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Spanien: Sevilla kämpft gegen den Klimawandel

Stefanie Claudia Müller
9. Dezember 2024

Seit Jahren tritt Extremwetter in Spanien vermehrt auf - Dürren wechseln sich ab mit Überschwemmungen. Sevilla, die bei Touristen beliebte Hauptstadt Andalusiens, leidet besonders darunter - und sucht nach Auswegen.

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Spanien Sevilla | Zitrusfrüchte
Zitrusfrüchte in Sevilla: bald nicht mehr zu bewässern?Bild: Stefanie Claudia Müller/DW

Der Stadtrat von Alcalá de Guadaíra, Jesús Mora, hat es nicht einfach bei seiner Promotour durch die 75.000-Einwohner Stadt in der südspanischen Provinz Sevilla. Hier gibt es zwar schöne alte Burgen und Stadtmauern, aber auch viele hässliche Hochhäuser. Es wird deutlich, dass es lange keinen Plan bei der Besiedlung gab.

"Hier sollen zukünftig viele Touristen hinkommen, auch dank des Next-Generation-EU-Fonds", sagt der stellvertretende Bürgermeister der DW. Der Fonds ist Teil des Konjunkturpakets der EU, das während der Corona-Pandemie 2021 aufgelegt wurde.

Alcalá de Guadaíra hat keine Direktverbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die rund 15 Kilometer entfernte Provinzhauptstadt Sevilla mit ihrem wesentlich schöneren Stadtzentrum. Touristen anzulocken ist daher ein schwieriges Unterfangen.

Mehr als 45 Grad im Schatten

Zwar gibt es eine grüne Oase um den Fluß Guadaíra, aber der Atlantik ist noch eine Autostunde entfernt, das Mittelmeer sogar zweieinhalb Stunden.

Der sonnige Winter ist attraktiv für Nordeuropäer, aber von Juni bis September wird das Leben für Menschen in der Provinz von Sevilla von Jahr zu Jahr unerträglicher.

Spanien Alcalá de Guadaíra | Grüne Oase ohne touristische Infrastruktur
Alcalá de Guadaíra hat viele grüne Ecken, aber wenig Infrastruktur für TouristenBild: Stefanie Claudia Müller/DW

Die Temperaturen klettern dann nicht selten über 45 Grad im Schatten. Monatelang ist es in Spanien staubtrocken. Dann kommen Starkregen, die zu Überschwemmungen führen können.

Tropische Winde, roter Wüstenstaub, Hochwasser, Waldbrände und starke Temperaturschwankungen sind in Spanien an der Tagesordung.

Zwischen Ende Oktober und Anfang November 2024 starben bei Überschwemmungen in Valencia und Albacete im Südosten des Landes 222 Menschen in den Fluten. Die Katastrophe hat das Land wach gerüttelt. 

Zerstörung und Tote nach Sturzfluten in Spanien

Schutz vor Überschwemmungen

Sevilla, das auch Hauptstadt der südspanischen Region Andalusien ist, blieb diesmal von Überschwemmungen weitgehend verschont: "Die Stadt hat schon vor vielen Jahren vorgesorgt, dass Starkregen in ein unterirdisches Schwammsystem ablaufen kann", sagt Rafael Miranda Ferrer der DW.

Der Architekt ist Generaldirektor des Immobilienentwicklers Caralca. Seine Firma ist einer der Nutznießer der vielfältigen EU-Fonds, die das bevölkerungsdichte Sevilla bis 2030 klimaneutral machen sollen.

Wegen vieler dramatischer Überschwemmungen in der Vergangenheit wurde schon vor 20 Jahren begonnen, die Pegelstände des einzig schiffbaren spanischen Flusses Guadalquivir durch Schleusen zu kontrollieren. Finanziert wurde das damals mit EU-Mitteln.

Auch jetzt, wo Spanien nicht mehr viel Zeit bleibt, die Siedlungs- und Landwirtschaftssünden der Vergangenheit zu beheben, kommt das Geld für Veränderungen von der EU. Das 100-Städte-EU-Programm für klimaneutrale Städte (NetZeroCities), an dem Sevilla mit sechs weiteren spanischen Provinzen teilnimmt, finanziert den Umbau mit.

Ziel: Klimaneutrale Städte

Vorbild ist das Passivhaus-Prinzip. Die Stadtzentren sollen heruntergekühlt werden, u.a. durch mehr Brunnen und mehr Bäume. In der Innenstadt von Sevilla wird das Wasser dafür schon jetzt in unteridischen Regenauffangbecken gesammelt. 

Rund 1,7 Milliarden Euro will die Provinz Sevilla bis 2030 in die Renovierung und den Ausbau von Infrastruktur investieren, die zu Klimaneutralität beitragen.

