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Seltene Vb-Wetterlage sorgt für Überschwemmungen

3. Juni 2024

Zu viel Regen, zu wenig Wind. Schon in der Vergangenheit sorgte die Vb-Wetterlage häufig für verheerende Überschwemmungen - nicht nur in Deutschland. Dies könnte durch den Klimawandel noch zunehmen.

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Luftaufnahme des Hochwassers am Neckar im süddeutschen Heidelberg
Für das Hochwasser wie hier im süddeutschen Heidelberg am Neckar ist eine Vb-Wetterlage verantwortlichBild: Boris Roessler/dpa/picture-alliance

In der Meteorologie werden Vb-Wetterlagen aufmerksamst beobachtet, denn sie bringen bekanntlich ungeheure Regen- oder im Winter Schneemassen mit sich. Eine solche Vb-Wetterlage ist auch für den ergiebigen Dauerregen und die Überschwemmungen in weiten Teilen Deutschlands verantwortlich.

Vb-Wetterlage (gesprochen: Fünf-B-Wetterlage, V = römisch 5) sorgten auch schon in der Vergangenheit häufig für große Überschwemmungen und katastrophale Zerstörungen.

Erstmals beschrieben wurden Vb-Wetterlagen 1891 durch Wilhelm Jacob van Bebber. Der deutsche Meteorologe katalogisierte vor fast 150 Jahren typische Zugbahnen von Tiefdruckgebieten und nummerierte sie mit römischen Zahlen. Heutzutage sind die Bezeichnungen Va, Vc und Vd allerdings - anders als die Vb-Wetterlage - nicht mehr gebräuchlich.

Ein Meteorologe vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach zeichnet am 4.11.2002 Wetterfronten auf einer Europakarte ein.
Bei Vb-Wetterlagen schrillen bei Meteorologen die Alarmglocken Bild: Michael Hanschke/dpa/picture alliance

Ungewöhnliche Zugbahn bei Vb-Wetterlagen

Das Wetter in Europa wird häufig von Tiefs bestimmt, die von West nach Ost über Europa ziehen. Bei einer Fünf-B-Wetterlage verläuft die Zugbahn des Tiefs jedoch anders. Das Tief weicht kälteren, über Westeuropa liegenden Luftmassen in Richtung Mittelmeer aus. Solch ein Tiefdruckgebiet im Mittelmeerraum wird je nach Lage des Kerns auch Genua-Tief, Adria-Tief oder Balearen-Tief genannt. 

Das Tiefdruckgebiet schleust dann sehr feuchte Luft aus dem Mittelmeerraum an der Alpenostseite vorbei, nordwärts über Tschechien und Polen hinweg bis nach Skandinavien. Auf seiner Zugbahn sorgt dieses Tief so wie jetzt in Süddeutschland und über der Osthälfte Deutschlands für lang anhaltende und sehr ergiebige Niederschläge. Verstärkt werden diese Niederschläge noch durch die Aufwärtsbewegung der Luft im Bereich der Alpen oder in den östlichen Mittelgebirgen.

Mittelmeertiefs bringen Regen in Südosteuropas Gebirge 

Grundsätzlich pumpen Mittelmeertiefs an der Ostseite warme Luftmassen aus der Sahara über das Mittelmeer. Dort reichern sich die Tiefs meist stark mit Feuchtigkeit an und regnen sich dann an den Gebirgen im südlichen Europa massiv ab. Das betrifft dann nicht nur die Alpen, sondern auch die Pyrenäen, die Dinariden, Karpaten und Rhodopen und anderen Gebirge Südosteuropas.

Starke Mittelmeertiefs treten im Allgemeinen im Winter auf. In Ausnahmefällen kann ein Mittelmeertief ein hurrikanartiges Auge, also einen wolkenfreien Bereich im Zentrum ausbilden.

Ein Beispiel ist das Sturmtief Daniel, das sich später zu solch einem Medicane entwickelte. Es trat Anfang bis Mitte September 2023 im östlichen Mittelmeerraum auf und verursachte mit extremen Regenfällenschwere Überflutungen in Südosteuropa und Nordafrika. Betroffen waren insbesondere Griechenland, Bulgarien, die Türkei und Libyen.

Überschwemmungen durch träge Mittelmeertiefs

Vb-Wetterlagen entwickeln sich gewöhnlich im Frühling und Herbst, wenn es einen starken Austausch zwischen den kalten nördlichen und warmen südlichen Luftmassen gibt. Grundsätzlich können Vb-Wetterlagen allerdings zu allen Jahreszeiten auftreten.

Solch eine Wettersituation ändert sich manchmal über etliche Wochen nicht. Ein Mittelmeertief folgt dem nächsten. Sie alle schleusen unaufhörlich feuchte Luft nach Norden.

Das Problem ist aber nicht nur das viele Wasser, sondern vor allem der fehlende Wind. Dadurch ziehen Mittelmeertiefs oftmals nur sehr langsam weiter oder bleiben sogar stehen. Durch die geringe Zuggeschwindigkeit fällt viel zu viel Regen dauerhaft auf ein sehr begrenztes Gebiet. Der mehrere Tage andauernde Starkniederschlag kann vom bereits tiefdurchnässten Boden nicht mehr aufgenommen werden, es kommt zu immer neuen Überschwemmungen.

Je wärmer das Mittelmeer und die darüber befindliche Luft, desto mehr Wasser kommt mit dem Tiefdruckgebiet in Richtung Norden. Deshalb haben Vb-Lagen in der Vergangenheit vor allem im Hochsommer bereits zu katastrophalen Überschwemmungen geführt. In Deutschland ist die "Jahrhundertflut" an der Elbe im August 2002 ein sehr bekanntes Beispiel für eine Vb-Wetterlage.

Dresdner Zwinger unter Wasser
Bei der "Jahrhundertflut" nach einer Vb-Wetterlage stand Dresden unter WasserBild: Matthias Hiekel dpa/lsn/picture alliance

Starkregen oder Hitze: Welchen Einfluss hat der Klimawandel?

Van Bebbers Katalogisierung zeigt, dass es Vb-Wetterlagen schon lange vor dem Klimawandel gab. Trotzdem hat der Klimawandel einen erheblichen Einfluss auf aktuelle und künftige Vb-Wetterlagen.

Laut Prognosen wird es in den nächsten Jahrzehnten zwar weniger sommerliche Mittelmeertiefs geben. Aber durch den Klimawandel wird die Atmosphäre insgesamt wärmer, sie kann entsprechend auch mehr Wasserdampf aufnehmen und auch wieder abregnen. Zukünftig werden also Vb-Wetterlagen vermutlich noch deutlich extremer und zerstörerischer werden.

Der Klimawandel hat möglicherweise auch Auswirkungen auf den Jetstream. In großer Höhe bestimmt dieses breite Band aus sehr starken Westwinden über der Arktis die Windverhältnisse und damit das Wetter. In letzter Zeit hat sich der Jetstream deutlich nach Süden verlagert. Ein solches Mäandern des Jetstreams kann gravierende Wetterveränderungen mit sich bringen, etwa sehr langanhaltende Niederschlagsphasen oder im Herbst extreme Hitze-Phasen.

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund