Sieben Lehren der Hinrunde
23. Dezember 20161. Mia san anders
Trotzdem thront der FC Bayern München zur Winterpause ganz oben. Aber nach der Guardiola-Dominanz des vergangenen Jahres vernimmt die ganze Liga das hörbare Knirschen im Bayern-Getriebe mit Wonne. Zunächst wird Trainer Carlo Ancelotti für die taktischen Freiheiten, die er dem Team lässt, bejubelt, später für Schlendrian seiner Profis kritisiert. Der kaugummiliebende Italiener malmt das alles routiniert weg. Bei der Machtdemonstration im Spitzenspiel gegen RB Leipzig ist sein Team schließlich voll da. Dennoch beträgt der Bayern-Vorsprung vor dem Aufsteiger nur drei Punkte. Diese Spannung kann nur gut sein für alle: für die Bayern selbst und den Rest der Liga.
2. Erfolg ist planbar
Das muss Ralf Rangnick verinnerlicht haben. Als Sportdirektor mischt er mit RB Leipzig die Liga auf und kitzelt schon zum zweiten Mal mit einem Newcomer am Alleinherrscher-Anspruch der Bayern. Die Philosophie ist noch kompromissloser als damals in Hoffenheim. Der Kader ist jung, der Fußball Vollgas. Das beschert den Fans begeisternde Spiele. Am zweiten Spieltag feiert RB in dramatischer Manier den ersten Bundesliga-Heimsieg gegen Vizemeister Dortmund. Und der 3:2-Auswärtserfolg in Leverkusen ist vermutlich die aufregendste Partie der Hinrunde. Des Brause-Geldes wegen mögen manche Leipzig verschmähen, der Spielweise wegen sicher nicht.
3. Jugend schützt vor Leistung nicht
Was ist nicht alles über das jugendliche Alter von Hoffenheims Coach Julian Nagelsmann geschrieben worden. Mit gerade mal 28 Jahren übernimmt er überraschend schon im Frühjahr 2016 das Traineramt bei der TSG. Damals steht der Klub auf Tabellenplatz 17. Autorität durch Alter benötigt er ganz offensichtlich nicht. Er überzeugt mit Fachwissen und Leidenschaft und schafft den Klassenerhalt. In dieser Saison steigert sich Hoffenheim weiter. Unter Nagelsmann blühen Spieler wie Sebastian Rudy, Sandro Wagner und Andrej Kamaric auf. Die Unentschieden-Könige der Liga (10 Remis in 16 Partien) sind als eines von zwei Teams in Europa noch ungeschlagen. Die andere Mannschaft ist übrigens Real Madrid.
4. Auch Tradition schützt vor Leistung nicht
Hertha BSC, Eintracht Frankfurt und der 1. FC Köln mischen das Verfolgerfeld auf. Wobei das sicher weniger am Status als Traditionsverein liegt, als vielmehr an den nüchternen Typen, die sagen, wo es langgeht. Ob Trainer Pal Dardai in Berlin, Frankfurts Coach Niko Kovac oder Peter Stöger beim FC - alle drei neigen weniger zum Sprücheklopfen als vielmehr dazu, ihren Mannschaften je nach Gegner eine gute Ordnung zu verpassen. Außerdem nutzen die Klubs ihren Heimvorteil konsequent. Frankfurt und Köln sind zu Hause noch ungeschlagen, bei der Hertha stehen einer einzigen Niederlage sieben Heimsiege gegenüber.
5. Von Top zu Flop ist es nicht weit
Beste Beispiele für diesen Lehrsatz liefern in dieser Saison die Champions-League-Teilnehmer Borussia Dortmund und Bayer 04 Leverkusen. Beide Teams verfolgen auch in der Liga hohe Ziele. Der BVB geht allerdings nur als Sechster in die Winterpause. Es fehlt schlicht die Konstanz. Zwar gewinnen die Dortmunder mit einer tollen Leistung gegen den FC Bayern und stürzen die Münchener vorübergehend von der Tabellenspitze. Eine Woche später verlieren sie jedoch in Frankfurt, die Leistung ist so dürftig, dass die Wut in Coach Thomas Tuchel brodelt. Leverkusen wiederum schlägt Dortmund und verliert dann in Bremen. So überwintert Bayer zwar in der Champions League, liegt in der Bundesliga aber nur auf Rang neun. Trainer Roger Schmidt wirddie Krisengespenster nie so recht los.
6. Trainersein ist kein Ruhekissen
Dafür ist der Job viel zu unsicher. Kurz vor Weihnachten muss auch André Schubert gehen. Borussia Mönchengladbach entlässt den Coach nach einer Hinrunde im Sinkflug. Momentane Flughöhe: 14. Tabellenplatz. Damit haben inzwischen sieben Klubs den Piloten an der Seitenlinie getauscht. Skripnik, Labbadia, Hecking, Kauczinski, Meier, Schuster und Schubert mussten von Bord gehen. Von den Neuen am Ruder kann jedoch auch keiner einen richtigen Höhenrausch einleiten, Markus Gisdol in Hamburg und Maik Walpurgis in Ingolstadt gelingt es bei ihren Klubs, zumindest die Turbinen wieder anzuwerfen und einige Punkte zu holen.
7. Rekorde gibt es immer wieder
Die erwähnten sieben entlassenen Trainer sind schon der erste Rekordwert dieser Spielzeit. Das gab es noch nie in der Bundesliga-Historie. Ebenso wenig wie eine Halbzeit, in der eine Mannschaft kein einziges Foul begeht. Dieses Kunststück bringen die Bayern fertig: in der Partie gegen Borussia Mönchengladbach. Auch RB Leipzig setzt sich an die Spitze einer Bestenliste: noch nie war ein Aufsteiger länger ungeschlagen. Erst am 14. Spieltag ist es für Leipzig so weit.