1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Schulterschluss gegen Boko Haram

Philipp Sandner29. Juli 2015

Zum ersten Mal seit seinem Wahlsieg im Frühjahr hat Nigerias neuer Präsident Buhari jetzt das benachbarte Kamerun besucht. Beide Länder haben ein gemeinsames Problem: Boko Haram.

https://p.dw.com/p/1G78Z
Kamerun Präsidenten Paul Biya & Muhammadu Buhari Nigeria (Foto: AFP)
Bild: Getty Images/AFP/R. Kaze

In Tschad und Niger war er schon - jetzt hat Muhammadu Buhari auch in Kamerun um Unterstützung im Anti-Terrorkampf geworben. Man habe einen "gemeinsamen Feind", sagte er in einer Pressekonferenz mit Kameruns Staatschef Paul Biya. Nigeria sei entschlossen, die Terrorgruppe Boko Haram zu bekämpfen, deren "mörderische Aktivitäten Unsicherheit und menschliches Leid über beide Staaten" gebracht hätten. Jetzt sei die Gelegenheit gekommen, als Nachbarn gemeinsam für Sicherheit und Frieden zu sorgen.

Auf Buharis Besuch hatten viele im Land schon lange gewartet. "Wir erwarten jetzt, dass er und die anderen Staatchefs endlich etwas gegen Boko Haram unternehmen", sagt Eric Odus. Der nigerianische Geschäftsmann lebt seit 25 Jahren in Kamerun. "Wegen der Unsicherheit ist die Wirtschaft am Boden", sagt er. Investoren trauen sich nicht mehr ins Land, Märkte bleiben wegen Terrorgefahr geschlossen. Nach mehreren Selbstmordattentaten im Norden Kameruns mit dutzenden Toten ließ die Regierung Moscheen schließen und verbietet das Tragen von Burkas.

Jetzt will Buhari mit seinem kamerunischen Kollegen Biya die Details einer schon länger geplanten multinationalen Eingreiftruppe klären - ein Anti-Terror-Kommando, mit dem Ziel die Islamisten ein für alle Mal zu stoppen. Neben Nigeria und Kamerun wollen auch Tschad und Niger Truppen stellen. 8700 Soldaten sollen insgesamt unter nigerianischer Führung kämpfen. Wie die Armeespitze jetzt bekannt gab, soll General Iliya Abbah das Kommando übernehmen. Er hatte in der Vergangenheit Militäroperationen in Nigerias öl-reichem Niger-Delta befehligt.

Tschad Fahne Soldaten Kampf gegen Boko Haram Nigeria (Foto: rtr)
Tschadische Truppen in Nigeria im März 2015Bild: Reuters/Emmanuel Braun

Gefährliche Guerilla-Taktik

Seit einigen Monaten schon arbeiten die Länder der Region militärisch enger zusammen. Tschadische Truppen haben geholfen, Boko Haram aus weiten Teilen Nordostnigerias zu vertreiben. Die Miliz hat sich dort in die Sambisa-Wälder an der kamerunischen Grenze zurückgezogen. Aber besiegt sind die Islamisten noch lange nicht. Im Gegenteil: Ihre Taktik wird immer aggressiver. Rund 800 Menschen wurden bei Selbstmordanschlägen in Nigeria und den Nachbarstaaten getötet - und das allein in den vergangenen zwei Monaten.

"Die Kämpfer haben sich stärker verteilt in der Region und führen jetzt Rachefeldzüge gegen unbewaffnete Dorfgemeinschaften - mit Guerilla-Strategien", sagt Jibrin Ibrahim vom Zentrum für Demokratie und Entwicklung in Nigerias Hauptstadt Abuja. Das deute zwar darauf hin, dass Boko Haram militärisch unter Drucke stehe. "Aber ein einzelner bewaffneter Attentäter kann riesigen Schaden in einem Dorf anrichten, in dem niemand eine Waffe hat", so Ibrahim.

In die neue regionale Anti-Terror-Einheit setzt der Sicherheitsexperte deshalb große Hoffnungen. "Die Truppe kann sehr effektiv sein, denn so langsam haben alle erkannt, dass man zusammenarbeiten muss, um Boko Haram zu besiegen." Lange hatten die Islamisten nur Ziele in Nigeria im Visier. Inzwischen gibt es immer wieder auch Anschläge in den Nachbarländern. Für Tschad, Niger und Kamerun reicht es nicht mehr, bloß die Grenzen zu sichern.

Kamerun Anschlag in Maroua (Foto: AFP)
In Maroua in Nordkamerun hat Boko-Haram im Juli schon mehrere Anschläge verübtBild: Getty Images/AFP/Stringer

Streit oder Zusammenarbeit?

Die Aufstellung der Truppe habe länger gedauert als geplant, sagt Jibrin Ibrahim. Auch weil der Zuschlag der Afrikanischen Union für die Mission erst vor wenigen Monaten gekommen sei.

Auch über Streitigkeiten zwischen Nigeria und Kamerun wird spekuliert. Beide Länder hatten sich zuletzt immer wieder gegenseitig die Schuld am Terrorproblem zugeschoben: Kamerun tue nicht genug gegen Boko Haram, biete den Terroristen sogar Rückzugsorte, hieß es. Oder: Nigeria erschwere den Einsatz, weil es kamerunische Soldaten nicht ins Land lasse.

Kamerun Flüchtlingslager Minawao (Foto: AFP)
Flüchtlingslager Minawao: Zehntausende Nigerianer sind nach Kamerun geflohenBild: AFP/Getty Images/R. Kaze

Truppe in den Startlöchern

Beobachter sehen auch ein Problem in historischen Grenzstreitigkeiten, die neu aufkochten, als Muhammadu Buhari als Militärherrscher Anfang der 1980er Jahre die kamerunische Halbinsel Bakassi besetzen ließ und einen blutigen Konflikt mit Kamerun - auch damals regiert von Paul Biya - heraufbeschwor. Nach internationaler Vermittlung ging Bakassi schließlich wieder in kamerunischen Besitz über.

Bei seinem Besuch betonte Buhari jetzt die "exzellenten Beziehungen" beider Staaten und bedankte sich bei seinem Kollegen Biya dafür, dass Kamerun so viele Flüchtlinge aus Nigeria aufgenommen habe, die Schutz suchen vor Boko Haram.

Viele hoffen jetzt, dass Buhari auch letzte Streitpunkte ausräumt - und dass das gemeinsame Interesse an mehr Sicherheit am Ende siegt. Die Eingreiftruppe werde "jeden Moment" mit ihrer Arbeit beginnen, sagte Nigerias Militärsprecher Chris Olukolade der Nachrichtenagentur AFP. Einen genauen Termin nannte er aber noch nicht.

Mitarbeit: Moki Kindzeka, Isaac Mugabi