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Seniorenbeige stirbt aus

7. Januar 2011

Ab einem gewissen Alter verstecken sich viele Menschen hinter Pastelltönen. Mode für Senioren ist oft funktional und unauffällig. Eine Mode, die es bald nicht mehr geben wird. Denn die nachkommenden Älteren wehren sich.

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Senioren auf einem Schiff (Foto: dpa)
Bild: dpa

Der Reisebus hält, das Panorama lockt und innerhalb von Minuten füllt sich der Aussichtsplatz mit Menschen in beigefarbenen Windjacken, grünlichen Blousons, sandfarbenen Funktionswesten und mit weißen Haaren. Seniorenbeige in Hülle und Fülle. Mode, die bequem und funktional ist, die umhüllt und unauffällig macht. Es gibt sie und es gibt Konzerne, die sich darauf spezialisiert haben und gut davon leben können.

Optik für die zweite Reihe

Mann gibt Frau einen Kuss auf die Wange (Foto: BilderBox)
Mut zur Farbe!Bild: bilderbox.com

Diesen Konzernen machen keine Trends das Leben schwer, aber ihre Stammkundschaft stirbt langsam aus. Zumindest nach Einschätzung von Elke Giese. Die ehemalige Leiterin des Deutschen Mode Instituts beobachtet und untersucht seit zehn Jahren, wie sich Mode und Selbstbild der Menschen ab 60 Jahren verändern. Die älteren Menschen, die Kleidung aus der Sparte Seniorenbeige kaufen, würden immer weniger. Die so genannten "neuen Alten" seien nicht bereit, sich in die gleiche Altersrolle zu begeben, wie ihre Elterngenerationen. Sprich: sie wollen ab einem gewissen Alter nicht mehr in die zweite Reihe zurücktreten. Schon gar nicht optisch.

Zu diesen neuen Alten zählen Forscher heute Menschen zwischen 60 und 80 Jahren. Der Altersforscher Hans-Werner Wahl sagt, dass sich diese Menschen primär als "fortgeschrittene Erwachsene" sehen. Ihr Bild von sich selbst habe sich nicht wirklich verändert seit sie 55 Jahre alt waren. Ein Bild, das geprägt sei durch Leistungsfähigkeit, Muße und dem Bedürfnis nach neuen Erfahrungen und Mitverantwortung. Diese Älteren wollen vor allem eins: "als eine Gruppe betrachtet werden, die genauso farbenreich ist wie etwa Jugendliche - auch in der Mode".

"Senior" - ab in den Giftschrank

Die Modekonzerne wissen das. Das Wort "Seniorenmode" hat Giftschrankqualität. Kein Konzern würde es freiwillig öffentlich in den Mund nehmen. Sie sprechen lieber von Mode für "eine lebenserfahrene Zielgruppe". Von Mode für "Best-Ager" oder die "Silver-Generation". Der Begriff "Senior" ist in Deutschland negativ besetzt und hat sich nie richtig durchsetzen können. Mode ist verbunden mit Jugendlichkeit und nicht mit Alter.

Zwei ältere Damen sitzen auf einer Parkbank (Foto: BilderBox)
Klassisch - aber mit FarbeBild: BilderBox

Die Modedesignerin und -journalistin Elke Giese hat beobachtet, dass die "neuen Alten" sich heute modisch stets neu erfinden oder ihr jugendliches Bild erhalten. Sie verwischen die Grenzen und ignorieren unausgesprochene Modegesetze. Hautenge Leder-Leggins wurden im vergangenen Jahr vor allem von Frauen gekauft, die älter als 55 Jahre waren.

Ausnahmen gibt es immer, klar. Wie sich jemand kleide, sei vor allem eine Frage der Sozialisation und Bildung, sagt Elke Giese. Nicht jeder interessiert sich für Mode und Stil ist keine Geldfrage. Natürlich greifen nicht alle Menschen, die in Deutschland älter als 80 sind, zu Seniorenbeige. Auch hier ist Farbe gefragt, aber die Mode ist traditioneller. Nicht zu körperbetont und ohne Jugendlichkeitsanspruch. Kostüme, Röcke, Anzüge, klassische Schnitte und Materialien dominieren.

Körper ohne Gewissen

Eins wird aber auch bei den nachkommenden "neuen Alten" nicht anders sein als bei denen, die die 80 jetzt schon überschritten haben: Dem Körper ist jedes Selbstbild herzlich egal. Er wird älter, gebrechlicher, dicker, formloser, schlaffer. Leider. Die "neuen Alten" werden sich deshalb nicht plötzlich in Seniorenbeige hüllen, damit der körperliche Verfall nicht weiter auffällt. Aber hoffentlich erkennen sie rechtzeitig, welche Modetrends an ihnen ab einem gewissen Alter noch gut aussehen und wann es peinlich wird. Denn nur weil das Seniorenbeige irgendwann mal ausstirbt, heißt das ja noch lange nicht, dass alles modisch besser wird.

Autorin: Marlis Schaum
Redaktion: Petra Lambeck