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Solidarität mit der Ukraine: "Konzert für Menschlichkeit"

2. Oktober 2024

Beim Benefizkonzert des Roten Kreuzes in der Tonhalle Düsseldorf demonstrierten die Musiker des Kyiv Symphony Orchestra ihr Können. Internationale Stars kamen, um die Ukraine zu unterstützen.

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Musiker mit Instrumenten auf der Bühne, einige halten Blumensträuße in den Händen, ein Mann spricht in ein Mikrofon.
Stars und Blumen beim "Konzert für Menschlichkeit" in DüsseldorfBild: Ansgar Maria van Treeck

Wenn es um den Kampf für Freiheit, Menschlichkeit und Selbstbestimmung geht, ist die Musik von Ludwig van Beethoven gut platziert. Und so startete das  "Konzert für Menschlichkeit" am 1. Oktober 2024 in der Tonhalle Düsseldorf mit Beethovens Coriolan-Ouvertüre. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte die Schirmherrschaft des Abends übernommen, der ukrainische Botschafter Oleksij Makejew war anwesend, ebenso Vertreter der nordrhein-westfälischen Landespolitik.

Das Publikum bekam fast drei Stunden Musik auf hohem Niveau geboten - schließlich waren es Stars von Weltrang, die ihrem Terminkalender Zeit für diesen Abend abgerungen hatten, um ihre Solidarität mit der Ukraine zu bekunden: Tenor Rolando Villazón schmetterte Verdi-Arien, Albrecht Mayer, Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker, begeisterte mit Bach. Cellist Daniel Müller-Schott brachte ein feuriges Konzert von Friedrich Gulda mit. Violinist Daniel Hope spielte nicht nur solo, sondern stellte sich in die Reihen der ukrainischen Streicher, um mit ihnen die ukrainische Nationalhymne zu spielen: "Noch ist die Ukraine nicht gestorben" - ein Befreiungslied aus dem 19. Jahrhundert, dessen Botschaft heute aktueller denn je klingt.

Ein Mann singt laut mit ausgebreiteten Armen, hinter ihm einige Orchestermusiker.
Rolando Villazón: großer Musiker und Ukraine-FreundBild: Ansgar Maria van Treeck

Der deutsche TV-Nachrichtensprecher Constantin Schreiber führte nicht nur als Moderator durch den Abend, sondern begleitete auch die elfjährige Cellistin Charlotte Melkonian am Flügel. Und auch wenn Schreiber für die nächste Zeit wahrscheinlich keine Karriere als Pianist plant: Es rührte zu Herzen. Wie auch der ganze Abend, der mit Standing Ovations und einem hohen Spendenauflauf zu Ende ging und von der Plattform "Stage+" live und kostenlos gestreamt wurde.

Deutsches Rotes Kreuz Düsseldorf: tatkräftige Unterstützung für die Ukraine

Zu diesem Benefizkonzert hatte das Deutsche Rote Kreuz Düsseldorf  (DRK Düsseldorf) eingeladen. Die Hilfsorganisation war seit den ersten Tagen des Krieges für die ukrainischen Kriegsopfer da - sowohl im angegriffenen Land selbst, als auch in Deutschland. Über eine Million geflohener Ukrainer sind hier gestrandet, und für viele ist das DRK die erste Adresse bei der Hilfesuche.

Notunterkünfte für Geflüchtete, ein riesiges Zelt mit einfachen Etagenbetten.
Notunterkunft des Deutschen Roten Kreuzes am ehemaligen Berliner Flughafen TegelBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

"Wir unterstützen das ukrainische Rote Kreuz derzeit durch 100 mobile Gesundheitsstationen, weil die örtliche Gesundheitsvorsorge stark beeinträchtigt ist", sagte Stefan Fischer, Vorstandschef des DRK Düsseldorf der DW am Rande des Konzertes. "Das weitere große Thema ist die psychisch-soziale Unterstützung, vor allem für traumatisierte Kinder und Frauen." Im Pilotprojekt-Modus werden Community-Zentren aufgebaut, wo Kinder und ihre Eltern ein Stück Normalität mitten im Krieg erleben können. "Gleichzeitig möchten wir die Flüchtlingsarbeit des Roten Kreuzes hierzulande stärken. Unsere Mitarbeitenden sind tagtäglich damit betraut, Geflüchteten aus der Ukraine, die in Deutschland ein neues Zuhause gefunden haben, zu helfen", so Stefan Fischer.

Stephan Frucht: weg vom Trauermodus in Bezug auf die Ukraine

"Meine Botschaft ist ganz klar: Versucht nicht, die Ukraine jetzt immer nur im Trauermodus zu verstehen", sagte der Musiker und Musikmanager Stephan Frucht im DW-Gespräch. Frucht, der das Konzert elegant und dynamisch vom Dirigentenpult aus leitete, war die treibende Kraft hinter diesem Benefiz-Event.

Eine junge Cellistin lächelt auf der Bühne, neben ihr ein applaudierender Mann.
Der Macher und ein Jungstar: Stephan Frucht und Charlotte Melkonian in DüsseldorfBild: Ansgar Maria van Treeck

Vor knapp einem Jahr hatte Frucht bei einer Veranstaltung zufällig Vertreter des Kyiv Symphony Orchestra kennengelernt und war ihrer Einladung zu einem Konzert in der Berliner Philharmonie gefolgt. Die hohe musikalische Qualität des Orchesters überraschte den Dirigenten Frucht zwar nicht, schließlich handelt es sich um einen der führenden ukrainischen Klangkörper. Er war aber von dem ungebrochenen Willen der Musiker, trotz der furchtbaren Tragödie des Krieges in ihrem Beruf zu bestehen, zutiefst berührt.

11-järhiege Cellistin in Rosa, junbger Mann am Flügel
Nicht nur "Tagesschau": Constantin Schreiber war auch als Klavierbegleiter zu erlebenBild: D. Stursberg/DRK Düsseldorf

"Ich habe dabei Musiker und Menschen kennengelernt, die trotz dieser schlimmen Lage so viel Kraft und Energie aufbringen und auch so positiv und freundlich denken", so Stephan Frucht zur DW. "Als Deutscher muss ich mich manchmal schämen, dass wir oft so miesepetrig sind und einfach nicht sehen, was für unfassbar tolle Menschen zu uns gekommen sind. Sie sind bereit, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, sich zu engagieren und trotz allem auch fröhlich zu sein."

Frucht agierte nach dieser ersten Begegnung gleichermaßen fröhlich: Er bot dem Orchester seine Unterstützung an, die dankbar angenommen wurde. Es folgte eine Reihe von Konzerten - oft mit Solisten, die Stefan Frucht eingeladen hatte. Das Benefizkonzert in Düsseldorf läutete nun eine neue Ära in der Geschichte des Orchesters ein.

Musiker des Kyiv Symphonie Orchestra posieren in einer verlassenen Fabrikhalle.
Lassen sich nicht unterkriegen: Musikerinnen und Musiker des Kyiv Symphony OrchestraBild: Dmytro Larin/Kyiv Symphonie Orchestra

Kyiv Symphony: Musikalische Botschafter der Ukraine, am Rhein zuhause

Aber wie kam es, dass ein ganzes ukrainisches Orchester in Deutschland strandete und sich hier eine neue Existenz aufbaute?

Eines Tages wird die Geschichte des Kyiv Symphony Orchestra bestimmt Stoff für einen Film oder einen Roman liefern. Das Orchester wurde vor genau 45 Jahren gegründet und bietet ein breites Repertoire von großen symphonischen Werken bis zur leichteren Muse und neuer Musik. Im April 2022, als russische Panzer Richtung Kiew rollten, gingen die Musiker auf eine vor langer Zeit geplante Deutschland-Tournee. Die deutsche Presse jubelte: "Mit Klassik gegen Raketen", "Musik als Waffe", "Für die kulturelle Präsenz der Ukraine" lauteten die Überschriften. "Insgesamt sind damals mehr als 400 Beiträge über uns erschienen", erzählt die Orchester-Managerin Alexandra Zaitseva.

Dann wurde es etwas stiller. Die Musiker entschieden, für die Zeit des Krieges in Deutschland zu bleiben und dabei weiter als Orchester zu bestehen. "Wir verstehen uns als Kulturbotschafter der Ukraine", sagt Zaitseva der DW.

Ein älterer Herr, eine junge Frau und weitere Personen stehen in einem Gang und lachen.
Optimisten Backstage: Petro Olexijowych Matiash (links), Wart und Maskottchen des Orchesters, Managerin Zaitseva (Mitte) mit Mitgliedern des Kyiv SymphonyBild: DW

Nach einer Zwischenstation im thüringischen Gera kam das Orchester im Sommer 2024 nach Monheim. Die Stadt am Rhein hat alle 73 Musiker und ihre Familien für eine Zeit von drei Jahren aufgenommen; die Kiewer Symphoniker sind für diese Zeit Angestellte der Monheimer Kulturwerke.

"Für uns ist es sehr wichtig, nicht einfach ein Flüchtlingsorchester zu sein, das spontan mal hier und mal da was spielt", sagt Alexandra Zaitseva. "Unser Schwerpunkt soll weiterhin bei musikalisch hochkarätigen Programmen liegen, die eine Botschaft der Humanität vermitteln - nicht nur für die Ukraine, sondern auch für Europa, für die Welt." Von daher sei der Titel der Düsseldorfer Benefiz-Veranstaltung - "Konzert für die Menschlichkeit" - gewissermaßen auch ein Motto des Orchesters.

"Am liebsten würde ich schon morgen nach Kiew zurückkehren", sagt Petro Oleksijowych Matiash, der 78-jährige Orchesterwart und Bibliothekar. In Deutschland, besonders in Monheim, fühlt sich Matiash, eine Legende der Kiewer Musikszene, aber auch pudelwohl: "In den zweieinhalb Jahren in Deutschland habe ich nur Gutes erlebt, die Menschen sind so freundlich und voll Unterstützungsdrang."

Mit seinen jüngeren Kollegen und Kolleginnen teilt Matiash einen Traum, ja eine Vision: "Es fehlt bei uns in Kiew ein großer, moderner Konzertsaal, die Philharmonie ist eigentlich ein Domizil aus dem 19. Jahrhundert und viel zu klein. Vielleicht entsteht nach dem Sieg ein moderner Musikkomplex, das auch unser neues Zuhause werden könnte."