Deutsches Euro-Krisenmanagement
15. Juli 2011Zu zögerlich, orientierungslos und zu defensiv - für das Krisenmanagement der deutschen Bundesregierung bei der Euro-Rettung hagelt es Kritik von allen Seiten. Nach Ansicht vieler Beobachter werden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) von der Krise vor sich hergetrieben. Und während die Bundeskanzlerin auf Kurzbesuch durch drei afrikanische Länder reiste, verschärfte sich die Lage der Euro-Staaten weiter. Der Goldpreis, das Fieberthermometer dieser Krise, erklomm am Donnerstag (14.07.2011) neue Rekordhöhen. Nach Griechenland, Portugal und Irland droht jetzt auch Europas drittgrößte Volkswirtschaft Italien unter seiner Schuldenlast zu versinken. Reihum senken Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit europäischer Schuldenstaaten auf "Ramschniveau" oder kurz vor "Zahlungsausfall" herunter.
Alle Augen richten sich auf Berlin
Kein Wunder, dass alle Augen sich auf die Regierungsbank von Europas größter Volkswirtschaft richten. Doch das Parlament hat Sommerpause, die meisten Abgeordneten und Minister sind im Urlaub. Nur im Finanzministerium herrscht permanenter Ausnahmezustand. Schon vor Wochen kritisierte Frank-Walter Steinmeier von den oppositionellen Sozialdemokraten: "Wir haben in Europa eine veritable politische Krise, vielleicht die größte Krise seit der Gründung der Europäischen Union und bis auf Herrn Schäuble macht der Rest der Regierung Dienst nach Vorschrift".
Ein Patentrezept für die Krisenbewältigung, das hat allerdings auch der Gelobte nicht. Während der deutsche Finanzminister sich zu Beginn der Euro-Schuldenkrise im Frühling 2010 nur zögernd auf Milliarden-Euro-Hilfspakete für das überschuldete Griechenland einlassen wollte, kam diese Woche die vermeintliche Kehrtwende. "Es wird jetzt wirklich alles in den Instrumentenkasten genommen und auf dieser Grundlage werden gemeinsame Vorschläge gemacht", kündigte Schäuble im Fernsehinterview an.
Finanzpolitische Stabilitätskultur
Bislang galt im deutschen Euro-Krisenmanagement die Devise: keine Schnellschüsse. Deshalb wollten weder die Bundeskanzlerin noch ihr Finanzminister sich zu einem für Freitag ins Auge gefassten EU-Sondergipfel drängen lassen. Dort sollte eigentlich über ein zweites Hilfspaket für das überschuldete Griechenland entschieden werden. Das erste Hilfspaket wurde im Mai 2010 in Höhe von 110 Milliarden Euro verabschiedet, verbunden mit strengen Auflagen. Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou mahnte indes die Kanzlerin am Donnerstag zur Eile: Komme die Hilfszusage über ein zweites Hilfspaket für Griechenland nicht bald, könnten die Finanzmärkte außer Kontrolle geraten.
Doch auf der Regierungsbank hat man weiterhin den deutschen Steuerzahler im Blick. Mit bislang 190 Milliarden Euro bürgt der deutsche Staat für Europas Schuldenländer. Deshalb beharrt der Finanzminister weiter darauf, dass Banken und Versicherungen als private Gläubiger freiwillig einen "substantiellen Beitrag" am nächsten Hilfspaket stemmen. Eine Haltung, die Schäuble immer wieder als Teil einer finanzpolitischen Stabilitätskultur verteidigt hat: "Gerade wenn es Zweifel an der Rückzahlungsfähigkeit Griechenlands geben sollte und wir also mit einem neuen Anpassungsprogramm Zeit gewinnen müssen, dann ist eine Beteiligung des Privatsektors an der Lösung der Probleme umso unvermeidbarer." Kritiker sehen darin den Hauptstolperstein auf dem Weg zu einer schnellen Lösung der Vertrauenskrise in den Euro. Selbst der Chef der Deutschen Bundesbank Jens Weidmann, vor kurzem noch Merkels Berater im Kanzleramt, hält das für problematisch.
Deutschland will seine hohe Kreditwürdigkeit nicht teilen
Auch die Weigerung Deutschlands, seine hohe Kreditwürdigkeit durch sogenannte Eurobonds mit den Schuldnerstaaten zu teilen, sorgt weiterhin für Ärger. Der Finanzminister, der jetzt eigentlich alle Optionen für möglich hält, beharrt auf einer bekannten deutschen Forderung: "In einer Währungsunion, wo die Geldpolitik auf der europäischen Ebene von der Notenbank vollzogen wird, aber die Finanzpolitik Sache der Mitgliedsstaaten ist, brauchen wir schon Anreiz und Sanktionen, dass jeder seine Verpflichtungen zur finanziellen Solidität erfüllt", wiederholte Schäuble seine ablehnende Haltung zu Eurobonds. "Wenn alle dieselben Zinsen bezahlen, dann gibt es keinen Anreiz für eine solide Haushaltsführung, und das wäre der falsche Weg". Solange man mit der aktuellen Konstruktion eine gemeinsame Währung habe, könne das Zinsrisiko nicht vergemeinschaftet werden.
Der Finanzminister weigert sich somit, Deutschlands hohe Kreditwürdigkeit als Faustpfand für den Euro-Club einzusetzen. Doch was glauben die Finanzmärkte den Lenkern deutscher Finanzpolitik eigentlich noch? Denn vielfach verloren sich Angela Merkel und ihr Finanzminister in Ankündigungen. So sollte der Euro-Rettungsschirm auf deutschen Wunsch zunächst befristet aufgespannt werden. Später wurde die Forderung fallen gelassen, jetzt ist der Rettungsschirm permanent installiert. Dann forderte Deutschland ein Verfahren zum Austritt aus der Euro-Zone, doch zur Umsetzung kam das nie. Und dann wurde aus Berlin auch noch ein Verfahren für geordnete Staatsbankrotts angedacht, doch bislang ist hier auf europäischer Ebene noch nichts umgesetzt.
Nicht nur das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut beklagt den "Wankelmut" der deutschen Regierungsbank. Kaum klare Signale, wenig Kompromissbereitschaft bei der Frage der privaten Gläubigerbeteiligung und der Eurobonds. Leicht vergessen wird da, dass es in einem Bereich durchaus Kontinuität im deutschen Euro-Krisenmanagement gibt. Weder Kanzlerin noch Finanzminister haben je die Interessen des deutschen Steuerzahlers aus dem Auge verloren. Ob das reicht, die aktuelle Krise zu bewältigen, wird sich weisen.
Autor: Richard Fuchs
Redaktion: Peter Stützle/Dirk Eckert