Seltsame Fälle vor Sozialgerichten
Manchmal können einem Richter schon Leid tun - wenn sie über die merkwürdigsten Fälle Urteile sprechen müssen. Beispielsweise, ob es ein Arbeitsunfall ist, wenn sich jemand beim Trinken die Zähne ausschlägt ...
Beim Kopieren Zähne abgebrochen
Schnell beim Kopieren ein alkoholfreies Bier trinken, dann aber schäumt es zu sehr. Beim hektischen Abtrinken bricht sich der Kläger mehrere Zahnspitzen ab. Ein Arbeitsunfall? Nein, sagte das Sozialgericht Dresden. Nahrungsaufnahme ist nicht versichert und Kopieren würde nicht ein vom normalen Ess- und Trinkverhalten abweichendes besonderes Hunger- und Durstgefühl hervorrufen.
Arbeitsunfall: Wasser trinken
Das Leben kann gefährlich sein, wenn das Arbeitszimmer zu Hause unterm Dach liegt. Beim Wasser holen stürzte eine Frau auf der Treppe. Ihre Klage blieb vor dem Sozialgericht Mainz ohne Erfolg. Das Landessozialgericht aber entschied: Nahrungsaufnahme sei grundsätzlich nicht versichert, Wege zum Ort der Nahrungsaufnahme aber schon. Die Treppe gehöre zur Betriebsstätte, also: ein Arbeitsunfall.
Bundessozialgericht urteilt anders
Die Richter stellten klar, dass der Weg zur Nahrungsaufnahme auf sogenannten Betriebswegen zwar grundsätzlich versichert ist. Essen und Trinken an einer Betriebsstätte unterliege aber betrieblichen Vorgaben und Zwängen. Im Home Office könne der Arbeitnehmer jedoch selbst entscheiden, wann er sich Wasser hole. Also: Kein Arbeitsunfall.
Ist Eis essen ein Arbeitsunfall?
Auf dem Heimweg vom Geschäftstermin schleckte ein Mann ein Eis und verschluckte sich beim Einfahren der U-Bahn an einem Brocken. Der blieb in der Speiseröhre hängen, was einen blitzartigen Schmerz hervorrief. Im Krankenhaus wurde dann ein Herzinfarkt festgestellt. Kein Arbeitsunfall, da Eis zum Genuss verzehrt wird und nicht, um sich für die Arbeit zu stärken, urteilte das Sozialgericht Berlin.
Flucht vor Gummispritztier
Sie sind ja so gemeingefährlich: Bei einer beruflichen Umschulungsmaßnahme versuchen Mitschülerinnen in der Pause einen 27-jährigen Mann mit einem Gummispritztier nass zuspritzen. Der springt aus dem Fenster, stürzt durch ein Plexiglasvordach und verletzt sich. Der Sprung wäre keine betriebsbedingte Tätigkeit, sagte das hessische Landessozialgericht, also sei es auch kein Arbeitsunfall gewesen.
Eingeschlafen und vom Stuhl gefallen
Eine Gastwirtin schlief während der Arbeit an der Theke auf einem Stuhl ein, fiel um und verletzte sich dabei. Arbeitsunfall oder nicht? Das Sozialgericht entschied: Sie sei nicht wegen betrieblicher Überarbeitung eingeschlafen und habe somit auch keinen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Streit mit Türsteher
Im Firmenauftrag fuhr der Kläger nach Ibiza und traf dort Kunden im Beach Club. Nach Mitternacht verließ er stark alkoholisiert den Club. Als er später wieder rein wollte, kam es zum Streit mit dem Türsteher und der schlug zu. Die Folge: Schwere Kopfverletzungen mit Spätfolgen. Zwar stehen Dienstreisen unter Versicherungsschutz, so das Sozialgericht - aber nicht bei Trunkenheit und in der Nacht.
Kuh vorm Ersticken gerettet
Die Kuh eines Nebenerwerbslandwirtes verhedderte sich in ihrer Kette und drohte zu ersticken. Der Bruder konnte die Kuh befreien, wurde dabei aber von einer anderen getreten und brach sich den Unterschenkel. Das Sozialgericht entschied: Der Bruder sei nicht arbeitnehmerähnlich tätig gewesen, aber Personen, die in Unglücksfällen Hilfe leisten sind auch unfallversichert. Also: Ja, ein Arbeitsunfall.
Schmerzensgeld für Sex auf Dienstreise?
Einige Jahre durfte sich die australische Justiz damit beschäftigen, dass eine Beamtin auf einer Dienstreise Sex hatte. Dabei wurde eine Lampe aus der Wand gerissen, deren Scherben die Klägerin verletzten. Dafür und für das posttraumatische Stress-Syndrom als Folge des Unfalls verlangte sie Schmerzensgeld. Sex wird nicht vom Arbeitgeber erwartet, urteilte das Gericht und wies die Klage ab.