Dazu gehört auch ein grüner und sozial-ausgerichteter Ausbau der Stadt Sevilla nach Süden, weil in der betonierten Innenstadt das Leben immer schwieriger und wegen des Tourismus-Booms auch immer teurer wird.

Spanien Sevilla | Brunnen und Wasserspiele zur Kühlung der Stadt
Brunnen und Wasserspiele sollen helfen, Sevilla abzukühlenBild: Stefanie Claudia Müller/DW

Die Gesamtsumme der EU-Beteiligung an den vielen Bau-Vorhaben der kommenden Jahre ist den Projekt-Verantwortlichen, die sich unter dem Dach "Sevilla One City" vereint haben, noch nicht bekannt. Das liege auch daran, sagt Miranda Ferrer, dass jeder Plan genau geprüft und kofinanziert werden müsse, bevor Brüssel die Kasse öffne.

Andalusien gehörte in den vergangenen Jahrzehnten zu den spanischen Regionen, in denen Korruption mit Beteiligung von Immobilienfirmen, Sparkassen und Bauämtern besonders häufig vorkam. Zu dieser Einschätzung kam der oberste Gerichtshof von Andalusien (TSJA) in seiner jährlichen Justizstatistik.

Viele Gerichtsprozesse laufen noch. Angesichts der Klima-Herausforderungen verspricht Andalusien nun einen Neustart.

Wachstum durch EU-Mittel

Ganz wichtig ist dabei auch das Thema Mobilität in Sevilla, wo Staus an der Tagesordnung sind und Autos die Luft verpesten. "Wir bauen deswegen gerade die Metro und den Nahverkehr aus", erklärt Miranda Ferrer.

Spanien Überschwemmungen
In Valencia wurden Ende Oktober 2024 auch Autos von den Fluten mitgerissenBild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Städte wie Madrid, Barcelona, Valencia, Valladolid, Vitoria-Gasteiz und Zaragoza haben ähnliche Probleme, wenn auch nicht mit so extremen Temperaturausschlägen. Sie sind seit 2022 ebenfalls Teil des EU-Programms NetZeroCities.

Spaniens Wirtschaft ist im vergangenen Jahr um 2,5 Prozent gewachsen, deutlich stärker als der Rest der EU. Das EU-Programm für klimaneutrale Städte ist für Spanien besonders wichtig, da es stark unter der Landflucht und einer Überlastung der Städte leidet.

Mittelmeerlage wird zum Nachteil

Ob der Wettlauf mit der Zeit gelingt, bleibt fraglich. "Die Aussichten für Südspanien sind dramatisch", sagt der spanische Meeresbiologe Antonio Turiel der DW.

Er forscht seit Jahren am staatlichen CSIC-Institut zu den Klimaveränderungen im Mittelmeer. "Wir müssen uns enorm beeilen, wenn wir noch was ändern wollen", sagt er.

Ein großer Teil von Spaniens Küste liegt am Mittelmeer. Das Mittelmeer aber erwärmt sich schneller als der globale Durchschnitt, auch steigt der Meeresspiegel dort stärker als in den Ozeanen.

Das geht aus dem Bericht "Mediterranean Assessment Report (MAR1)" hervor, der vom Wissenschaft-Netzwerk MedECC herausgegeben wird.

"Andalusien wird zur Wüste"

Auch die Durchschnittstemperatur im Atlantik liegt um 1,1 Grad über dem langjährigen Mittelwert, wie die Arbeitsgruppe Ozeanographie an der britischen Universität Reading ermittelt hat.

Spanien Erdbeeranbau sorgt in Spanien für Streit
Der Anbau von Erdbeeren - wie hier im andalusischen Almonte - benötigt viel WasserBild: Bernat Armangue/dpa/AP/picture alliance

"Das führt zu immer tropischeren Wetterphänomen", erklärt der spanische Agrarberater und Ökologe Markos Gamboa gegenüber DW. "Die verheerende Fluten in diesem Jahr sind die Konsequenz von einer falschen Besiedlungs- und Landwirtschaftspolitik an der Küste und Rekordtemperaturen in diesem Sommer".

Eine Karte, die das spanische Umweltministerium MITECO auf seiner Webseite publiziert, weist große Teile Spaniens als trocken (semi-arid) bzw. sehr trocken (arid) aus - keine guten Bedingungen für Landwirtschaft. Dennoch werden auch rund um Sevilla weiter Oliven, Beeren und Zitrusfrüchte angebaut.

"Andalusien wird in den nächsten Jahrzehnten immer mehr zu einer Wüste werden und wir haben das Wasser für eine künstliche Bewässerung nicht", warnt Gamboa.

Sein Fazit: Spanien müsse seine auf den Export fixierte Landwirtschaft reduzieren, und zwar möglichst schnell. Davon redet in Spanien jedoch niemand.

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