denn die digitale Infrastruktur obliegt dem Verkehrsministerium, während die digitale Wirtschaft im Wirtschaftsministerium bearbeitet wird. Dabei hatte vor allem der Deutsche Kulturrat für die Bereiche Digitalisierung und Urheberrecht immer wieder eine "kulturelle Behandlung" gefordert.
Gerade die Reform des Urheberrechts im digitalen Zeitalter, aber auch die soziale Absicherung der Künstlerinnen und Künstler in Deutschland gehören zu den zentralen Themen, denen sich Monika Grütters als Kulturstaatsministerin stellen und sich dabei zukünftig am Kabinettstisch gegen den einen oder anderen Bundesminister durchsetzen muss. Dabei wird der CDU-Politikerin ihre langjährige Erfahrung im Berliner Politikbetrieb zugutekommen: Als ehemalige Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien ist sie hervorragend vernetzt und hat einen guten Draht zur Kanzlerin. Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, beschreibt Grütters als "Politikprofi". Er ist davon überzeugt, "dass sie den eingeschlagenen Weg, den Bernd Neumann vorgegeben hat, konsequent weiterführt, die Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur verbessert und erfolgreich am Kabinettstisch die Stimme der Kultur erhebt."
Kulturstandort Deutschland
Auch der alltägliche Kulturbetrieb ist Grütters nicht fremd: Die gebürtige Münsteranerin hat bereits als Studentin der Germanistik, Kunstgeschichte und Politikwissenschaft an der Bonner Oper gearbeitet, später im Museum für Verkehr und Technik in Berlin. Während ihr Vorgänger Neumann einen Schwerpunkt auf den deutschen Film gelegt hatte, liegen Grütters vor allem Themen wie die freie Theaterszene und die bildende Kunst am Herzen. Und auch Leuchtturmprojekte wie das Humboldtforum im neu entstehenden Berliner Stadtschloss.
Ihr Blick geht weit über Berlin hinaus: Deutschland als Kulturnation, der Kulturstandort Deutschland und seine Außenwirkung sind ihr sehr wichtig. Hier liegen die Schnittstellen zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, die von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verantwortet wird. Als Repräsentanten deutscher Kultur im Ausland werden nach Ansicht Zimmermanns beide an einem Strang ziehen: "Wenn man sich die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik anschaut, hat man jetzt nicht mehr nur einen starken Player, sondern zwei."
Kulturförderung und Leuchttürme
Zu den traditionellen Hauptaufgaben des Kulturstaatsministers gehören die Kulturförderpolitik des Bundes, die kulturellen Großbauprojekte in der Hauptstadt, aber auch vom Bund finanzierte Einrichtungen wie die Deutsche Welle, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Akademie der Künste oder die Berliner Kulturveranstaltung GmbH mit der Berlinale und den Berliner Festspielen.
Für den alltäglichen Kulturbetrieb in Deutschland sind zwar die Länder zuständig, doch Rolf Bolwin, Geschäftsführender Direktor des Deutschen Bühnenvereins, sieht den Bund als Gesetzgeber für die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen deutlich in der Pflicht: "Ich glaube, der Bund war sich in den letzten Jahren zu wenig bewusst, welche große Bedeutung er für die Gestaltung der Rahmenbedingungen hat. Er ist im Theater- und Orchesterbereich konfrontiert mit arbeitsrechtlichen, sozialversicherungsrechtlichen und urheberrechtlichen, auch mit finanziellen Fragen, wie der Ausstattung der Kommunen mit den entsprechenden Haushaltsmitteln. Wir hoffen, dass das mit Frau Grütters etwas besser wird, zumal sie ja auch früher in einem Theater in Bonn gearbeitet hat, also sehr genau weiß, wie die kulturellen Interessen dieser kommunalen Kultureinrichtungen sind."
Fürsprecherin der Kultur
Auch Alexander Thies, Vorsitzender des Gesamtvorstandes der Allianz Deutscher Film- und Fernsehproduzenten, freut sich über die Ernennung Grütters und setzt im Namen der Filmindustrie große Hoffnungen in sie als Fürsprecherin der Kultur im Kanzleramt: "Wir brauchen einen starken Verbündeten dort, um die Erfolge, die wir in den letzten Jahren erarbeiten konnten, weiterführen zu können, damit es zu dem Ziel kommt, das wir alle verfolgen, nämlich aus eigener Kraft einen Markt schaffen, der sich selbst bestimmen kann."
Und Thies ergänzt: "Wir gehen davon aus, dass Angela Merkel sie gesetzt hat, weil sie volles Vertrauen in sie hat. Und es wäre wichtig, dass sie in den Fragen, wo es um Kultur geht, auch den Rückhalt bekommt, den sie verdient." In der deutschen Kulturszene genießt Monika Grütters diesen Rückhalt jedenfalls schon.