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Glaube

Schwankender Fels

21. Februar 2020

Simon Barjona ist ein Großmaul gewesen, wenn man den Evangelien glauben darf, spontan und impulsiv, mit einem Hang zur Dramatik – und dann wieder ganz schnell verzagt und kleinlaut.

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Gesteinsformationen, Äußere Gallura, Palau, Sardinien, Italien, Europa
Bild: picture-alliance/R. Hölz

Mit dem etwas protzigen Beinamen Petrus, griechisch „der Fels“, wird er in der Bibel meistens benannt. Simon Barjona, Sohn des Jona, der Fischer aus dem galiläischen Betsaida am See Gennesaret, den der Wanderrabi Jesus aus Nazaret in seinen engeren Freundeskreis berufen hatte. Simons Frau begleitete ihn offenbar auf diesen Wanderungen. Auch seine von Jesus geheilte Schwiegermutter spielte eine aktive Rolle in der Gefolgschaft Jesu; Näheres wissen wir leider nicht.

Simon Barjona ist ein Großmaul gewesen, wenn man den Evangelien glauben darf, spontan und impulsiv, mit einem Hang zur Dramatik – und dann wieder ganz schnell verzagt und kleinlaut. Voller Begeisterung versucht er Jesus auf dem Wasser des Sees Gennesaret entgegen zu laufen – aber ein Windstoß genügt, um ihm seinen forschen Glauben zu nehmen und ihn versinken zu lassen.

In der Nacht vor Jesu Tod leugnet Simon-Petrus dreimal, ihn zu kennen – aus lauter Angst, mit ihm zur Hinrichtung geschleppt zu werden. Doch nach den biblischen Berichten rechtfertigt er sich nicht. Statt die peinliche Erfahrung schönzureden, bereut er und weint vor Scham bitterlich. Während sich die anderen Freunde Jesu verkriechen und um ihre verlorenen Illusionen trauern, geht Petrus in die Offensive, das versprengte Häuflein sammelnd und die Auferstehung seines Rabbi verkündend.

Er hat es offenbar geschafft, mit Schuld umzugehen, mitleidlos ehrlich sich selbst gegenüber, tapfer die Schwäche in Stärke verwandelnd. Vielleicht ist das der Grund, weshalb Jesus ausgerechnet diesen Simon, den zwischen Vertrauen und Angst schwankenden Freund, zum Anführer seiner Jüngerschar macht. Bezeichnend, was er im Lukasevangelium zu ihm sagt, noch während er ihm ankündigt, dass er, Petrus, ihn verleugnen wird: „Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder.“

An all das sollte man heute denken, an einem etwas altmodischen Fest, das die Christen schon in der Antike feierten. Den Ursprung hatte das Fest wohl in dem Ort Antakya in der heutigen Türkei. Damals hieß der Ort Antiochia und war eine Weltstadt. Dort steht in einer „Petrusgrotte“ genannten Kirche ein schlichter Stuhl, auf dem Petrus als erster Bischof der Stadt gesessen sein soll. Sollte die Legende stimmen, wäre dieser Bischofsthron älter als der in Rom und die Grotte tatsächlich die älteste Kirche der Welt. Das Fest – im römischen Heiligenkalender ist es schon ein paar Tage früher gefeiert worden – heißt deshalb „Cathedra Petri“, Petri Stuhlfeier.

Die römisch-katholische Kirche will damit die herausgehobene Rolle des Simon Barjona im Freundeskreis Jesu und seine Bedeutung für die Entwicklung des Christentums bewusst machen – und natürlich den Führungsanspruch der Päpste bis heute. Von Antiochia ist dabei nicht mehr die Rede. Schade, denn allzu selbstsichere Kirchenführer könnten so Bescheidenheit und Respekt vor ihren Kollegen lernen. In den biblischen Geschichten von Petrus liegen Angst und Mut, Feigheit und Treue, Verzagtheit und stürmische Liebe nahe beieinander. Verwundbarkeit und Kraft, so scheint es, gehören zusammen, das Bewusstsein der eigenen Begrenztheit und die Fähigkeit, andere zu stützen.

 

Deutschland Christian Feldmann
Bild: privat

Angaben zum Autor: Christian Feldmann (Jahrgang 1950) hat über 50 Bücher publiziert. Dabei portraitiert er besonders gern klassische Heilige und fromme Querköpfe aus Christentum und Judentum. Feldmann lebt und arbeitet in Regensburg.

Kirchliche Verantwortung: Martin Korden, Katholischer Senderbeauftragter