Shah Rukh und Salman Khan: Bollywoods letzte Superstars?
26. Februar 2023Nach vier Jahren Pause ist Bollywood-Superstar Shah Rukh Khan wieder in einem Film zu sehen: Der am 25. Januar 2023 auf Hindi veröffentlichte Action-Thriller "Pathaan" hat zu dem Zeitpunkt, als dieser Artikel geschrieben wurde, bereits 122 Millionen US-Dollar (115 Millionen Euro) an den Kinokassen weltweit eingespielt - und damit mehrere Rekorde gebrochen: Es handelt sich nicht nur um den Hindi-Film mit dem höchsten Einspielergebnis aller Zeiten, sondern bislang auch um den Film mit dem siebthöchsten globalen Kassenerfolg im laufenden Jahr 2023.
In einer Filmszene spielen der 57-jährige Schauspieler Shah Rukh Khan, bei den Fans weithin bekannt als "SRK", und sein Kollege Salman Khan auf fehlende Nachfolger in der Hindi-Filmindustrie an. Obwohl als Witz dargestellt, ist dies tatsächlich Realität. Bis heute hat die Hindi-Filmindustrie - "Bollywood" - keinen anderen Star hervorgebracht, der das Level der "drei Khans" erreicht hätte. Zum Trio, das jahrzehntelang an der Spitze Bollywoods stand, gehört neben Shah Rukh und Salman auch Aamir Khan. Alle sind sie in ihren späten 50ern und nicht miteinander verwandt.
"Mit ihnen ist eindeutig eine Form von Nostalgie verbunden, weil sie eine allmählich verglühende Ära des Hindi-Kinos verkörpern. Außerdem haben sie jahrzehntelang eine solide Fan-Gemeinschaft aufgebaut", sagt Rosheena Zehra, Redakteurin und Kuratorin bei "Shorted", einer indischen Kurzfilm-Plattform.
Shah Rukh Khan, der "König der Romantik"
Zehra führt weiter aus, wie jeder der drei Khans eine Nische besetzte - Shah Rukh als der "König der Romantik", Salman als "bhai" oder Bruder und Aamir als der Intellektuelle. Sie begannen ihre Filmkarrieren ungefähr zur selben Zeit, nahmen aber unterschiedliche Wege. Aamir und Salman entstammen Schauspielerdynastien aus Bollywood, während Shah Rukh ein Außenstehender war, der aus der indischen Hauptstadt Neu-Delhi kam.
Aamir fiel bald in Quantität und Popularität der Filme hinter den anderen zurück. Doch egal, wie gut ihre Filme in den Kinos besucht oder welcher Ansicht die Kritiker waren - die drei Khans erfreuten sich stets großer Beliebtheit. Mit ihrem Charisma und ihrer großen Präsenz konnten sie Fans aus allen Altersgruppen und Gesellschaftsschichten für sich gewinnen.
Ewige Treue auf Seiten der Fans
Shah Rukh und Salman Khan zeigen sich regelmäßig in der Öffentlichkeit. Zu speziellen Anlässen - beispielsweise ihrem Geburtstag oder zu besonderen Feiertagen - treten sie auf eine extra dafür errichtete Plattform vor ihrem Wohnsitz und grüßen die Fans. Für Touristen in Mumbai sind ihre Anwesen ein Muss auf der Liste der Sehenswürdigkeiten der Stadt.
Die College-Studentin Rashi* und ihr Freundeskreis haben "Pathaan" zweimal in einem Monat geschaut. "Wir werden ihn ein drittes Mal ansehen und vielleicht auch ein viertes!" Obwohl sie den Film gar nicht mal so großartig finden, wollen sie ihn alle wegen Shah Rukh Khan ansehen. "Trotz allem, was er durchgemacht hat mit der Verhaftung seines Sohnes und der Polarisierung im Land, ist er ausschließlich positiv geblieben und wir werden ihm unsere Unterstützung zeigen", sagte sie der DW.
Shah Rukhs Sohn Aryan Khan wurde vergangenes Jahr verhaftet und wegen Drogendelikten in Gewahrsam genommen. Viele waren der Ansicht, dass er als muslimischer Star in einem Land mit wachsender islamfeindlicher Stimmung zu Unrecht ins Visier genommen worden war.
Einige Hindu-Randgruppen hatten auch gegen einen Song in "Pathaan" protestiert, in dem die Schauspielerin Deepika Padukone in einem safranfarbenen Bikini zu sehen ist. Die Farbe Safran hat im Hinduismus eine große Bedeutung. Sie wurde auch von einigen Hindutva-Gruppen - also von Gruppen, die einen hinduistischen Nationalismus fordern - als Farbe ihrer Flaggen übernommen.
Hoffnung in polarisierenden Zeiten
Die Popularität der Khans zieht oft den Zorn extremistischer Hindutva-Trolle in den sozialen Medien auf sich, mit einer steigenden Zahl an Angriffen auf Muslime. Shah Rukh und Salman haben sich indes weitgehend zurückgehalten, ihre politischen Ansichten publik zu machen.
"Ein Superstar ist auch jemand, der der Nation Hoffnung gibt in diesen dunklen und polarisierenden Zeiten. Über alle Schwierigkeiten hinweg hat SRK eine würdevolle Stille bewahrt. Durch seinen Film gab er uns allen ein hoffnungsvolles Wochenende. Können Sie sich irgendjemanden anderen vorstellen, der das kann?", sagt Abhishek Mande Bhot, Autor und ehemaliger Redakteur des Magazins GQ India.
Das Ende der "Superstars"
In dem Maße, wie die indischen Filme glatter und stilisierter wurden, haben sich auch die Khans dem Wandel der Zeit angepasst. Nun sprechen sie auch jüngere Generationen an.
"Die Khans waren auch unter den ersten, die erkannt haben, wie wichtig Fitness ist. Alle drei haben daran gearbeitet, Sixpacks zu bekommen, um als Helden glaubwürdig auszuschauen. Das unterscheidet sie von früheren Generationen, die nicht die Hauptrollen in Filmen übernehmen konnten, weil sie alt aussahen", erklärt Abhishek Mande Bhot.
Es gibt natürlich auch talentierte jüngere Schauspieler, wie den extrem populären Ranbir Kapoor, Ranveer Singh und auf der weiblichen Seite Deepika Padukone und Alia Bhatt. Doch meinen Beobachter der Filmindustrie, dass diese nicht den Status der Khans erreichen werden, weil es das Konzept des "Superstars" nicht mehr lange geben werde. Die weltweite Pandemie und die damit verbundenen Lockdowns waren ein Rückschlag für viele Bollywood Stars. Mit dem gewachsenen Online-Streaming-Angebot haben indische Zuschauer nun Zugriff auf Unterhaltung, die über das Mainstream-Kino weit hinausgeht.
"Die jüngeren Schauspieler sind übermäßig in den Sozialen Medien präsentiert, was den Mythos eines Superstars teilweise entzaubert, also das Geheimnis und die Aura, die sie zu dem gemacht haben, was sie sind", sagt Rosheena Zehra. "Jetzt muss ich einfach nur Instagram öffnen, um zu sehen, wie das Workout eines Schauspielers aussieht oder seine letzte Mahlzeit oder seine Ferien. Was ist daran 'super'?"
*Der vollständige Name der Interviewpartnerin wurde nicht veröffentlicht, um ihre Identität zu schützen.
Adaption aus dem Englischen: Verena Greb