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Politik

Sexualaufklärung schon mit zehn Jahren

Heiner Kiesel
20. Oktober 2016

Die meisten Zehnjährigen auf der Welt haben schlechte Zukunftschancen. Das soll sich ändern. Der UN-Bevölkerungsfonds will dabei vor allem bei den Mädchen ansetzen.

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Symbolbild HIV Prävention Aufklärung Sexualerziehung
Bild: Getty Images/AFP/S. Maina

Das Heft, das Bettina Maas in Händen hält, sieht ein bisschen nach Lifestyle-Magazin aus, aber es ist eines der einflussreichsten Papiere auf dem Feld der Entwicklungspolitik. Der Titel desUN-Weltbevölkerungsberichts 2016 zeigt zehn Porträts lächelnder Mädchen mit einer großen Zehn und der Aufschrift: "Wie unsere Zukunft von Mädchen in diesem Alter abhängt." Maas ist die Vertreterin des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) in Mosambik. "Es gibt 60 Millionen Mädchen in diesem kritischen Alter, 89 Prozent davon leben in weniger entwickelten Ländern." Sie weiß durch ihre Arbeit in dem südostafrikanischen Land, dass das Anliegen des Berichts bitterernst ist. "Die Mädchen sind an der Schwelle zum Erwachsenenalter und werden nicht ausreichend gefördert, gehen nicht zur Schule, werden früh verheiratet."

Das hat Folgen für die Entwicklung des ganzen Landes. "Gesunde, schulisch gebildete Mädchen haben später kleinere Familien und gehen oft einer bezahlten Arbeit nach", sagt Maas. Die UNFPA-Funktionärin spricht von einer "Zukunftsdividende", die aus einer Förderung gerade der Mädchen entsteht. "Das ist ein Gewinn für sie selbst und für alle anderen in ihrem Umfeld."

Wesentlich früher aufklären

Warum aber gerade die Konzentration des neuen Bevölkerungsberichts auf Zehnjährige? Ab diesem Alter gilt es, Chancen zu schaffen und Gefährdungen entgegenzuwirken. "Viele nehmen sich bereits im Teenager-Alter das Leben. Die Weltgesundheitsorganisation meldet, dass Selbstverletzungen bei Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren weltweit die höchste Todesursache sind", führt Maas aus. In manchen Regionen der Welt gelte ein Mädchen als heiratsfähig, wenn sie das elfte Lebensjahr erreicht hat, heißt es in dem Bericht. Dann drohe Kinderheirat und frühe Schwangerschaft. Die Gesellschaft übernimmt die Kontrolle über die jungen Mädchen. Und: In manchen Regionen ist dies das Alter, in dem Genitalverstümmelungen durchgeführt werden.

Renate Bähr
Renate Bähr will, dass sich auch die Bundesregierung für frühe Sexualerziehung einsetztBild: DW/H. Kiesel

Eine zentrale Strategie gegen viele der Probleme, die Mädchen den Weg in eine selbstbestimmte Zukunft verbauen, ist dem Bericht des Weltbevölkerungsfonds zufolge eine möglichst frühe und umfassende Sexualaufklärung. "Die Pubertät ist geprägt von Krankheiten der Sexualität", betont Renate Bähr, Geschäftsführerin der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW). Sie stelle schon seit langer Zeit fest, dass es viel zu spät ist, bei den 15- oder 16-Jährigen Mädchen anzufangen. Mit 18 habe dann jede fünfte Frau in den Entwicklungsländern bereits ein Kind, jede dritte sei verheiratet. "Da kann man sich an seinen fünf Fingern abzählen, dass es da schon zu spät ist."

Sexualaufklärung besser fördern

Bähr kritisiert die schwierige Situation bei der Finanzierung solcher frühen Aufklärungskampagnen. "Sowohl bei der UN als auch bei anderen öffentlichen Stellen ist es sehr schwierig, Geld für solche Programme zu bekommen. Es sei auch notwendig, den Begriff der Aufklärung weiter als bisher zu fassen. "Es geht nicht nur darum, dass die Mädchen wissen, wie man eine Schwangerschaft verhindern kann!"

Die DSW-Geschäftsführerin fordert, auch Deutschland solle mehr für die Sexualerziehung in den Entwicklungsländern tun. Sie vermisse diesen Aspekt in den betreffenden Bildungsprogrammen. "Bildung und Sexualerziehung gehören zusammen", unterstreicht Renate Bähr.

PK zum Weltbevölkerungsbericht Hans-Joachim Fuchtel
Hans-Joachim Fuchtel aus dem BMZBild: DW/H. Kiesel

Nach Angaben des Bundesministeriums für Entwicklungszusammenarbeit (BMZ) unterstützt Deutschland Programme zur selbstbestimmten Familienplanung und Müttergesundheit in 27 Ländern. Darin gebe es auch Elemente in dieser Richtung, erläuterte der Parlamentarische Staatssekretär Hans Joachim Fuchtel der DW. "Wenn es erforderlich ist, dann werden wir da nachlegen", versprach er.

6,2 Milliarden Menschen in geringer entwickelten Ländern

Laut UNFPA  leben 2016 rund 7,4 Milliarden Menschen auf der Welt. Seit 2010 ist die Weltbevölkerung um 1,2 Prozent gewachsen, am stärksten in Afrika südlich der Sahel-Zone. Das Wachstum betrug dort 2,7 Prozent. Für Osteuropa und Zentralasien hingegen weist der Bericht lediglich ein Wachstum von jeweils 0,9 Prozent aus.