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Selbstverbrennungen

10. Januar 2012

Die Welle von Selbstverbrennungen von Tibetern in China reißt nicht ab. Am Wochenende verbrannten sich drei tibetische Mönche aus Protest gegen die Tibetpolitik der chinesischen Regierung.

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Tibetische Studenten protestieren in der Provinz Qinghai gegen die Sprachenpolitik der Regierung in Peking(Foto:AP/Free Tibet)
Die Provinz Qinghai ist immer wieder Brennpunkt des ProtestsBild: AP

Es ist die 15. Selbstverbrennung eines Tibeters seit März vergangenen Jahres. Der Mönch Nyage Sonamdrugyu hatte sich am Sonntag (08.01.2012) vor dem Gebäude einer Polizeistation in Darlag, einer Kreisstadt in der westchinesischen Provinz Qinghai, selbst angezündet. Der US-Radiosender "Radio Free Asia" berichtet, Nyage habe zuvor auf Flugblättern angekündigt, er sterbe "nicht für persönlichen Ruhm, sondern für Tibet und das Glück der Tibeter". Nach seinem Tod soll es in Darlag zu Unruhen gekommen sein. Nach Angaben eines Sprechers der tibetischen Exilregierung sollen mehrere hundert Tibeter die sterblichen Überreste Nyages durch die Straßen getragen haben. Die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua hingegen berichtete, die Leiche sei der Familie übergeben worden und werde nun nach lokalen Bräuchen bestattet.

Mit dem Vorfall am Sonntag habe die Welle der Selbstverbrennungen eine neue Qualität erreicht, sagt Kai Müller, Geschäftsführer der "International Campaign for Tibet" in Deutschland (ICT). "Der Vorfall ist aus mehrerer Hinsicht besonders, weil es sich um einen hohen tibetischen Würdenträger handelt, einen Rinpoche, einen Tibeter, der einen Ehrentitel als buddhistischer Lehrer oder Lama trägt." Dieser habe eine besondere Stellung in der tibetischen Gemeinschaft vor Ort inne. Zudem sei es der erste Fall einer Selbstverbrennung in der Provinz Qinghai, so Müller.

Angespannte Lage im Kloster Kirti

Mönche vor dem Kloster von Kirti (Foto: picture alliance/Lonely Planet Images)
Das Kloster von Kirti in der Provinz SichuanBild: picture alliance/Lonely Planet Images

Erst am vergangenen Freitag hatten sich zwei tibetische Mönche (18 bzw. 20 Jahre alt) in der Provinz Sichuan selbst angezündet. Der 18-Jährige starb an seinen Verbrennungen. Der 22-Jährige wurde mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert. Nach Informationen von ICT soll er mittlerweise seinen schweren Verletzungen erlegen sein. Während der Selbstverbrennung soll der Mönch die Rückkehr des im Exil lebenden Dalai Lama gefordert haben, berichtet die in London ansässige Organisation "Free Tibet".

Seit dem Volksaufstand der Tibeter im Frühjahr 2008 kommt es immer wieder zu Spannungen zwischen Tibetern und chinesischen Sicherheitskräften. Einer der Hauptschauplätze dieser Auseinandersetzungen ist das in der Stadt Ngaba gelegene tibetische Kloster Kirti in der Provinz Sichuan. Hier kam es bereits im Jahr 2009 zur ersten Selbstverbrennung eines tibetischen Mönches, seit März 2011 zündeten sich allein in Ngaba zehn Mönche und Nonnen selbst an. In der Folge wurde das Kloster mit seinen knapp 2.000 Mönchen abgeriegelt. Etwa 300 Mönche sollen nach Angaben exiltibetischer Gruppen von den chinesischen Behörden an einen unbekannten Ort verschleppt worden sein. Einige sind immer noch nicht zurückgekehrt. Die chinesische Regierung spricht von einer "patriotischen Erziehungskampagne" für tibetische Mönche und Nonnen.

Exilregierung: "Das Leben ist wertvoll"

Lobsang Sangay (Foto: Matthias von Hein/DW)
Der Ministerpräsident der tibetischen Exilregierung, Lobsang SangayBild: DW

Für den Ministerpräsidenten der tibetischen Exilregierung, Lobsang Sangay, ist die Selbstverbrennungswelle Ausdruck der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit der Tibeter in China. Jeder Mensch wähle normalerweise das Leben, sagte Sangay im November im Interview mit DW-WORLD.DE. "Aber diese Tibeter sagen: Es ist besser zu sterben, als zu leben. Nur ein Mensch, der in einer so schwierigen, tragischen Situation ist, würde so entscheiden." Die Selbstverbrennungen seien eine Antwort auf die chinesische Herrschaft über Tibet, so Lobsang Sangay. "Die chinesische Tibetpolitik ist eine Politik der harten Hand, die nicht funktioniert."

Die chinesische Regierung macht die exiltibetische Regierung und den Dalai Lama für die Selbstverbrennungswelle verantwortlich. Der Dalai Lama stachele die Tibeter dazu an, diese extreme Form des Protestes zu nutzen, so der Vorwurf aus Peking. Lobsang Sangay weist diesen Vorwurf zurück. Die Gründe für die Selbstverbrennungen lägen in der Tibetpolitik der chinesischen Regierung. "Ich habe immer gesagt, dass wir die Proteste und Selbstverbrennungen in Tibet nicht unterstützen", so Sangay. Er wisse, die Konsequenzen solchen Protests seien Festnahmen und Folter. "Wir heißen das nicht gut, das haben wir öffentlich und privat gesagt. Wir sagen außerdem: Das Leben ist wertvoll", so der exiltibetische Ministerpräsident.

Die chinesischen Behörden kündigten unterdessen eine strengere Kontrolle der tibetischen Klöster an. "Die Aufrechterhaltung der Stabilität, die Verbesserung der Einigkeit und die Förderung der Harmonie in Tibet haben höchste Priorität, weil sie die Stabilität der Nation betreffen", zitierte Xinhua den stellvertretenden Vorsitzenden der politischen Konsultativkonferenz in Tibet, Basang Toinzhub, am Sonntag. Die "patriotische Erziehungskampagne" für Mönche und Nonnen werde vorangetrieben.

Autor: Christoph Ricking
Redaktion: Hans Spross