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Singapur feiert seinen Erfolg

Rodion Ebbighausen9. August 2015

Vor 50 Jahren wurde Singapur unabhängig. Seither hat der Stadtstaat eine bemerkenswerte wirtschaftliche Erfolgsgeschichte geschrieben. Doch große Herausforderungen liegen vor dem Land.

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Singapur Skyline mit Hafen
Bild: picture alliance/Robert Harding World Imagery

Am Wochenende feiert die Fünfeinhalb-Millionen-Einwohner-Metropole Singapur 50 Jahre Unabhängigkeit. Der offizielle Tag der Unabhängigkeit ist Sonntag, der 9. August. Die Menschen haben bereits seit Freitag Zeit, das Jubiläum "SG50" gebührend zu zelebrieren. Die Museen locken mit Sonderausstellungen, zahlreiche Veranstaltungen sind geplant. Die Geschichte der Nation und die Einheit des multiethnischen Stadtstaates stehen im Mittelpunkt der Feierlichkeiten, so die Regierung in einer offiziellen Stellungnahme.

Höhepunkt der Veranstaltung ist eine Parade mit Feuerwerk auf dem Padang, dem zentralen Platz im Zentrum der Stadt. Siegfried Herzog, Leiter des Regionalbüros der Friedrich-Naumann-Stiftung in Singapur, ist sich sicher: "Das ist ein wichtiges Ereignis, das auch in der ganzen Region wahrgenommen wird. Denn Singapur gilt vielen - auch wenn es nur ein kleiner Stadtstaat ist - als Vorbild, das mit einer Mischung aus Bewunderung und Neid betrachtet wird."

Unabhängigkeit in schwierigen Zeiten

Die Bewunderung und der Neid haben viel mit der Erfolgsgeschichte des Landes zu tun. 1965 wurde Singapur unabhängig. Zwei Jahre zuvor hatte sich die Stadt mit Malaya, Sabah und Sarawak zu Malaysischen Föderation zusammengeschlossen. Doch Spannungen mit dem Parlament in Kuala Lumpur und ethnische Unruhen führten am 9. August zum Ausschluss Singapurs aus der Föderation und damit erzwungenermaßen zur Unabhängigkeit.

Die neu gegründete Nation unter der Führung des später weltbekannten Premierministers Lee Kuan Yew stand vor großen Herausforderungen: hohe Arbeitslosigkeit, ethnische Spannungen, extremer Raum-, Ressourcen- und Wassermangel, keine eigene Armee in einem Umfeld mit feindlich gesonnen Nachbarn - um nur einige Probleme auf einer langen Liste zu nennen. Von jetzt auf gleich musste der Stadtstaat sich neu erfinden und seinen politischen und wirtschaftlichen Platz in der Region finden.

Singapur Arbeiter im Hafen
Singapur ist seit jeher ein wichtiger Umschlagplatz für Waren. Das Bild zeigt den Hafen im Jahr 1955.Bild: picture alliance/AP Images

Der große Boom

In dieser schwierigen Lage habe die Regierung einiges richtig gemacht, sagt Herzog. Sie habe sich gefragt: "Welche Rolle können wir jetzt in der Region spielen? Was können wir, was die anderen nicht können?" Dabei habe Premier Lee auf stabile Institutionen, einen funktionierenden Rechtsstaat und gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft gesetzt. "Dafür würden die Nachbarn viel länger brauchen, einfach weil es größere und komplexere Gesellschaften sind. Ein Stadtstaat ist einfach leichter zu regieren", sagt Herzog.

Jan Seifert vom GIGA-Institut für Asienstudien in Hamburg gießt etwas Wasser in den Jubiläumswein. Den von Premier Lee gern beschworenen Mythos vom Dritte-Welt-Land-zur-Industrienation-in-einer-Generation, und zwar allein aus eigener Kraft, kann er nicht ganz teilen. Er weist darauf hin, dass Singapur im Jahr der Unabhängigkeit bereits eine der reichsten Städte Asiens mit einem wichtigen Hafen war. Es gab ein gut etabliertes britisches Rechtssystem. Aufgrund der multiethnischen Bevölkerung hatte der Stadtstaat Zugang zum britischen, chinesischen und indischen Sprach- Kultur- und Wirtschaftsraum. Vor allem sei die Lage an der Südspitze der malaysischen Halbinsel entscheidend gewesen. Auch Herzog spricht vom "Geschenk der Geografie". Die Stadt liegt nämlich am Schnittpunkt von Indischem und Pazifischem Ozean. Das macht den Handel seit Jahrhunderten beinahe zum Selbstläufer. Seifert resümiert: "Das Land hatte beste Ausgangsvoraussetzungen für eine gute Entwicklung."

Gute Voraussetzungen, die geschickt genutzt wurden, ließen Singapur wirtschaftlich dann tatsächlich schnell in die erste Liga aufsteigen. Das Land mit einem Pro-Kopf-Einkommen von etwas mehr als 500 US-Dollar im Jahr 1965 wies im Jahr 2014 ein Pro-Kopf-Einkommen von über 55.000 US-Dollar auf. Es gehört damit laut Weltbank und Internationalem Währungsfonds zu den zehn wohlhabendsten Nationen der Welt.

Singapur Skyline mit Hafen
Die Quelle des Reichtums: Der zweitgrößte Hafen der WeltBild: Getty Images/AFP/R. Rahman

Herausforderungen für die Zukunft

Singapur wird allein aufgrund seiner geografischen Lage ein Knotenpunkt des Welthandels bleiben. Entscheidende Herausforderungen für die Zukunft liegen demnach weniger in der Wirtschaft.

Das drängendste Problem, das auch täglich in den Zeitungen zu finden ist, sind die stetig steigenden Lebenshaltungskosten. Das trifft vor allem die ältere Generation hart, wie Seifert erläutert: "Das Wirtschaftsmodell beruht auf Eigenversorgung." Der westliche Wohlfahrtsstaat sei immer das ideologische Feindbild gewesen. Die Rentenversicherung war beispielsweise ein Sparsystem. Die sogenannte Pioniergeneration, die das Land aufgebaut hat, hat zwar fünfzig Jahre gearbeitet, konnte aber bei niedrigen Einkommen nur niedrige Beträge ansparen, so dass sie sich das Leben heute kaum noch leisten kann. Die Folge: "Das ganz harte Wirtschaftsmodell, dieses jeder kümmert sich um sich selbst, davon rückt Singapur gezwungenermaßen etwas ab." Ob das allerdings reiche, um die sozialen Verwerfungen auszugleichen, sei keineswegs ausgemacht, sagt Seifert.

Eine andere ungelöste Frage ist, wie der Stadtstaat mit dem demografischen Wandel und der erheblichen Zahl ausländischer Arbeitskräfte umgeht. Wie in den meisten Industrienationen fehlt es in Singapur an Kindern. Um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu erhalten, ist das Land auf Zuwanderung angewiesen. Schon heute sind von den 5,4 Millionen Einwohnern etwa zwei Millionen Ausländer. Doch ihr zukünftiger Status ist, obwohl sie teilweise schon seit Jahren im Land leben und arbeiten, ungeklärt. Herzog sagt: "Wie man die große Zahl ausländischer Arbeitskräfte integriert, ob man ihnen irgendwann die Staatsbürgerschaft gibt, ist ebenfalls eine große Herausforderung."

Für die Lösung all dieser Fragen braucht es neue Ideen. Aber daran mangele es den singapurischen Eliten, so Seifert. Ein starres Gruppendenken sei weit verbreitet. "Alle denken das gleiche, und zwar das, von dem man glaubt, dass die Regierungspartei will, dass man es denkt." Es fehle einfach an Kreativität, ohne die ein entwickeltes Land nicht bestehen kann. Das verweist zugleich auf ein grundlegendes politisches Problem, wie Herzog sagt. Der autoritäre Führungsstil Lee Kuan Yews bestehe in abgemilderter Weise bis heute. Aber: "Die Menschen wollen mehr politischen Freiraum."