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Serbien: Amt oder Ministerium zum Schutz der Minderheitenrechte?

6. Juni 2007

Die Vertreter der nationalen Minderheiten in Serbien sind unzufrieden mit den derzeitigen Gesetzen und Institutionen zum Schutz ihrer Rechte. Die Regierung sieht das anders, erkennt aber dennoch Handlungsbedarf.

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Minderheiten sind jetzt RegierungssacheBild: DW
Die Vertreter der nationalen Minderheiten in Serbien hatten gehofft, dass die neue Regierung ein Ministerium für nationale Minderheiten einrichten würde - vergeblich. Riza Halimi, der einzige Abgeordnete der albanischen Koalition aus dem Presevo-Tal im serbischen Parlament, sagte DW-RADIO, dies wäre ein eindeutiges Zeichen gewesen, dass Serbien in seinen Institutionen ausdrücklich auch Vertreter nationaler Minderheiten wünsche. Es sei nicht ausreichend, dass sich lediglich das Amt für Menschen- und Minderheitenrechte der Regierung Serbiens mit der sensiblen Problematik der Minderheitenrechte befasse.

Was ist besser: Fachbehörde oder Ministerium?

"Die Praxis hat im vergangenen Jahr gezeigt, dass das Amt für Menschen- und Minderheitenrechte nicht effizient ist und nicht über ausreichende Kapazitäten verfügt, um sich mit diesem delikaten Problem zu befassen", so Halimi. Das sieht Petar Ladjevic, Direktor des Amtes für Menschen- und Minderheitenrechte, anders. Er sagte DW-RADIO, dass die Behörde mehr und besser arbeite, als es ein Ministerium könne. "Ein Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte ist überflüssig", so Ladjevic. "Wir benötigen stattdessen eine Fachbehörde der Exekutive, damit Menschen- und Minderheitenrechte geschützt und gefördert werden können." Diese Fachbehörde solle alle Teilbereiche koordinieren, die für die Umsetzung von Menschen- und Minderheitenrechten relevant seien. Mit dem Amt für Menschen- und Minderheitenrechte sei das erreicht.

Minderheitenfrage als Regierungssache

Die Debatte darüber, ob Serbien ein Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte braucht, begann vor mehr als einem Jahr, als die Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro auseinander brach. Damals wurde statt eines Ministeriums, wie es auf Bundesebene bestand, das Amt für Menschen- und Minderheitenrechte gebildet, das die Zuständigkeiten des Ministeriums übernahm. Mit den Rechten der nationalen Minderheiten müssten sich alle Ministerien befassen, deswegen sei ein spezielles Ministerium dafür unnötig, so die Argumentation der damaligen serbischen Regierung.

Nichtdestotrotz wurde bei den Verhandlungen über die neue Regierung Serbiens erneut über ein Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte debattiert – eingerichtet wird es nicht. Riza Halimi gibt allerdings zu bedenken, dass "alle Ministerien" gar nicht in der Lage dazu seien, in einem "regulären Verfahren die sensiblen Probleme der Menschenrechte und insbesondere der Minderheitenrechte zu lösen".

Umsetzung problematisch

Milenko Dereta, Exekutivdirektor der Nicht-Regierungsorganisation Bürgerinitiative, sagte DW-RADIO, viel wichtiger als die Bezeichnung einer Institution sei, ob sie funktioniere. Die Bürgerinitiative befasst sich seit Jahren mit dem Schutz der Rechte der nationalen Minderheiten. "Das Problem ist, dass die Ministerien, denen das Minderheitenressort Weisungen erteilt oder die es kontrollieren sollten, die Gesetze und die damit verbundenen Pflichten nicht umsetzen", berichtet Dereta. "Allen voran das Ministerium für Bildung: Es hat noch immer keinen Unterricht in den Sprachen der Minderheiten eingeführt und somit seine Aufgabe nicht erfüllt".

Riza Halimi beklagt ebenfalls, dass das Amt für Menschenrechte und Minderheiten nicht in der Lage sei, die Kernprobleme zu lösen. "Es gibt keinen Mechanismus, der den Minderheiten Mitsprache zusichert", sagt er. "Ein weiteres Problem besteht darin, dass es keine aktive Beteiligung der Minderheiten im öffentlichen Leben gibt." Ein Ministerium könnte diese Probleme viel effizienter angehen.

"Gleichheit aller Bürger"

Auch wenn Petar Ladjevic die bisherige Arbeit des Amtes für Menschen- und Minderheitenrechte als "ausgezeichnet" bewertet, hat er Verständnis für die Unzufriedenheit der nationalen Minderheiten. "Wir sind jetzt auf der Stufe einer öffentlichen Debatte über gesetzliche Vollmachten und die Wahl der Nationalräte. Wenn dieses Gesetz im Parlament verabschiedet ist, wird es vorangehen", verspricht er. Milenko Derveta fordert trotzdem weiterhin ein ganz neues Ministerium oder eine vergleichbare Institution zum Schutz der nationalen Minderheiten.

Denkbar wären zum Beispiel ein Ministerium für Menschenrechte oder ein Ombudsmann für Menschenrechte. Diese könnten sich mit den Menschenrechten im Ganzen befassen, die Minderheitenrechte wären ein Teilbereich ihrer Arbeit. "Meines Erachtens werden die Interessen der Minderheitengruppen am besten geschützt, wenn zum einen die Minderheiten über ihre Rechte aufgeklärt werden und zum anderen die Mehrheit diese Rechte nicht als etwas betrachtet, was sie entweder gewährt oder worauf sie verzichtet", erläutert Derveta die komplexe Sachlage. "Die Rechte für die Minderheiten wären dann ein Zeichen für die Gleichheit aller Bürger."

Zelimir Bojovic, Belgrad
DW-RADIO/Serbisch, 2.6.2007, Fokus Ost-Südost