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Wirtschaft im Fokus

Sasa Bojic 4. Mai 2012

Die Serben entscheiden über einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament, zeitgleich finden Regional- und Kommunalwahlen statt. Im Fokus stand vorher nur ein Thema.

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Wahlplakate in Serbien (Foto: DW)
Wahlplakate in SerbienBild: DW

Am Sonntag wählen knapp sieben Millionen Serben ein Parlament. Bis jetzt hat kein einziger Präsidentschaftskandidat hat im Wahlkampf die EU-Integration Serbiens thematisiert. "Die Stimmung im Volk, das sich ausschließlich für Wirtschaftsthemen interessiert, war bestimmend für die Auswahl der Wahlkampfthemen", sagt Aleksandra Joksimovic, die Vorsitzende des Serbischen Zentrums für Außenpolitik. Seit Serbien im März der Status eines EU-Beitrittskandidaten zugesprochen wurde, sei das Thema "überholt und im Wahlkampf uninteressant".

Die strategische Orientierung Serbiens wird von keinem der beiden aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten in Frage gestellt: Sowohl Präsident Boris Tadic von der Demokratischen Partei (DS) als auch sein stärkster Herausforderer Tomislav Nikolic von der oppositionellen Serbischen Fortschrittspartei (SNS) wollen Serbien in die Europäische Union führen. Ihre Parteien werden voraussichtlich auch im künftigen serbischen Parlament die stärksten politischen Kräfte sein.

Nur wenige Parteien versuchen, sich von den anderen abzuheben, indem sie sich dem angestrebten EU-Beitritt widersetzen. Das gilt unter anderem für die Demokratische Partei Serbiens (DSS) des ehemaligen Regierungschefs Vojislav Kostunica. Bei der Präsidentschaftswahl hat Kostunica allerdings kaum Chancen: Die Umfragen deuten auf ein Zwei-Mann-Rennen zwischen Boris Tadic und Tomislav Nikolic.

Kosovo-Streit wird kaum erwähnt

Boris Tadic ist betont pro-europäisch orientiert und seine Demokratische Partei gilt seit den Zeiten des ermordeten Partei- und Regierungchefs Zoran Djindjic (2001 - 2003) als sozialliberal und modern. Tadics stärkster Herausforderer Tomislav Nikolic gründete seine Serbische Fortschrittspartei 2008, indem er sich von der Serbischen Radikalen Partei des Ultranationalisten und wegen Kriegsverbrechen angeklagten Vojislav Seselj abspaltete. Heute gilt er als gemäßigter und pro-europäisch orientierter Nationalist.

Bisheriger serbischer Präsident Boris Tadic (Foto: dapd)
Tadic trat im April zurück, um den Weg für Neuwahlen freizumachenBild: dapd

Nicht nur der EU-Kurs, auch das andere zentrale politische Thema in Serbien wurde im Wahlkampf kaum erwähnt: der Kosovo-Streit. Serbien weigert sich immer noch, die Unabhängigkeit seiner ehemaligen Provinz Kosovo anzuerkennen. In dieser Frage sind sich die serbischen Parteien weitgehend einig. Nur die Liberaldemokratische Partei (LDP), die es Umfragen zufolge bei dieser Wahl über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen wird, setzt sich für die Anerkennung des unabhängigen Kosovo ein.

Kosovo-Serben, die einen serbischen Pass besitzen, dürfen an den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Serbien teilnehmen. Die Stimmabgabe wird von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) durchgeführt - dieser Vereinbarung stimmte auch die albanisch kontrollierte Regierung in Pristina zu. Der Belgrader Politikexperte Dusan Janjic betont, dass sich die serbische Regierung dadurch in Widersprüche verwickelt: "Sowohl die kosovarische Regierung als auch die serbische Opposition sehen darin die volle Anerkennung der Unabhängigkeit Kosovos und die Betrachtung der dortigen serbischen Gemeinschaft als Diaspora."

Zusätzliche Soldaten im Norden Kosovos

Als besorgniserregend gilt die Entscheidung der Kosovo-Serben, die Kommunalwahlen in eigener Regie abzuhalten - als wären sie immer noch Bürger einer serbischen Provinz. Die Regierung in Belgrad hatte davon abgeraten. Für Pristina gilt das als nicht hinnehmbare Provokation. Angesichts der zu erwartenden Spannungen haben Deutschland und Österreich zusätzliche Soldaten in den serbisch besiedelten Norden des Kosovo geschickt.

Trotz dieser politischen Spannungen bleiben die Kernthemen des Wahlkampfes Arbeitslosigkeit, wirtschaftliche Misere und Korruption. Fast 25 Prozent der Serben sind arbeitslos, die Inflationsrate erreichte in den vergangenen zwölf Monaten elf Prozent. Arbeitslosigkeit und Inflation sind nach den letzten Wahlen im Jahr 2008 so stark gestiegen, dass die neuen Wahlversprechen für die Bürger abgedroschen und hohl klingen. Die Versprechen der einzelnen Parteien unterscheiden sich außerdem kaum voneinander.

Serbischer Präsidentschaftskandidat Tomislav Nikolic (Foto: picture-alliance/dpa)
Tadics stärkster Herausforderer: Tomislav NikolicBild: picture alliance / dpa

Es ist möglich, dass gerade junge Wähler aus Politikverdrossenheit nicht wählen gehen werden. Davon könnte Tomislav Nikolic von der nationalistischen Serbischen Fortschrittspartei (SNS) profitieren, der laut aktuellen Umfragen in leichter Führung liegt. Dennoch wird es voraussichtlich zu einer Stichwahl zwischen Nikolic und Amtsinhaber Boris Tadic kommen.

Die Europäische Union erhofft sich faire und korrekte Wahlen. "Wir hoffen auf eine neue politische Führung als Ergebnis der Wahlen, eine Regierung, die offener ist für die regionale Zusammenarbeit und die auf dem europäischen Weg bleibt", sagt EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle.