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SPD-Führung will Debatte über Kanzlerkandidaten beenden

18. November 2024

Bei den Sozialdemokraten rumort es. Nicht nur an der Parteibasis gibt es Bedenken, ob Kanzler Olaf Scholz die SPD wieder in den Bundestagswahlkampf führen sollte. Die Parteiführung stellt sich jedoch erneut hinter ihn.

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Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken, hier in einem DW-Interview
SPD-Chefin Saskia Esken, hier in einem DW-Interview (Archivbild)Bild: Simon Young/DW

Die SPD-Spitze will möglichst bald einen Schlussstrich unter die Frage ziehen, wer der nächste Kanzlerkandidat der Partei werden soll: Kanzler Olaf Scholz oder Verteidigungsminister Boris Pistorius?

Die Ko-Bundesvorsitzende Saskia Esken stärkte Olaf Scholz erneut den Rücken als Kanzlerkandidat ihrer Partei für die vorgezogene Bundestagswahl. "Wir gehen gemeinsam in diesen Wahlkampf, das ist beschlossene Sache für uns", sagte Esken im Ersten Deutschen Fernsehen (ARD) auf die Frage nach der Stimmungslage im Parteivorstand. "Er ist unser Kanzler und unser Kanzlerkandidat", bekräftigte sie. Es gebe im Parteivorstand "keine Debatten" zur Kanzlerkandidatur. Der Vorstand werde sich von der öffentlichen Debatte auch "nicht drängen lassen".

Schnell Fahrplan vorstellen

Ähnlich hatte sich am Sonntag auch der Ko-Vorsitzende Lars Klingbeil geäußert. Er kündigte an, man werde in den nächsten Tagen den weiteren Fahrplan für den Bundestagswahlkampf festlegen. Zugleich bekräftigte er: "Wir wollen mit Olaf Scholz in diesen Wahlkampf gehen." Das hätten alle, die in der Spitze Verantwortung tragen, deutlich gesagt.

Lars Klingbeil hinter mehreren Mikrofonen
Lars Klingbeil, der gemeinsam mit Saskia Esken die SPD führtBild: Michael Kappeler/picture alliance/dpa

Die Debatte über die Kanzlerkandidatur von Scholz hatte zuvor weiter Fahrt aufgenommen. Nach einer Reihe von Kommunalpolitikern hatten erstmals auch zwei Bundestagsabgeordnete offen für eine Kandidatur von Verteidigungsminister Boris Pistorius plädiert. 

Pistorius besonders populär

Nach dem Bruch der Regierungskoalition liegt die SPD in Umfragen bei 16 Prozent und damit bei weniger als die Hälfte derjenigen, die derzeit wohl die Union wählen würden. In Umfragen ist Pistorius schon seit seinem Amtsantritt als Verteidigungsminister der beliebteste Politiker in Deutschland. Die SPD-Spitze hat zwar immer wieder ihre Unterstützung für Scholz betont, hatte aber nach der Entscheidung für eine Neuwahl zunächst darauf verzichtet, ihn zu nominieren - und damit die Kandidatendebatte mit ermöglicht. 

Boris Pistorius vor einer Deutschlandfahne
Boris Pistorius: Hätte er die größten Wahlchancen bei der SPD?Bild: Mindaugas Kulbis/AP/picture alliance

Klingbeil räumte ein, dass es in der Partei ein Grummeln über Scholz gebe. Er glaube aber nicht, dass man diese Diskussion mit einem Vorstandsbeschluss in den letzten Tagen hätte "tottreten" können. Entscheidend sei, dass sich die Verantwortlichen klar geäußert hätten. Jetzt gehe es noch darum, die Strategie auszutüfteln. Für den 30. November plant die SPD in Berlin eine sogenannte Wahlsiegkonferenz, auf der der Kanzlerkandidat seinen ersten großen Auftritt haben soll.

Inzwischen dringen auch mehrere SPD-Bundestagsabgeordnete auf einen schnellen Beschluss der Parteispitze für die Kandidatur von Scholz. "Olaf Scholz ist unser Bundeskanzler und hat Deutschland sehr erfolgreich durch nie dagewesene Krisen geführt", sagte etwa Bernd Westphal, der wirtschaftspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion. "Ich rate meiner Partei zur Geschlossenheit und einem klaren Fokus auf den Wahlkampf mit unserem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz." Holger Mann, Vorsitzender der SPD-Landesgruppe Sachsen, betonte: "Ich ziehe mit Olaf Scholz in den Wahlkampf. Wir dürfen uns nicht wuschig machen lassen. Es sind weniger als 100 Tage bis zur Wahl."

Juso-Chef: "Keine Selbstkrönung"

Dem Votum der Parteivorsitzenden wollen aber anscheinend nicht alle führenden Sozialdemokraten folgen. Philipp Türmer, der Vorsitzende der SPD-Jugendorganisation Jusos, sieht die Frage der Kanzlerkandidatur in der SPD weiter offen. "Es gibt keine Selbstkrönung", sagte Türmer im Deutschlandfunk. "Man krönt sich nicht als Kanzler selbst zum Kandidaten, sondern das ist eine Entscheidung der Partei und ihrer Gremien." Diese müssten jetzt einen Vorschlag machen, der dann von der Partei bewertet werde.

Bis Präsidium oder Vorstand sich festgelegt hätten und ein Parteitag darüber entschieden habe, sei die Frage für ihn offen, so Türmer. Er fügte hinzu: "Wir müssen mit dem Kandidaten oder der Kandidatin in den Wahlkampf ziehen, mit dem wir die größten Chancen haben." Dies sei "nicht die persönliche Entscheidung" von Scholz oder auch Pistorius, sondern der Partei.

Rückendeckung auch von Pistorius 

Pistorius selbst stellte sich am Sonntag nochmals hinter Scholz. "Wir haben einen wirklich herausragenden Kanzler, der in einer der schwierigsten Zeiten der Republik in einer schwierigen Dreierkonstellation das Ruder in der Hand hatte", so der Verteidigungsminister im Fernsehen. Scholz habe entschieden, dass er weitermachen wolle, die Partei werde darüber spätestens beim Parteitag am 11. Januar entscheiden. Er gehe "nach wie vor fest davon aus, dass Olaf Scholz nominiert werden wird". Der Minister forderte Geschlossenheit, Klarheit in den Zielen, eine klare Sprache - "und dann rein in den Wahlkampf". Eine klare Absage, dass er nicht zur Verfügung stünde, äußerte Pistorius aber nicht.

Nach dem Ampel-Aus: Der Weg zu Neuwahlen

Scholz ließ bisher keine Bereitschaft erkennen, vor der Bundestagswahl auf die Kanzlerkandidatur der SPD zu verzichten. "Die SPD und ich wir sind bereit, in diese Auseinandersetzung zu ziehen - übrigens mit dem Ziel zu gewinnen", sagte er am Sonntag vor seiner Abreise zum G20-Gipfel nach Brasilien.

kle/wa (dpa, afp, rtr)