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Serbiens Kooperation mit Den Haag: Ping-Pong-Spiel um die Verantwortung

22. Dezember 2005

Die Chefanklägerin des UN-Kriegsverbrechertribunals berichtete vergangene Woche vor dem Sicherheitsrat. Demnach kooperiere Belgrad seit April ungenügend mit dem Tribunal. Doch dort beschuldigt man sich nur gegenseitig.

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Carla del Ponte unzufrieden mit BelgradBild: AP

Der negative Bericht der Chefanklägerin des UN-Kriegsverbrechertribunals ICTY, Carla del Ponte, über die unzureichende Zusammenarbeit Serbiens mit dem Tribunal dient serbischen Politikern dazu, sich gegenseitig die Verantwortung dafür zu zuschieben. Statt konkrete Vorschläge zu unterbreiten, wie die Kooperation mit dem ICTY verbessert und flüchtige mutmaßliche Kriegsverbrecher vor Gericht gebracht werden können, befassen sich die Politiker in Serbien überwiegend damit, die Schuld von einer Regierungsebene auf die andere zu schieben.

Präsident Tadic kritisiert Regierung

Serbiens Präsident Boris Tadic sieht die Verantwortung bei der Regierung. Er sagte, die Regierung müsse der Öffentlichkeit unumwunden erklären, warum der Bericht der Chefanklägerin des ICTY vor dem UN-Sicherheitsrat negativ ausgefallen sei. "Für die Kooperation mit dem ICTY ist die Regierung, sind einzelne Ministerien verantwortlich, daran gibt es keinerlei Zweifel. Sowohl die Ministerien als auch die Regierung müssen nun nach dem Bericht vor dem UN-Sicherheitsrat auch unserer Öffentlichkeit Einsicht gewähren, was unternommen wurde, um mit dem Tribunal zusammenzuarbeiten, warum dieser Bericht so negativ ausgefallen ist und warum wir heute praktisch das einzige Land sind, das vom UN-Sicherheitsrat den Stempel erhielt, dass es nicht mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal zusammenarbeitet."

Wortduelle statt Taten

Zoran Loncar, Minister für kommunale Selbstverwaltung und Mitglied des Nationalrates für die Kooperation mit dem Tribunal, wies die Anschuldigungen des Präsidenten gegen die Regierung zurück. Er erklärte, Präsident Tadic solle, bevor er die Regierung kritisiere, über seine eigene Verantwortung sprechen. Da Carla del Ponte die meiste Kritik gegen die Streitkräfte gerichtet habe, trage Tadic als ehemaliger serbisch-montenegrinischer Verteidigungsminister und Mitglied des Obersten Verteidigungsrates erheblich Mitschuld an dieser Lage. "Tadic sollte darlegen, wie viele ICTY-Angeklagte während seiner Amtszeit nach Den Haag ausgeliefert wurden", so Loncar.

Umgehend folgte eine Antwort aus dem Büro des Präsidenten. Sein Pressedienst unterrichtete Minister Loncar darüber, dass die Auslieferung der Angeklagten nicht in den Zuständigkeitsbereich des Obersten Verteidigungsrates falle, sondern ausschließlich in den der Regierung Serbiens. Minister Loncar solle seiner Arbeit nachgehen und die Regierung solle sagen, was sie wegen des negativen Berichts des ICTY unternehmen wolle, statt die Öffentlichkeit falsch zu informieren, hieß es aus dem Präsidialamt.

In die polemische Debatte über die Schuldfrage reihte sich auch Serbiens Finanzminister Mladjan Dinkic ein. Er versuchte, die gegenseitigen Anschuldigungen durch die Bemerkung auszugleichen: Sowohl der Präsident als auch die Regierung Serbiens seien für die Probleme mit dem ICTY gleichermaßen verantwortlich. "Mir scheint, Präsident Tadic lebt in dem gleichen Staat wie Premier Vojislav Kostunica. Wir sind alle dafür verantwortlich, unsere Pflicht gegenüber dem ICTY zu erfüllen: Präsident Tadic, Premier Kostunica, unsere Regierung", meinte Dinkic.

Mehr Aktivität gefordert

Dem augenblicklichen Kenntnisstand zufolge gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass Aktivitäten im Gang sind, um die flüchtigen Angeklagten, allen voran Ratko Mladic, ausfindig zu machen. Ein jüngstes Vorkommnis hat das Misstrauen der internationalen Gemeinschaft gegenüber Serbien sicherlich weiter geschürt: Das ICTY hatte von Belgrader Behörden Militärunterlagen über Mladic angefordert und erhielt in dem Dossier zahlreiche leere Blätter. Verteidigungsminister Zoran Stankovic versicherte inzwischen, die Regierung werde in Kürze die Probleme bei der Kooperation mit dem ICTY genau untersuchen, um sicher zu stellen, dass keine Informationen unterschlagen würden.

Ivica Petrovic, Belgrad
DW-RADIO/Serbisch, 16.12.2005, Fokus Ost-Südost