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PolitikAsien

Starke Frauen müssen sich verstecken

4. März 2021

Nach den Morden an afghanischen TV-Sprecherinnen rufen Aktivistinnen um Hilfe von außen. Die Regierung tue nichts gegen die Gewaltwelle.

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 Die Kamerafrau Salma Rasa bei Zan TV
Die Kamerafrau Salma Rasa bei Zan TVBild: Rahmat Alizadah/Photoshot/picture alliance

Die afghanische Frauenaktivistin Maria Akrami lebt versteckt an einem sicheren Ort. Sie ist Direktorin des Afghan Women Network (AWN), einer Nichtregierungsorganisation, die sich seit  Jahren für die Stärkung der Frauen und ihre gleichberechtigte Teilnahme an der afghanischen Gesellschaft einsetzt. "Ich weiß, dass ich auf der Todesliste stehe", sagt sie im Gespräch mit der DW.

Die gute vernetzte Aktivistin hatte in den letzten Monaten mehrmals Drohnachrichten erhalten. "Unsere Situation ist beängstigend. Viele Frauen in unseren Netzwerken verlassen ihre Häuser nicht mehr und sind völlig demoralisiert. Nach dem, was gestern in Dschalalabad geschah, bin auch ich verzweifelt." Dort waren am 2. März drei Frauen ermordet worden: Mursal Wahidi, Sadia Sadat und Shahnaz Roafi.

Sie arbeiteten als Sprecherinnen für "Enikass", einen privaten Fernsehsender in der Stadt Dschalalabad. Am Dienstag wurden sie auf dem Weg nach Hause am hellichten Tag von zwei bewaffneten Männern angegriffen und auf der Straße erschossen.

Dschalalabad hat etwa 240.000 Einwohner und ist die Hauptstadt der Provinz Nangarhar im Osten Afghanistans. Die Polizei der Provinz teilte später mit, einer der mutmaßlichen Täter sei festgenommen worden. Er habe bereits gestanden, ein Mitglied der radikalislamischen Taliban zu sein. Der Talibansprecher Zabihollah Mojahed wies das zurück.

Regierung Ghani „verurteilt" die Tat

Afghanistans Präsident Aschraf Ghani verurteilte die Tat. "Solche Angriffe auf unsere Landsleute, insbesondere Frauen, widersprechen den Lehren des Islam, der afghanischen Kultur und dem Freiheitsgeist. Sie erschweren die derzeitige Krise und und verlängern den Krieg", teilte Ghanis Büro mit.

Kurz darauf reklamierte die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) die Morde für sich. IS-Kämpfer hätten Journalistinnen getötet, "die für eine der Medien arbeiteten, die der abtrünnigen afghanischen Regierung gegenüber loyal sind", hieß es in einer Erklärung des IS.

Bereits im Dezember hatte der IS die Verantwortung für die Tötung einer Journalistin des Senders Enikass übernommen. Die 26-jährige Malalai Maiwand war die Tochter einer Aktivistin, die vor fünf Jahren ebenfalls erschossen wurde.

Seit der Ermordung von Malalai Maiwands Mutter bis Ende letzten Jahres hatte sich die Situation von Frauenaktivistinnen und Journalistinnen in Afghanistan leicht verbessert.

 

(Afghan Women Network (AWN) setzt sich seit  Jahren für die Stärkung der Frauen und ihre gleichberechtigte Teilnahme an der afghanischen Gesellschaft ein)

Auch dank Frauenaktivistinnen wie Maria Akrami, die jetzt mitansehen müssen, wie Extremisten diese Fortschritte gewaltsam zunichte machen wollen. "Die Weltgemeinschaft kann nicht einfach zugucken. Wir brauchen Unterstützung. Diese Welle brutaler Gewalt gegen Frauen ist beispiellos und beschämend", sagt Akrami im Gespräch mit der DW. Wer hinter dieser Anschlagswelle steht, weiß auch sie nicht genau.

In Afghanistan gibt es viele bewaffnete Gruppen und Extremisten. Auch der Beginn der innerafghanischen Friedensgespräche zwischen den radikalislamistischen Taliban und Regierungsvertretern im September 2020 hat nichts verbessert. Eher im Gegenteil. 

Exodus von Medienmitarbeitern und Aktivisten

Zwischen September und Mitte Februar 2021 wurden elf Journalisten und Menschenrechtsaktivisten von den Extremisten getötet. Dies geht aus Daten der UN-Mission in Afghanistan (UNAMA) hervor, die am 15. Februar veröffentlicht wurden. Die gezielten Morde hätten demnach die Erwartungen der gesamten Gesellschaft an den Friedensprozess gesenkt, stellt der Bericht fest. "Die Stimmen von Menschenrechtlern und Medienschaffenden müssten mehr denn je gehört werden. Stattdessen werden sie zum Schweigen gebracht", sagte die Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs für Afghanistan, Deborah Lyons. Selbstzensur und Flucht seien die Folge.

Viele Journalisten und Aktivisten hätten das Land bereits verlassen. "Die Regierung hat nichts für sie getan", kritisierte die Journalistin Aniseh Shahid im Februar im Gespräch mit der DW.  Die 34-jährige Journalistin arbeitet für den TV-Sender Tolo und wurde im Juli 2020 von der Organisation Reporter ohne Grenzen für ihre mutige Berichterstattung während der Coronapandemie in Afghanistan ausgezeichnet.

Nun ist sie besorgt um die Pressefreiheit in ihrem Land. Ihr Kollege Yama Siawash, einer der bekanntesten TV-Moderatoren in Afghanistan, war am 7. November durch die Explosion einer Autobombe getötet worden. Auch Aniseh Shahid hat in den letzten Monaten Morddrohungen erhalten. "Die Lage ist so dramatisch, dass man jeden Tag mit dem Tod rechnen muss."