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Spaß, Qual oder egal?

Brigitte Osterath2. Juli 2012

Geschlechtsverkehr ist für die meisten Tiere vermutlich ein reines Geschäft mit dem Ziel der Fortpflanzung. Lust und Schmerz spielen wohl weniger eine Rolle. Obwohl es bei Weibchen oft einen anderen Anschein macht.

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Zwei Moorfrösche bei der Paarung (Foto: picture alliance / dpa)
Bildergalerie Amphibiensterben MoorfröscheBild: picture-alliance / dpa

Der 200 Kilo schwere 150-Jährige klettert mit den Vorderfüßen langsam auf den Rücken seiner 50 Jahre alten Herzensdame. Und schon geht es los: Er beginnt zu stöhnen, die Panzer quietschen, als er sich bewegt. Sie hingegen scheint wenig Interesse an der Situation zu haben und hält einfach still. 15 Sekunden später ist alles vorbei.

Wer Seychellen-Riesenschildkröten bei der Paarung zuschaut, muss sich fragen: Was empfindet das Weibchen eigentlich dabei? Das gilt auch für viele andere Tierarten. Die ganze Aktion scheint stets Sache des Männchens zu sein, das Weibchen wirkt meist apathisch.

Der englische Biologe Justin Gerlach leitet eine Aufzuchtstation für Riesenschildkröten auf den Seychellen. Er hat das Verhalten der Tiere lange Zeit beobachtet. "Die Männchen belästigen die Weibchen quasi ununterbrochen", berichtet er. "Aber gerade in kleinen Gehegen können die Weibchen ihnen nicht davonlaufen. Weibliche Riesenschildkröten sind daher meist sehr viel nervöser als die männlichen. Man kann sich ihnen nur schwer nähern."

Riesenschildkröten bei der Paarung (Foto: picture alliance / dpa)
Riesenschildkröten bei der PaarungBild: picture alliance / dpa

Sex als Mittel zum Zweck

Ganz anders sieht es bei Schimpansen aus. Dort scheinen die Weibchen den häufigen Verkehr mit möglichst vielen Partner sogar zu suchen. Ist ein Weibchen fruchtbar, hat das Alpha-Männchen, der Boss der Gruppe, eigentlich Vorrechte. Trotzdem versuchen alle Männchen der Gruppe, das Weibchen mal zu begatten, wenn der Boss gerade nicht in der Nähe ist. Und das Weibchen hat nichts dagegen - im Gegenteil, es sucht den Kontakt sogar.

Die Weibchen verhalten sich aber nicht so, weil sie den Akt selbst so schätzen. Den wahren Sinn dahinter haben vor einiger Zeit Forscher um Tobias Deschner vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie untersucht. Indem sich die Weibchen mit möglichst vielen Männchen aus der Gruppe paaren, sorgen sie für Verwirrung, vermuten die Forscher: Die Männchen könnten sich dann nie sicher sei, wer der Vater eines Baby sei. Daher seien diese weniger bereit, den Nachwuchs - und damit einen möglichen künftigen Rivalen - zu töten.

Bonobos, eine andere Menschenaffenart, die in Zentralafrika heimisch ist, wiederum löst Spannungen und Konflikte durch sexuelle Aktivität. Bei den meisten Tierarten ist der Geschlechtsakt an sich aber "eher ein Geschäft", sagt der Biologe Sebastian Baldauf. Er hat an der Universität Bonn an sexueller Selektion geforscht, also daran, wie Tiere ihre Geschlechtspartner auswählen. Jetzt forscht er an der Universität im niederländischen Groningen. "Das Entscheidende ist die Partnersuche", sagt er. "Der Akt selber ist dann meistens sehr schnell und kein aufwendiger Prozess." Er glaubt, dass Tierweibchen dabei nicht viel empfinden.

Haben Tierweibchen einen Orgasmus?

Lange Zeit galt der weibliche Orgasmus unter Forschern als typisch menschlich. Allerdings gibt es auch Berichte, dass einige Menschenaffenweibchen, etwa Bonobos, ebenfalls dazu fähig seien. Immerhin stießen die Tiere währenddessen ganz besondere Rufe aus, berichten Wissenschaftler. Auch ziehe sich die Scheide der Weibchen dann zusammen.

Bonobo (Foto: flickr.com/graphicreality)
Auch Bonoboweibchen sollen angeblich zum Orgasmus fähig seinBild: flickr.com/graphicreality

Tatsächlich scheint es gerade bei Menschenaffen naheliegend, dass sie wie die menschliche Frau beim Sex Lust empfinden können. Aber de facto weiß man es nicht, sagt Sebastian Baldauf: Das Gebiet sei eine enorme wissenschaftliche Grauzone. "Wir können nicht messen, was das Gehirn verarbeitet und was die Tiere empfinden."

Er weist darauf hin, dass erhöhte Vaginalkontraktionen oder spezielle Rufe während des Aktes unter Umständen kein Lustempfinden ausdrücken, sondern einen Zweck verfolgen: "Möglicherweise stimulieren die Weibchen die Männchen damit, damit diese mehr Spermien abgeben." Damit würden sie die Wahrscheinlichkeit erhöhen, von einem gewählten Geschlechtspartner tatsächlich Nachwuchs zu bekommen.

Scheinbare Vergewaltigung

Oft sieht es sogar nach einer Vergewaltigung aus, was im Tierreich passiert. Es gibt Berichte, dass viele Organ-Utan-Männchen die Weibchen zum Sex zwingen. Brutal geht es auch bei den Enten zu: Mehrere Erpel jagen eine Ente und drücken sie bei dem Akt unter Wasser. Unglücklicherweise ertrinken einige Enten dabei. Und sogar die friedlichen Delphine sollen beim Sex sehr unsanft miteinander umgehen, heißt es. Aber auch hier kann niemand wissen, ob das Weibchen dabei Angst und Schmerzen empfindet.

Junikäfer bei der Paarung (Foto: Stefan Thomas/lth)
Empfinden Junikäfer Lust beim Geschlechtsverkehr? Die Frage bleibt ungeklärt.Bild: picture-alliance/dpa

Manchmal interpretiert der Mensch das, was vor dem tierischen Geschlechtsverkehr passiert, vollkommen falsch. Sebastian Baldauf nennt als Beispiel die einheimischen Bachflohkrebse. Die viel größeren Männchen greifen sich zur Paarungszeit ein Weibchen und halten es fest, oft zwei bis drei Wochen lang, bis es zur Befruchtung bereit ist, erzählt Baldauf. Während der gesamten Zeit kämpft das Weibchen gegen das Männchen und versucht, es abzuwerfen. "Tatsächlich schätzt das Weibchen nur ab, ob das Männchen kräftig genug ist, sie zu halten", erklärt der Biologe. "Durch das Wehren wählen die Weibchen Männchen aus, die Nachkommen garantieren, die auch so stark werden können." Mit Vergewaltigung habe das zumindest in dem Fall nichts zu tun.

Viele Weibchen sind nicht leicht zu haben

Möglicherweise wählen auch die Weibchen der Seychellen-Riesenschildkröte das beste Männchen aus, indem sie sich andauernd vorm Sex drücken. "Die Weibchen wollen, dass er sich Mühe gibt", sagt Justin Gerlach. "Er soll sich anstrengen - deshalb sind sie nicht so leicht zu haben." Tatsächlich bekommen Riesenschildkröten oft nur dann Nachwuchs, wenn das Männchen Konkurrenz durch andere Männchen im Gehege hat. "Möglicherweise sind sie nur dann beharrlich genug, wenn sie genügend motiviert sind."