Puigdemont entwischt spanischer Polizei trotz Großfahndung
9. August 2024Carles Puigdemont, der in Spanien mit Haftbefehl gesucht wird, ist vermutlich zurück in Belgien. Das gab der Generalsekretär von Puigdemonts Partei Junts am Freitag bekannt. Puigdemont war am Donnerstag zum ersten Mal seit sieben Jahren aus seinem Versteck in Belgien in die katalanische Hauptstadt Barcelona zurückgekehrt. Bei einer Veranstaltung seiner Partei Junts trat er vor jubelnden Anhängern auf. Seitdem ist er untergetaucht. Im Rahmen einer Großfahndung mit dem Operationsnamen "Käfig" errichtete die Polizei Straßensperren rund um Barcelona, sie konnte den Gesuchten aber nicht fassen. Zwei katalanischen Polizeibeamten wird vorgeworfen, sie hätten Carles Puigdemont bei seiner erneuten Flucht geholfen. Puigdemont, der gewählter Abgeordneter des katalanischen Regionalparlaments ist, hatte angekündigt an der Sitzung des Parlaments am Donnerstag teilnehmen zu wollen. Auf dem Weg von der Parteiveranstaltung zum Parlament ging er in einer größeren Menschenansammlung dann "verloren", wie die spanische Polizei mitteilte.
Carles Puigdemont wurde 2017 als Regionalpräsident Kataloniens abgesetzt und war aus Barcelona getürmt, weil die spanischen Behörden ihn wegen Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung öffentlicher Gelder verhaften lassen wollten. Eigentlich ist der ehemalige Kopf der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung also nicht ins Exil vertrieben worden, sondern er hat sich der Strafverfolgung durch Flucht entzogen. Zusammen mit einigen Gefolgsleuten aus seiner Provinzregierung von der Partei Junts tauchte Puigdemont in Belgien unter.
Illegales Referendum
Was hatten Puigdemont und seine Komplizen verbrochen? Nach spanischem Recht war das Abhalten eines Referendums über den Austritt Kataloniens aus dem spanischen Staatsverband illegal. Ebenso strafbar war die anschließende Erklärung der Unabhängigkeit Kataloniens.
Die Gelder, die der damalige Chef der Verwaltung Kataloniens für das Referendum verwandt hat, waren zweckentfremdet und veruntreut worden, so die Vorwürfe der spanischen Staatsanwaltschaft. Einige Kameraden von Carles Puigdemont stellten sich der spanischen Justiz und wurden wegen Aufruhrs verurteilt. Der Chef selbst und einige andere blieben weiter auf der Flucht. Spanische Richter erließen internationale Haftbefehle aus. In Deutschland und Italien wurde Puigdemont für kurze Zeit festgenommen.
Langes juristisches Tauziehen
Da sich die internationalen Haftbefehle auf Straftaten bezogen, die es in Deutschland, Italien oder Belgien nicht gibt, wurde der katalanische Unabhängigkeitsaktivist nicht nach Spanien abgeschoben. 2019 ließ sich der mittlerweile in Waterloo bei Brüssel lebende Puigdemont ins Europäische Parlament wählen.
Lange hatten Parlamentsverwaltung und Europäischer Gerichtshof darum gerungen, ob Carles Puigdemont sein Mandat antreten darf, ohne die nötigen Unterschriften in Madrid geleistet zu haben. Am Ende sagte der Europäische Gerichtshof ja, allerdings wurde dem Katalanen nach jahrelangem Verfahren schließlich die mit dem Mandat verbundene Immunität aberkannt.
Puigdemont ist Abgeordneter
Bei den Wahlen zum Regionalparlament Kataloniens im Februar kandidierte Puigdemont aus seinem selbst erklärten Exil in Belgien. Er gewann einen Sitz, aber seine Partei Junts konnte zum ersten Mal seit zwanzig Jahren keine Koalition von Separatistenparteien in Katalonien formen.
Die Regierung wird jetzt aus der sozialistischen Partei und einer gemäßigten linken Partei (ERC) gebildet, die nach Unabhängigkeit Kataloniens strebt. Die Sozialistische Partei Spaniens von Ministerpräsident Pedro Sanchez hatte im Mai ein umstrittenes Amnestiegesetz erlassen, das die Strafverfolgung wegen Rebellion und Aufruhr auch gegen Carles Puigdemont beendet.
Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs Spaniens gilt die Amnestie nicht für den Haftbefehl wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder. Dieser Haftbefehl könnte nach der Rückkehr von Puigdemont vollstreckt werden.
Druck auf spanische Zentralregierung
Nach der missglückten Verhaftung und den neuerlichen Eskapaden von Carles Puigdemont gerät die spanische Zentralregierung unter Druck. Der Sozialist Pedro Sanchez kann sich nur mit Hilfe kleiner katalanischer Parteien an der Macht halten, weil er über keine eigene Mehrheit im Parlament verfügt. Die katalanische Separatisten-Partei Junts, der Carles Puigdemont angehört, zieht jetzt ihre Tolerierung der Minderheitsregierung von Pedro Sanchez in Madrid in Zweifel. Die Opposition aus Christdemokraten und rechtspopulistischer Vox kritisiert die Regierung scharf. Sie habe Spanien mit der vergeblichen Jagd auf Puigdemont international der Lächerlichkeit preisgegeben. "Das ist eine unerträgliche Blamage", sagte der Chef der christdemokratischen Volkspartei, Alberto Nunez Feijoo, in Madrid.
Carles Puigdemont hat vor seinem Auftritt in Barcelona versucht, die ganze Affäre zu einem Test für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Spanien zu stilisieren. Er bezweifelt, dass der spanische Zentralstaat und die Justiz seine vermeintlichen Rechte als Abgeordneter des Regionalparlaments respektieren werden. Sein Anwalt kündigte an, der Gesuchte werde sich "demnächst" öffentlich äußern.
Der am Donnerstag neu gewählte sozialistische Regionalpräsident Kataloniens, Salvador Illa, steht im Gegensatz zu seinem Koalitionspartner ECR oder der radikaleren Partei Junts für die Einheit Spaniens. Mit der Zentralregierung in Madrid hat er bereits weitere Zugeständnisse ausgehandelt. So soll Katalonien ein eigenes Steuersystem bekommen und mehr Geld für die Förderung der katalanischen Sprache.