1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Das Recht am eigenen Ei

Frank Sieren7. August 2015

Das chinesische Gesundheitsministerium verbietet Frauen, ihre Eizellen einzufrieren. Nur noch unfruchtbare, verheiratete Paare können dies tun. Ethische Gründe hat das aber nicht, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

https://p.dw.com/p/1GBbV
Eine Labormitarbeiterin bestückt eine Einfriermaschine mit Gewebeproben (Foto: Daniel Karmann dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Letzte Woche hat Xu Jinglei, eine der bekanntesten chinesischen Schauspielerin öffentlich erzählt, dass sie vor zwei Jahren ihre Eizellen für eine spätere Schwangerschaft eingefroren habe. Das ist in China verboten. Nun ist in den sozialen Medien eine Diskussion darüber entbrannt, ob die Regierung jetzt auch noch über die Eizellen von Chinas Frauen bestimmen darf? Denn seit einigen Jahren schon ist das Einfrieren von Eizellen für Single-Frauen verboten. Nur noch krebskranke Patientinnen oder verheiratete Paare, von denen ein Partner unfruchtbar ist, dürfen Eizellen für eine künstliche Befruchtung einfrieren lassen.

Da in China weder der Papst noch die katholische Kirche einen direkten Einfluss auf die Regierung ausüben, stellt sich die Frage: Warum lässt Peking Chinas Frauen nicht so viele Eizellen einfrieren, wie sie wollen? Eine Antwort wäre, dass die Zentralregierung die traditionelle Familienform für die beste hält. Ansonsten kann die Botschaft nur lauten: Denkt nicht, dass ihr machen könnt, was ihr wollt. Das allerdings ärgert die Bevölkerung in den großen Städten – vor allem die modernen Frauen. Sie sind jedoch im Vergleich zur Landbevölkerung eine kleine Minderheit. Eine Minderheit allerdings, die sich gut Gehör verschafft.

Sorge vor Kontrollverlust?

Zurecht wollen die Frauen ihr Leben selbst planen, indem sie, bevor sie 40 Jahre alt werden, ihre Eizellen einfrieren. Damit schlagen sie gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Denn einerseits müssen sie nicht mehr unbedingt heiraten und den richtigen Mann dazu finden, sie brauchen auch beruflich nicht mehr zurückzustecken und können sich voll auf die Karriere stürzen, anstatt Windeln zu wechseln und sich um ein Baby zu kümmern. In der westlichen Welt vermuten Forscher, dass das Einfrieren von Eizellen, und damit die zeitliche Verlängerung der weiblichen Fruchtbarkeit die Frauen psychologisch entspannt. Das gilt natürlich für Frauen in den chinesischen Megastädten ebenso.

Zwar gibt es keine offiziellen Zahlen darüber, wie viele Eizellen in Chinas Ei-Banken liegen. Aber allein ein einzelnes Krankenhaus in Peking bezifferte die Zahl der Fälle auf 300. Tendenz steigend. Eigentlich müsste die Regierung sich über diese Entwicklung freuen. Denn China braucht dringend Kinder, die das Rentensystem finanzieren. Li Yinhe, eine der führenden chinesischen Sexforscherinnen, versucht, das Problem auf den Punkt zu bringen: Der Staat denkt, wenn er den Single-Frauen das Recht gibt, ihre Eizellen einzufrieren, dann würde ihm die Kontrolle über die Bevölkerungsentwicklung in den Großstädten aus der Hand gleiten.

Frank Sieren (Foto: DW)
Bild: Frank Sieren

Bei den konservativen Bauern punkten

Auch die Bedeutung der Familie würde dadurch untergraben. Aber dafür ist das Phänomen im Grunde nicht bedeutend genug. Wahrscheinlich sind die Überlegungen der Regierung viel einfacher und politischer: Es geht dabei auch um Stabilität. Peking macht einen politischen Punkt bei der konservativen Bauernmehrheit. Und die heftige aber überschaubare Frauendebatte in den Städten nimmt sie dafür gerne in Kauf. Stoppen kann Peking das Phänomen sowieso nicht: Die chinesischen Frauen können nach Südkorea oder Hongkong fliegen und sich dort behandeln lassen. Das Geld dafür haben die erfolgreichen Frauen allemal. Insofern ist die Entscheidung sehr ärgerlich, aber nicht dramatisch, und durchaus nachvollziehbar.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.