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Politik

Sri Lankas Regierungsgegner stürmen Amtssitz des Premiers

13. Juli 2022

Die Lage in der Hauptstadt Sri Lankas spitzt sich zu. Nachdem die Regierung den Notstand ausgerufen hatte, stürmten tausende Regierungsgegner die Büros des neuen Interimspräsidenten und eine Fernsehstation.

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Sri Lanka Colombo | Proteste am Büro des Premierministers Ranil Wickremesinghe
Demonstranten stürmen das Büro des Premierministers Ranil WickremesingheBild: DINUKA LIYANAWATTE/REUTERS

Tausende Regierungsgegner stürmten das Büro des sri-lankischen Premierministers Ranil Wickremesinghe, wenige Stunden nachdem dieser zum amtierenden Präsidenten ernannt worden war, wie Zeugen der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Männer und Frauen durchbrachen militärische Verteidigungsanlagen und drangen in das Büro des Premierministers ein, um Nationalflaggen zu hissen.

Demonstranten besetzen staatlichen Fernsehsender

Auch drangen die Regierungsgegner in den wichtigsten staatlichen Fernsehsender ein und übernahmen kurzzeitig die Sendungen, wie Filmaufnahmen zeigten. Ein nicht identifizierter Mann gelangte während einer Live-Sendung in das Studio des Senders Rupavahini und ordnete an, dass nur protestbezogene Nachrichten gesendet werden sollten. Die Übertragung wurde unterbrochen und durch eine aufgezeichnete Sendung ersetzt.

Sri Lanka Colombo | Proteste am Büro des Premierministers Ranil Wickremesinghe
Sicherheitskräfte setzen Tränengas gegen die Protestierenden in Colombo einBild: Eranga Jayawardena/AP/picture alliance

Zuvor war Premierminister Wickremesinghe vorübergehend zum neuen Staatschef Sri Lankas ernannt worden. Das teilte Parlamentspräsident Mahinda Yapa Abeywardena in einer Erklärung im Fernsehen mit. Der bisherige Präsident Gotabaya Rajapaksa habe den Schritt autorisiert.

Präsident Rajapaksa setzt sich auf die Malediven ab

Stunden zuvor hatte sich Präsident Rajapaksa mit seiner Frau in einer Militärmaschine auf die Malediven abgesetzt, wie Behörden beider Länder bestätigten. Der 73-Jährige hatte inmitten der Proteste gegen die schwere Wirtschaftskrise am Wochenende ursprünglich angekündigt, am Mittwoch als Staatschef des südasiatischen Inselstaates zurücktreten zu wollen. Er hatte das Amt Ende 2019 angetreten.  

Gotabaya Rajapaksa
Präsident Gotabaya Rajapaksa ist auf die Malediven geflohen (Archivbild)Bild: Andy Buchanan/AP Photo/picture alliance

Die Nachricht von seiner Ausreise löste zwar Jubel unter den Demonstranten in Colombo aus. Sie protestierten aber dagegen, dass der Premier die Amtsgeschäfte des Präsidenten übernimmt. Sie sehen ihn als Verbündeten des geflohenen Staatschefs und machen ihn ebenso für die Wirtschaftskrise verantwortlich. Zudem hatte auch Premier Wickremesinghe am Samstag seinen Rücktritt angekündigt.

Regierung ruft Notstand aus

Bereits vor der offiziellen Mitteilung, dass Wickremesinghe nun an der Spitze des Staates steht, stürmte eine aufgebrachte Menschenmenge den Amtssitz des Ministerpräsidenten. "Geh nach Hause, Ranil! Geh nach Haus, Gota!" riefen die Demonstranten. Die Polizei ging mit Tränengas gegen die Menge vor. Die ordentliche Wahl des neuen Präsidenten unter den Abgeordneten des Parlaments ist für den 20. Juli vorgesehen. 

Benzinkrise in Sri Lanka

Zudem rief die Regierung den Notstand über den Inselstaat aus. Die Maßnahme gelte landesweit, sagte ein Sprecher. Die Polizei verhängte auch für Sri Lankas Westprovinz, zu der auch Colombo gehört, eine Ausgangssperre. Ein hochrangiger Polizeibeamter verwies zur Begründung auf fortdauernde Proteste vor dem Sitz des Ministerpräsidenten. Die Polizei habe den Befehl, gegen die Demonstranten vorzugehen.

Schwerste Wirtschaftskrise seit 1948

Die Flucht des Präsidenten beendet die Herrschaft der Rajapaksa-Familie, die die Politik des südasiatischen Inselstaates mit seinen 22 Millionen Einwohnern in den vergangenen zwei Jahrzehnten dominiert hat. Die Rajapaksas ordneten 2019 Steuersenkungen an, die sich auf die Staatsfinanzen auswirkten, während wegen schrumpfender Devisenreserven die Einfuhr von Treibstoff, Lebensmitteln und Medikamenten eingeschränkt werden musste. Als Folge ist das stark vom Tourismus abhängige Sri Lanka während der Corona-Pandemie in die schwerste Wirtschaftskrise seit der Unabhängigkeit 1948 gerutscht.

as/nob/se/fab/kle (afp, dpa, ap, theguardian.com)